Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen "Weiß" genießen im Januar

Unter allen Farben, die der Januar haben kann, ist weiß – nun ja, sagen wir so, die wahrscheinlichste. Nicht nur wegen des Schnees, der ja eigentlich für diese Jahreszeit nichts Ungewöhnliches sein sollte, sondern vor allem darum, weil am Jahresanfang das ganze Jahr noch vollkommen unberührt daliegt.

Von: Gerald Huber

Stand: 04.01.2015 | Archiv

Wir schauen in die Zukunft und – wissen nichts. Tatsächlich: „Weiß“ hängt mit lateinisch „video“, ich schaue, sehe, und mit „wissen“ zusammen. Wem das „In-die-Zukunft-Schauen“ aber zu unsicher ist, dem haben wir eine Reihe von weißen Ge-wiss-heiten zusammengestellt.

Die Themen im Einzelnen:

Weißer Fluss: Die Weißach am Tegernsee
Weißes Bier: Weizenbier aus Kelheim
Weißes Weiß: Malerfarben aus Franken
Weiße Schau: Weiß-Ausstellung in Würzburg
Weißer Duft: Weißlacker aus dem Allgäu
Weißer Traum: Brautkleider aus Überzeugung

Oberbayern:Die Weißach am Tegernsee

Was wäre Bayern ohne sein Wasser? Oberbayern zumal! Fließendes Wasser kennt man hier schon von Natur aus im Übermaß: Wasserfälle, Klammen, gischtende Bergbäche – wunderbare Schauspiele der Schwerkraft und des reichlichen Segens von Regen und Schnee. Im Gegensatz zu den trägen Strömen und Seen des Flachlands nennt man das rasche Bergwasser „lebhaft“ – und trifft genau ins Schwarze: Die ewige Bewegung des Wassers ist vielleicht einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Leben auf unserem Planeten existiert. Wir sind Kinder des bewegten Wassers und wir brauchen es zum täglichen Überleben. Vorausgesetzt es ist sauber. Genau deswegen faszinieren uns die kleinen Bäche: Ihr Weg von der Quelle ist in aller Regel nicht weit. Die Weißach, beispielsweise, einer der Zuflüsse des Tegernsees, wird insgesamt nur 20 Kilometer lang und transportiert dennoch soviel Wasser wie im Flachland ein kleiner Fluss.

Wenn Sie Lust bekommen haben auf eine beruhigende Winterwanderung entlang der Weißach

Niederbayern und Oberpfalz:Weizenbier aus Kelheim

Die Gerste war die erste Getreideart, die der Mensch domestiziert hat. Vor über 12.000 Jahren. Dabei ist es ihm zunächst gar nicht ums Brot gegangen, sondern um ein alkoholhaltiges Getränk, das er für seinen Dienst an den Göttern gebraucht hat: Das Bier. Erst später, so vor knapp 10.000 Jahren, ist als zweites Getreide der Weizen dazugekommen. Der ergibt weißes Mehl, daher der Name: Der Weiße, Weize. Der Weizen war immer schon das vorherrschende Brotgetreide. Der Roggen kommt erst relativ spät auf und wird vor allem dort angebaut, wo entweder der Boden oder das Klima für den Weizen zu schlecht ist. Weizen ist nämlich viel einfacher zu Brot zu verarbeiten als Roggen. Das ist auch der Grund, warum man im Mittelalter eine gewisse Scheu entwickelt hat, aus Weizen Bier zu brauen. Das Reinheitsgebot von 1516 schreibt vor, dass zum Bierbrauen nur Gerstenmalz und Wasser verwendet werden darf. Weizen sollte der Brotherstellung vorbehalten sein. Nur einige hohe Herren konnten sich die Weißbierherstellung erlauben, allen voran der bayerische Herzog.

Dessen Hofbräuhaus war einmal das Zentrum der bayerischen Weißbierherstellung. Über einige Umwege ist das herzogliche Regal der Weißbierherstellung an den Münchner Bierbrauer Georg Schneider gekommen, der seit dem 2. Weltkrieg ausschließlich im niederbayerischen Kelheim braut. Dort befindet sich gewissermaßen das bayerische Zentrum des weißen Biers.

Ober- und MittelfrankenWeißes Weiß: Malerfarben aus Franken

Spätestens im Physikunterricht haben wir gelernt: Weiß ist eigentlich keine Farbe – genausowenig wie schwarz. Schwarz ist alles, was kein Licht reflektiert, weiß dagegen, was alles Licht reflektiert. Weißes Licht entsteht schließlich durch die Mischung aller Regenbogenfarben. Und, wie schon erwähnt: Weiß und das lateinische video, ich sehe, haben die gleiche Wurzel. Ich kann nur sehen bei Licht – und am besten bei weißem Licht, bei Licht jeden Spektrums. Schwierig wird es bei monospektralem Licht, dann also wenn das Licht nur eine Farbe hat – blaues Licht etwa, oder Rotlicht. Nur durch weißes Licht wird die Welt bunt. Und auch wenn schwarz und weiß, streng physikalisch, zu den „unbunten“ Farben zählen – in der Praxis gibt’s natürlich die physikalischen Idealfälle selten, weswegen man hier, wie bei anderen Farben auch, sehr wohl von unterschiedlichen Weißtönen sprechen kann. Ja, in der Kunst sind die verschiedenen Weißtöne gar die wichtigsten Farben.

Eine Bildergalerie aus der ältesten Fabrik für Künstlerfarben in Deutschland von Christian Schiele.

