Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Würze(n) genießen im November

Im Wort Gewürz und Würzen steckt die Wurzel drin. Und Wurz bedeutet im Althochdeutschen gleichzeitig Wurzel und Kraut, weswegen wir bis heute Kräuter und Gewürze, also alles, was unser Essen erst so recht schmackhaft macht, in einem Atemzug nennen. Zeit für Bayern mit Genussthemen aus den bayerischen Regionen im November rund ums Thema Würzen.

Von: Gerald Huber

Stand: 03.11.2018 | Archiv

Finden Sie nicht, dass wir mit Bayern genießen endlich einmal radikal werden sollten? Nicht bloß, weil wir im November hundert Jahre Revolution, hundert Jahre Freistaat Bayern feiern. Nein, viel genießerischer radikal – an die Wurzel gehend. Nichts anderes bedeutet ja radikal, das sich von lateinisch radix = die Wurzel herleitet. Die Zeit vom Radi und vom Radieserl, die ebenfalls solch radikale Wurzeln sind, ist zwar vorbei. Aber im Wort Gewürz und Würzen steckt ja ebenfalls die Wurzel drin. Und Wurz bedeutet im Althochdeutschen gleichzeitig Wurzel und Kraut, weswegen wir bis heute Kräuter und Gewürze, also alles, was unser Essen erst so recht schmackhaft macht, in einem Atemzug nennen. Insofern, dann nämlich, wenns um den Genuss geht, kann man gar nicht radikal genug sein!

Bitter ist das neue Süß

Über Geschmäcker lässt sich streiten, wobei schon die Antike wusste, dass es unter den Geschmäckern solche und solche gibt. Es gibt welche, die sind eigentlich Gerüche, weil an ihrer Wahrnehmung die Nase beteiligt ist. Das sind die Aromen. Wer nix riecht, schmeckt auch solche Aromen nicht. Im Mund, auf der Zunge, da hausen die eigentlichen Geschmäcker wahr:

Neuerdings hat man da sogar einen neuen entdeckt: Umami. Das japanische Wort bedeutet wohlschmeckend. Umami sind, Schwammerl genauso wie Tomaten, Kartoffeln oder Fleisch. Schon in der Antike bekannt waren die Grundgeschmäcker süß, sauer, salzig, bitter. Süß und Salzig waren früher extrem rare und teure Güter, gleichwohl aber lebensnotwendig. Das erklärt, warum wir bis zur Selbstzerstörung scharf drauf sind. Sauer und bitter dagegen war überall zu haben und deswegen nicht allzu hochgeschätzt. In Zeiten aber, in denen süß und salzig billigste Massengeschmäcker geworden sind, erlebt die Vielfalt von bitteren und die sauren Geschmacksnoten unter Feinschmeckern auf einmal hohe Wertschätzung. Fangen wir mit bitter an. Von dem heißts ja neuerdings, es sei das neue süß… Wir sind leider nicht mehr gewöhnt, bitter zu essen. Nachdem niemand mehr als Kind essen musste, was ihm nicht auf Anhieb geschmeckt hat, toleriert der normale Mitteleuropäer heute Bitteres fast bloß noch im Bier und im Kaffee. Also: Nehmen Sie ihren Mut zusammen und ermuntern Sie ihre Kinder, einmal auf den zweiten Geschmack zu kommen. Es lohnt sich!

Besuch in einer Essigmanufaktur in Niederbayern

Und jetzt komma zum Sauren. Lateinisch acidus heißt sauer. Die römischen Legionäre haben als Getränk für untertags Wasser mit sauer vergorenem Wein gemischt, den sie Säure, atecum genannt haben. Daraus ist dann unser Wort akeit, eket, Essig geworden. Essig gehört zu den ältesten Lebensmitteln der Menschheit. Babylonier oder Ägypter stellten ihn aus sauer gewordenem Bier her. Römer und Griedchen aus Wein. In Bayern spielt er bis heute in der Küche eine große Rolle. Ohne den Essig gibts kaum einen Salat, schon gar keinen Edäpfel- oder Wurstsalat. Die Italiener haben es in der Moderne geschafft, ihren Aceto Balsamico di Modena geradezu zum Kult zu machen. Dabei gibt‘s einen solchen Essig auch in der bayerischen Variante.

