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Laut und Leise „Sprechen auf der Bühne“ am Nürnberger Theater

Im Eifer des Gefechts den Bühnenpartner in Grund und Boden schreien, um dann kurze Zeit später mit brüchiger Stimme, geradezu flüsternd den Heldentod zu sterben. Und alles bitte so, dass der Zuschauer in Reihe 50 ganz hinten jedes Wort versteht. Von der Sprechkunst zum Hörgenuss - Laut oder Leise, das ist hier die Frage! Im Nürnberger Theater wird sie beantwortet.

Von: Tobias Föhrenbach

Stand: 03.10.2015 | Archiv

"Was berührt den Menschen, welche Intention hat er jetzt, was ist sein Gefühl, warum schreit er jetzt, ist er jetzt aufgeregt, hat er Angst?"

Rainer Matschudk

Einsprechübungen für Vokale zum Hören

Das alles sind Fragen die Schauspieler Rainer Matschuck Klarheit bringen sollen, wenn er sich auf eine Rolle vorbereitet. Er ist Ensemblemitglied im Staatstheater Nürnberg und gerade in den Proben zu Shakespeares König Lear - dort spielt er den Grafen von Gloster. Rainer Matschuck weiß um die sprecherischen Herausforderungen, die es als Schauspieler zu bewältigen gilt. Riesige Bühnen, große Theatersäle und emotionale Wechselstimmungen der Protagonisten im Stück. Da hat sich in den 40 Jahren, in denen er schon als Schauspieler tätig ist, viel geändert.

"Laustärke ist ja heute etwas ganz anderes, als man das vielleicht noch vor 20 Jahren  so sah. Da hat man differenziert, heute wird ja manchmal einfach hemmungslos drauflos geschrien, bis es einem, bis mir die Ohren weh tun. Das soll dann eigentlich bedeuten, wie unheimlich intensiv, oder wie aufgewühlt, oder wie verrückt man ist. Aber das tut dann eigentlich nur noch weh und verstehen tue ich den Text fast nicht mehr. Ich hab es noch anders gelernt, indem man nie über einen gewissen Lautstärke-Grad gehen soll, weil es sonst schmerzt. man muss immer so laut sein, dass man es noch lauter sprechen könnte. Also das immer noch eine Reserve nach oben ist."

Rainer Matschuck

Rainer Matschuck gesteht ein, dass sich der Schauspieler trotzdem immer auch in einem Dilemma befindet, denn es gäbe ja bestimmte innige Szene, die eigentlich ganz leise, kaum hörbar zu sprechen seien, aufgrund der räumlichen Situation aber dennoch mit größerer stimmlicher Intensität artikuliert werden müssten.

"Ja, das ist sogar ein Grund, warum ich mal von der Bühne Mannheim, wo ich war, dann gewechselt bin an ein kleines Theater in Zürich, weil das dort eine kleine Bühne, ein kleiner Zuschauerraum ist. Aber dort ganz moderne Stücke gespielt wurden und ein ganz gutes Ensemble da war und da konnte man dann eben so leise, oder so wie ich jetzt, sprechen und trotzdem haben die Leute das im Saal verstanden."

Rainer Matschuk

Doch diese Wahl-Möglichkeiten hat man als Schauspieler nicht immer, so bleibt es auch eine sprechtechnische Kunst, drei Stunden auf der Bühne durchzuhalten, ohne die Stimme zu überlasten und trotzdem so zu sprechen, dass es für den Zuschauer ein Hörgenussbleibt.

Herausforderung Oper

Für den besonderen Hörgenuss sorgt in einer Opernproduktion, neben den Sängerinnen und Sängern, eine Person, die so sprechen muss, dass es auf der Bühne deutlich hörbar ist, aber nicht im Publikum.

Brigitte-Christine Tretter ist Opern-Souffleuse am Staatstheater in Nürnberg. Während den Proben und den Aufführungen sitzt sie in einem unscheinbaren Kasten zwischen Orchestergraben und Bühne und souffliert die Textstellen, die dem jeweiligen Sänger gerade nicht mehr einfallen.

"Ein Rezitativ – das ist ja nur der Sänger mit einer Continuo Begleitung - das ist ja sehr schlank, sehr leise, auch oft mit großen Pausen. Da muss man natürlich wirklich flüstern. Stark artikuliert flüstern. Hingegen wenn man ein Wagner-Orchester hinter sich hat und nicht gerade eine Generalpause ist – Generalpausen sind mein Feind (lacht) – dann muss man wirklich schreien. Gestützt laut schreien. Und die Konstruktion des Kastens, der sich ja zur Bühne hin öffnet und einen gegenüber dem Zuschauerraum abschirmt, das ist ein gute Unterstützung, dass möglichst wenig nach Draußen dringt."

Brigitte Tretter

 Bei einigen Stellen im „Siegfried“  muss Tretters Stimme gegen einen riesigen Orchesterapparat ankämpfen und es gibt noch mehr Widrigkeiten.

Gefährlich sind für Brigitte Tretter etwa Bühnenbilder, die reflektieren, sagt sie. Dass könne dazu führen, dass auch ihr leisestes Flüstern im Zuschauerraum landet, und das wäre natürlich ungünstig. Ihre langjährige Erfahrung hat sie gelehrt „So laut wie nötig, so leise wie möglich“ zu sprechen.

"Natürlich habe ich eine gewisse Erfahrung, aber es kann immer mal passieren, dass man sagt, oh das hört man wirklich so stark. Es kann aber auch passieren, dass ich den ganzen Abend ohne Punkt und Komma rede und es merkt Keiner. Das ist natürlich der Traum: Zu Unterstützen und es absolut für das Publikum unbemerkt zu tun. Das ist gelungen."

Brigitte Tretter

Doch es gilt, egal, ob übermäßig laut, oder besonders leise: Verständlichkeit und Tragfähigkeit in der Sprechweise kommen vor allem durch eine deutliche Artikulation zustande. Und für diese braucht man eine saubere Phonetik, einen kräftigen und tiefen Atem und eine dem Raum und der Situation angemessene Sprechspannung.

Das stimmliche Aufwärmen darf nicht vernachlässigt werden und auch die Artikulationsorgane, wie Zunge, Lippen und Unterkiefer sollten durch Einsprechübungen gelockert und vorbereitet werden. Dann steht einem erfolgreichen und verständlichen Bühnenauftritt fast nichts mehr im Wege.

Rainer Matschuk rezitiert den König Lear

 „Und durch zukunftsdunklen Mund
Wurde Brutus‘ Schuld nun kund:
‚Gut und Blut trugst du zum Bunde -
Dulden musst du nun zur Stund‘.
Und der Fluch schuf Blut und Wunde!“


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