Mainfranken:Weiß-Ausstellung in Würzburg

Pures Weiß ist wie reine Stille. Eine Stille, vor deren Hintergrund Töne erst anfangen zu existieren. Für den Maler ist die weiße Leinwand dasselbe, was für den Schriftsteller ein weißes Blatt Papier ist: Eine Chance für kleine oder ganz großartige Kunst oder die Möglichkeit vielfältigsten Scheiterns bis hin zum kompletten Versagen.

Emy Roeder: Bildnis Erich Heckel (1951/52) | Bild: Christian Michel zum Artikel Kulturpartner Bayern 2 Kulturspeicher Würzburg

In einem ehemaligen Getreidespeicher am Würzburger alten Hafen präsentiert sich eine ganz besondere Sammlung konkreter Kunst. Seit der Eröffnung 2001 hat sich das Museum im Kulturspeicher zu einer Heimstatt der Kultur entwickelt. [mehr]

Weiß ist Chance und oft auch zugleich quälende Herausforderung. Doch was, wenn die Leinwand weiß bleibt und gerade darin die Kunst besteht? An 115 Werken ist das noch bis 22. Februar im Kulturspeicher Würzburg zu sehen. „Weiß – Aspekte einer Farbe in Moderne und Gegenwart“ so der etwas spröde Titel dieser ungewöhnlichen Ausstellung.

Übrigens: Wer am Dienstag ganz in weiß gekleidet in den Kulturspeicher Würzburg kommt, hat freien Eintritt. Und sollte jemand bei so viel Weiß Lust auf eine Tasse schwarzen Kaffee bekommen, dann sollte er nach dem Ausstellungsbesuch bei der MS-Zufriedenheit einkehren. So heißt das Museumsbistro im Kulturspeicher am Alten Hafen in Würzburg – ein Inklusionsprojekt: Menschen mit Behinderung sind dort als Servicekräfte eingesetzt – Zufriedenheit garantiert.

Schwaben:Weißlacker aus dem Allgäu

Auch ein Käse aus dem Allgäu

Er gilt als bayerische Geheimwaffe. Wäre er nicht erst im Jahr 1874 erfunden worden, sondern bereits 1866, anlässlich der letzten Gelegenheit, zu der Bayern noch auf Preußen schießen durften, dann hätte, so sagt man, wohl schon allein sein Geruch die feindlichen Preußen zurückgedrängt, Bayern den Krieg gewonnen und die deutsche Geschichte wäre anders verlaufen.

Die Rede ist vom Weißlacker, einem Käse, der – als weltweit erster – im Jahr 1876 vom bayerischen König patentiert wurde. Tatsache ist: Der Weißlacker ist ein bayerisches Original. Einen wie ihn gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Der Name „Weißlacker“ übrigens kommt von der weißen, lackartigen Schmiere, die bei der Herstellung und anschließenden Reife auf seiner Oberfläche entsteht. Weißlacker polarisiert – während einige ihn als Stinker heftig ablehnen, sind viele seinem Duft und noch mehr seinem Aroma verfallen.

In Wertach gibt’s regelmäßig spezielle Weißlacker-Käseseminare.

Weißabgleich ist ein Grundbegriff für jeden Kameramann. Das Licht ist schließlich überall und zu jeder Tageszeit ein bisserl anders. Und die Kamera muss wissen, was sie als weiß definieren soll, um danach allen anderen Farben die richtigen Farbwerte und Abtönungen zu geben. Man kann das Verfahren aber auch zu einer künstlichen Farbmischung einsetzen, je nachdem, welche Stimmung man damit erzeugen will. Kein Hollywoodfilm ohne diese Farbmischung. Nehmen Sie zum Beispiel einen Hollywood-Hochzeitsfilm mit einer jener bei jeder Gelegenheit „Oh mein Gott!“ kreischenden durchgedrehten Jungfrauen. Ohne Farbmischung und richtigen Weißabgleich wär das Schweinchenrosa nicht so schweinchenrosa, wär das Himmelblau nicht so azur, na gut, Hochzeitsglocken sind eine Frage des Soundkonzepts, aber natürlich wär das Weiß niemals so strahlend. und das ist schließlich die Farbe der Braut – obwohl das lange Zeit eigentlich nicht so war…

München:Brautkleider aus Überzeugung

Übrigens: Auf ein Brautkleid, wenns was Ausgefallenes sein soll, muss man bis zu einem Jahr warten.

Farbiger Strauß vor weißem Brautkleid

Und es sollen gar nicht wenig sein, die in der Zeit aus dem Kleid in irgendeiner Weise drauswachsen – zum Beispiel indem sie schwanger werden. Also aufgepasst! Weiß ist eine Farbe mit vielfältiger Symbolik. Im Vordergrund steht die Bedeutung von Unschuld und Jungfräulichkeit. Dazu kommt die Reinheit. Seitdem Sauberkeit zu den obersten Prinzipien der ärztlichen Kunst gehört, haben die Doktoren dieser Welt ihren angestammten schwarzen Talar abgelegt und sind zu den sprichwörtlichen Halbgöttern in Weiß geworden.

Dabei haben sie davon profitiert, dass Weiß schon immer eine göttliche, zumindest eine heilige Farbe ist. Nicht umsonst trägt seine Heiligkeit, der Papst als einziger Würdenträger der katholischen Kirche fast ausschließlich Weiß.

Papst Franziskus umarmt den emeritierten Papst Benedikt 2013

Entsprechend ist weiß auch die Farbe der Unendlichkeit und der Unsterblichkeit und des Friedens: Wer die weiße Flagge hisst, der gibt auf. Weiß aber ist auch die Farbe der Freiheit, der Leere und der Stille – die richtige Farbe jedenfalls nach dem Feiertagstrubel.
Gerald Huber und das Team von Bayern genießen wünschen Ihnen einen angenehm ruhigen ersten Januarsonntag!


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