Rezeptideen für feine Salate mit gutem Essig Format: PDF Größe: 267,87 KB

Die Vielfalt des Kümmels in der Oberpfalz

Haben Sie gewusst, dass Kümmel im Brot typisch bayerisch ist? Praktisch in ganz Bayern werden die Samen des echten Kümmels intensiv genutzt als Brotgewürz, in Baden-Württemberg viel weniger und in den anderen deutschen Bundesländern überhaupt nicht. Kümmel ist eines der ältesten Gewürze der Menschheit und entsprechend ist das Wort dafür uralt und in fast allen Sprachen heimisch. Assyrisch kammunu, arabisch kammun, hebräisch kammon, und aus lateinisch cuminum, spätlateinisch cumilum wird unser deutsches Kümmel. Kümmel ist vielseitig verwendbar. Seine Blätter werden zum Beispiel für Salate verwendet, seine Wurzeln als Gemüse, am bekanntesten aber sind seine Samen. Und das nicht nur wegen seines charakteristischen Geschmacks.

Seit ältesten Zeiten wird Kümmel geschätzt als verdauungsfördernd und krampflösend und deswegen meist schwer verdaulichen Speisen zugesetzt. Archäologen haben ihn schon in den bis zu 7500 Jahre alten jungsteinzeitlichen Pfahlbauten bei uns im Alpenraum gefunden. Und bis heute hat er nichts an seiner Beliebtheit eingebüßt. Übrigens: Kümmel war Arzneipflanze des Jahres 2016.

Kräutervielfalt aus Unterfranken

Quod nullis amor est medicabilis herbis – Dass die Liebe durch kein Kraut zu heilen ist, das hat schon Ovids gewusst. Aber sonst ist praktisch gegen jedes Zipperlein ein Kraut gewachsen. Das war den Menschen schon immer klar. Vieles von dem alten Wissen ist verlorengegangen, als sich vor rund 500 Jahren die wissenschaftliche Medizin gegen Volksmedizin und Quacksalberei abzugrenzen begann und sich aus den Klauen vermeintlichen Aberglaubens befreite wollte. Häufig hat man da das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. So sind Kräuter und Gewürze manchmal bloß noch als Küchenzutat geschätzt worden. Doch in den Kriegszeiten des 20. Jahrhunderts ists auch damit bergab gegangen und es herrschte fades Einerlei, in der Nachkriegszeit lediglich aufgepeppt durch Pfeffer, Salz und den Griff zur Maggiflasche. Mittlerweile sind sie zwar alle wieder da, die Küchenkräuter, die gängigen zumindest. Grad aber die Spezialisten unter ihnen könnten ruhig noch bekannter werden. Der Verein Kräuter-Vielfalt Franken möchte über solche Wildpflanzen und Heilkräuter informieren, damit das alte Kräuterwissen eben nicht in Vergessenheit gerät. Beim Verein KräuterVielfalt Franken gibt’s selbstverständlich Kräuterführungen, eine Anbieterliste und viel Wissenswertes.

Bier. Ein komplexes Gewürz

Würze – so nennt man man beim Brauen das Ausgangsprodukt aus gekochtem Malz, Hopfen und Wasser, das schließlich durch Gärung zum Bier wird. Vergleichbar ist sie dem Most beim Wein. Und die Bierwürze heißt nicht umsonst so. Beim Bierkochen der berühmte Umami-Geschmack. Im fertigen Bier wird er mit Vollmundigkeit umschrieben. Doch Umami entsteht beim industriellen Bierbrauen kaum. Und vor allem wird Industriebier hernach auch noch stark filtriert, wegen der Haltbarkeit. Und hier kommt wieder das handwerkliche Brauen ins Spiel.

Malz-Bayrisch Creme mit Choco Porter-Sabayon | Bild: BR / Anja Bischof zum Audio mit Informationen Rezept Bayrisch Creme mit Bier

Eine Bayrisch Creme mit Bier ist ein genussvolles Dessert. Genauer gesagt, eine Malz-Bayrisch Creme mit Choco Porter-Sabayon, wie wir sie hier vorstellen. [mehr]

Da wird viel länger gekocht und so entstehen diese Geschmacksstoffe nicht nur in größerer Anzahl, hernach wird auch, wenn überhaupt, nicht so stark filtriert. Das ist das Geheimnis der Vollmundigkeit traditionell hergestellten Biers, wie es in Oberfranken, der Bierregion Bayerns noch überall zu finden ist. Und so ein Bier, das eignet sich dann auch als Zutat, als Würzmittel für allerlei Speisen.

