Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Rauch genießen im November

Wo Rauch ist, ist auch Feuer, heißt es. Wobei umgekehrt, wo Feuer ist, nicht unbedingt viel Rauch sein muss. Insofern ist unser heutiges Bayern-genießen Motto „Rauch“ natürlich bestens geeignet für den Totenmonat November. Auch wenns in unserer Sendung durchaus nicht todtraurig zugeht.

Von: Gerald Huber

Stand: 05.11.2017 | Archiv

Feuer und Rauch – sind, abseits aller chemischen Erklärungen, jedenfalls Phänomene: Jahrelang können der Sauerstoff der Luft und ein Holzscheit friedlich nebeneinander her existieren. Dann kommt auf einmal ein bestimmtes Maß an Hitze dazu und Luft und Holz haben was miteinander zu tun: Das Holz beginnt Elektronen an die Luft abzugeben und es steigt Rauch auf, ein Gemisch aus festen, flüssigen und gasförmigen Kleinstteilchen: Ruß, Flugasche, mikroskopisch kleiner unverbrannter Holzstaub, Wasser, Öl- und Säuredämpfe. Man könnte auch so sagen: Wenn das Holz den Feuertod stirbt, bleibt seine Asche gewissermaßen als Leichnam zurück. Im Rauch aber steigt mit all dem, was unzerstörbar ist, gleichsam die Seele des Holzes auf in den Himmel.

In der Rauchkuchl

Feuer und damit Rauch begleiten die Menschen seit dem Beginn ihrer Geschichte. Bis im 19. Jahrhundert der Münchner Erfinder Graf Rumford den berühmten Sparherd mit geschlossener Feuerstelle entwickelt hat, musste mit offenem Feuer unter einem sogenannten Rauchfang gekocht werden. Küchen waren finstere Räume, deren Wände vom beißenden Rauch mit Ruß geschwärzt waren. Die „gute alte Zeit“ war vor allem für die Frauen eine harte Zeit. Sie mussten in diesem finsteren Raum kochen und die Großfamilie samt Gesinde versorgen.

Ein Kachelofen im Freilichtmuseum Glentleiten

Nach der Erfindung des geschlossenen Herds sind die Rauchkuchl völlig verschwunden und niemand hat ihr nachgeweint. Damit verschwundenen aber sind auch uralte Kulturtechniken, allen voran die Kunst, ein Feuer zu machen, das möglichst viel Hitze mit möglichst wenig Rauch abgibt. Heute kann man das allenfalls noch im Museum erleben. Zum Beispiel im Freilichtmuseum Glentleiten bei Großweil im Landkreis Garmisch Partenkirchen.

An diesem Wochenende finden auf der Glentleiten übrigens die Kachelofentage statt. Da erfährt man alles über Kochen, Heizen und Rauch in früheren Zeiten.

Geselchtes aus Nieberbayern – Geschichten vom Rauchfleisch

Das Einsalzen und anschließende Räuchern ist eine der ältesten Methoden der Menschheit, um Lebensmittel haltbar zu machen. Schließlich hat es früher keine anderen Konservierungsmethoden und Konservierungsmittel gegeben. In trockeneren Gegenden kann man Fleisch lufttrocknen, also gewissermaßen mumifizieren. Im feuchten Klima Mitteleuropas dagegen, muss man das Wasser aus dem Fleischstück mit Hilfe des Salzes und anschließendem Räuchern entfernen. Damit das kostbare Fleisch nicht schon während der Verarbeitung verdirbt, hat man außerdem nur während der kalten Jahreszeit geschlachtet. Die Bauernregel zum Crispinstag, den 25. Oktober lautet: Crispin macht die Fliegen hin. Damit war das Fleisch auch nicht mehr der Gefahr durch Fliegenlarven ausgesetzt, und das große Schlachten konnte anfangen. Auf jedem Hof in ganz Niederbayern ist früher geschlachtet und geselcht worden. Mit dem Verschwinden der alten Häuser, sind auch die „Selchen“, also die Räucheröfen vielerorts verschwunden. Vor allem im Rottal gibt es aber noch einige Metzger, die Geräuchertes nach alter Tradition herstellen.