Safran –Ein Exot in Mittelfranken

Safran macht den Kuchen gel – das weiß man aus dem Kinderlied. Doch allein wegen seiner gelben Farbe hat man dieses teuerste Gewürz der Welt zu keiner Zeit benutzt. Die Griechen erzählten sich von ihrem Himmelvater Zeus, dass er auf einem mit Safranfäden gepolsterten Bett geschlafen habe. Vielleicht geht das berühmte Gelächter der griechischen Götter auf den Safran zurück.

In Antike und Mittelalter nannte man Safran auch den Lachenden Tod. Denn er wirkt in großen Mengen als Rauschdroge, ist dabei aber gleichzeitig so sicher tödlich, dass man nur als von Haus aus unsterblicher Gott mehr als ein paar Fäden genießen sollte. Die Dosis macht wie immer das Gift. Als Gewürz verwendet ist er nicht nur gesund, sondern auch köstlich. Aber auch, wie gesagt, sehr teuer. Bloß 200 Tonnen weltweit werden pro Jahr produziert – das weitaus meiste davon im Iran. Aber auch kleine, aber qualitativ hochwertige Mengen in Franken.

Augsburger Gewürzgeschichte – Die Pfeffersäcke

Nicht nur der Safran – gute Gewürze sind allesamt teuer. Wenn auch in Zeiten modernen, weitgehend maschinisierten Welthandels bei weitem nicht mehr so teuer wie beispielsweise noch im Mittelalter, wo Gewürze von arabischen Händlern aus dem Fernen Orient mit Sindbads Schiffen, sogenannten Dhaus, über den Indischen Ozean transportiert und anschließend mit Karawanen durch die arabische Wüste nach Palästina transportiert wurden. Erst da übernahmen europäische Händler, Venezianer vor allem, die kostbare Fracht. Und alle ließen sich nicht zu knapp bezahlen. Bis der Portugiese Vasco da Gama Araber und Venezianer gleichermaßen ausschaltete, als er 1498 um Afrika herumsegelte und damit den Seeweg nach Indien entdeckt hat. Bald erschlossen sich regelrechte portugiesische Indien-Armadas die Gewürzroute – schon ab 1505 finanziert durch die berühmten Augsburger Handelsfirmen der Fugger und Welser. Im Augsburger Fugger- und Welser-Museum können Sie den Weg der Gewürze anschaulich nachvollziehen. Zum Beispiel bei einer der Erlebnisführungen im Museum.

Ab kommendem Freitag gibt’s da eine neue – zu den Frauen der Fugger, die sich mit den von ihren Männern und Vätern importierten Gewürzen ja bestens auskannten. Als Augsburger Pfeffersack konnte man sich leicht großspurig geben. Als Anton Fugger im Jahr 1530 die Schuldscheine des Habsburger Kaisers Karls V. vor dessen Augen verbrannte, soll er das auf einem Feuerl aus überaus kostbaren Zimtstangen gemacht haben. Gut – Stil ist nicht jedermanns Sache. Geschmack dagegen schon.

Dill in ägyptischen Gräbern

Nicht nur die Brotgewürze Kümmel und Koriander sind bereits Jahrtausende vor Christi Geburt nachweisbar. Auch der Dill zum Beispiel, den man in ägyptischen Gräbern gefunden hat, der Kerbel, die Kapern oder die Muskatnuss. Übrigens: Der Samenmantel der Muskatnuss, oft als Muskatblüte oder auch Macis bezeichnet, schmeckt ähnlich wie die Nuss, aber milder.

In der privaten Küche wird das Gewürz, das im 11. Jahrhundert erstmals nach Europa gekommen ist, kaum verwendet, in bayerischen, fränkischen, schwäbischen Metzgereien aber ist es Alltag: Ohne Macis weder ein gscheiter Leberkas, noch Weißwürscht. Hättens net denkt, oder?


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