Bamberger Rauchbier

Übrigens spricht man in Bayern nicht von Salzlake oder vom Pökeln, sondern von der Sur und dem Einsuren. Da steckt selbstverständlich das Wort sauer drin. Und Geselchtes und Geräuchertes ist ursprünglich keinesfalls das gleiche. Das bairische Wort selchenkommt aus dem spätlateinischen salgamareund das heißt in Salz einlegen. In Italien kann man heute noch zum Beispiel in Salz eingelegte Kapern und andere Früchte, Wurzeln und Kräuter kaufen. Fleisch muss man nach dem Einsalzen räuchern. So ist es schließlich dazu gekommen, dass Geselchtes und Geräuchertes heute gleichbedeutend sind.

Während man in südlicheren Gegenden zum Trocknen von Nahrungsmitteln die Kraft der Sonne nutzen kann, muss man, wie gesagt, bei uns mit der Wärme des Feuers nachhelfen. In früheren Zeiten, in denen man dafür noch keine so ausgefeilten Techniken hatte wie heute, haben deswegen viele Speisen nach Rauch geschmeckt. Das Bier sowieso, weil sowohl der Hopfen als auch das Malz über offenem Feuer getrocknet oder, wie man bei uns sagt, gedarrt wurde. Freilich hat man damals versucht, den unvermeidlichen Rauchgeschmack möglichst gering zu halten und als es dann möglich, Bier ganz ohne Rauchgeschmack zu machen, hat man das praktisch überall umgesetzt. Nur in Bamberg hat es das althergebrachte Rauchbier dazu gebracht, eine regelrechte Spezialität zu werden…

Bezugsadressen und das Rezept für die oberfränkischen Bohnakern mit Rauchfleisch finden Sie hier

Räuchern für Körper und Seele im Allgäu

Wie gesagt: Um etwas haltbar zu machen, kann man heute auf andere Techniken zurückgreifen. Eigentlich ist das Räuchern also nicht mehr notwendig. Warum wir trotzdem nicht auf den Rauchgeschmack und -duft verzichten wollen, das ist noch weitgehend unerforscht. Wir wissen aber, dass das Riechen und damit der Geschmack, der älteste Sinn des Menschen ist – direkt verbunden mit dem Gehirn. Duftsignale beeinflussen unsere Gefühle sowie viele Körperfunktionen.

Die antiseptische, desinfizierende und entzündungshemmende Wirkung des Rauchs setzen die Menschen vieler Kulturen seit Jahrtausenden ein. Als unentbehrlich überall auf der Welt gelten dabei besonders die Kranewitt- oder Wacholderbeeren. Sie werden schon seit dem Altertum für Schutz- und Reinigungsrituale geschätzt, wie sie heute wieder ganz groß im Kommen sind. Vor allem in Gebirgsgegenden wie im Allgäu haben die uralten Traditionen die Zeit überdauert.

Räucherkurse

Rauchige Wohlgerüche – Parfums aus Mainfranken

Eines der ältesten und vornehmsten aller Räucherwerke ist der Weihrauch. Seine entzündungshemmende und desinfizierende Wirkung schätzt auch die moderne Medizin. Traditionell wird in seiner Heimat, im wasserarmen Arabien, die Kleidung damit gereinigt. Dafür gibt es extra Gestelle, die über ein Weihrauchgefäß gestellt werden, das traditionell ganz so ausschaut, wie die Rauchfässer in den Kirchen. Und die Damen verwenden Weihrauchessenzen auch als Parfum. Das heutige französische Fremdwort Parfum kommt ursprünglich aus dem Lateinischen: per fumum heißt durch oder mit dem Rauch, beziehungsweise Duft. Rauch und Duft galten früher als Einheit. Unser Wort Rauch ist mit Riechen und Geruch verwandt. Rauch steigt wie der Duft in die Nase. Und wie alles, ganz besonders jedes Lebewesen, jeder Mensch einen ganz eigenen Duft hat, so gibt es auch Landschaften, die man mit einem speziellen Geruch verbindet. Die Duftlandschaft Bayerns ist einmal mehr Mainfranken. Nicht nur, weil dort die Duftblume ganz wesentlich zum Weingenuss gehört, oder im milden Klima allerhand duftende Blumen gedeihen.

Pfeifen aus Nürnberg

Ein alter Schnee: Eingeatmeter Rauch in jeder Form, aber vor allem der Tabakrauch ist nicht unbedingt esundheitsförderlich. Aber obwohl das Tabakrauchen seit Jahrhunderten vehement angefeindet wird, obwohl heute im Zeichen der Volksgesundheit regelrechte Kreuzzüge gegen das Rauchen veranstaltet werden, haben sich die eingeschworenen Raucher kaum davon beeindrucken lassen.

"Was auch immer Aristoteles und die Philosophie sagen mögen – es gibt nichts, was dem Tabak gleicht. Wer ohne Tabak lebt, ist nicht wert zu leben!"

Moliere

Das hat der französische Schauspieler, Theaterdirektor und Dramatiker Molière behauptet; und der Schriftsteller Victor Hugo glaubte zu wissen:

"Tabak verwandelt Gedanken in Träume."

Viktor Hugo

Shisha ist momentan modern

Irgendwas muss er also haben, der Tabak. Es ist bekannt, dass das im Tabakrauch enthaltene Nikotin die Aufmerksamkeit, die Lernfähigkeit und das Gedächtnis verbessert. Auch die sozialen Funktionen des Rauchens sind nicht zu unterschätzen. Wie sonst ist es zu erklären, dass etwa das Pfeifenrauchen gerade eine Renaissance erfährt?!

Rauchwaren – Das Kürschnerhandwerk in der Oberpfalz

Neben Rauch im Sinn von Duft gibt es noch eine zweite Bedeutung von Rauch,die garnichts mit Geruch zu tun hat. Sie hängt mit den Wörtern roh und rauh zusammen. Dieses rauch oder rauh wie zum Beispiel im Rauhreif bedeutet ursprünglich so viel wie bewaldet, haarig, pelzig. Der Rauhreif zaubert an die Äste der Bäume ja einen regelrechten Eispelz. Vor diesem Hintergrund ist dann auch klar, dass Rauchwerkoder Rauchwaren überhaupt nichts zu tun hat mit Räucherwerk sagt der Kürschner Leonhard Hofstetter aus Rötz in der Oberpfalz.

Eine Kürschnerin bei der Arbeit

Das ehrbare Kürschnerhandwerk ist bei uns in Mitteleuropa mittlerweile fast ausgestorben. Noch vor 30 Jahren zum Beispiel hat ein Bisamjäger, der diese Landschaftsschädlinge nach wie vor dezimieren muss, für jeden Bisambalg Geld bekommen. Heutzutage werden die Tiere mitsamt ihrem Pelz entsorgt, weil niemand mehr Pelz tragen will. Ein eher zweifelhafter Auswuchs des Tierschutzes. Trotzdem – es gibt in Bayern noch Kürschner, die ihr Handwerk verstehen.

Sie sehen: Am Rauch scheiden sich die Geister – ganz gleich, ob damit Rauchwaren zum Räuchern oder zum Wärmen gemeint sind. Abgesehen von all den in der vergangenen Bayern-genießen-Stunde beschriebenen positiven Eigenschaften, die Rauch unbestritten hat, kann Rauch tatsächlich recht unangenehm sein: er kann beißen und kratzen. Das können Pelze genauso wie der Rauch des Feuers. Vielleicht gibt es da sogar einen uralten sprachlichen Zusammenhang, der auf die indoeuropäische Wurzel reu-, reuk- zurückgeht und die alles bezeichnet, was kratzt, beißt oder reißt: Zu dem Wortfeld gehören auch das Reißen und der Raub, das Raufen, die Räude und das Räuspern. Auch das Rauschen, das englisch rush und sogar der Rausch hängen damit zusammen, womit wir wieder bei den rauschhaften Substanzen im Rauch wären. Und schon unsere Vorfahren haben gewusst: Der Rauch und der Duft, die in den Himmel steigen, gehören Gott. Was zurückbleibt, zum Beispiel der köstliche Braten der Martinigans, das ist der Anteil des Menschen. Und das ist an einem kalten Novembersonntag ja auch nicht zu verachten, oder?!


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