Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Nudeln genießen im Oktober

Nudeln können sprachlos machen – nicht bloß Evelyn Hamann im berühmten Loriotsketch. Wer zuviel von ihnen erwischt, wer im Wortsinn „genudelt“ ist, dem ist nicht mehr nach reden. Wir tuns trotzdem und verbreiten uns heut über die schier unglaubliche bayerische Nudelvielfalt, die sogar die viel berühmtere Nudelwelt Italiens in den Schatten zu stellen droht.

Von: Gerald Huber

Stand: 29.09.2017 | Archiv

Es soll ja immer noch Leute geben, die glauben dass der Venezianer Kaufmann Marco Polo die Nudeln aus China mitgebracht hat. Ein altes Märchen. Nudeln sind Teigwaren und entsprechende Lebensmittel aus Getreidemehl hat es zu allen Zeiten in allen bäuerlichen Gesellschaften gegeben; und das seit Jahrtausenden. Dabei beschränken sich die Nudelsorten mitnichten auf das, was man heute in unzähligen Formen als Pasta im Supermarkt findet.

Nudeln genießen im Oktober - Die Themen von "Bayern genießen"

Die italienische Pasta ist bloß eine, wenn auch sehr erfolgreiche, Nudelart. Das sieht man schon daran, dass es bei uns nördlich der Alpen althergebrachte Nudeln gibt, die ganz anders ausschauen: Dampf- und Rohrnudeln beispielsweise. Heute isst man sie eher zum Kaffee – gern auch mit Vanillesoße. Eigentlich aber waren sie einmal vollwertige Mahlzeiten – die sogenannten Fastenspeisen. In den altbayerischen Wirtschaften, aber auch in unseren Küchen sind Rohrnudeln selten geworden. Denn Mehlspeisen brauchen viel Zeit, Geduld und nicht wenig Geschick.

Rohr und Dampfnudeln aus Oberbayern

Marlies Heinritzi in ihrem Kramerladen - bereitet die Rohrnudeln vor.

Übung macht den Meister – das gilt ganz besonders für Mehlspeisen und Teigwaren. Und Selbermachen ist die beste Art der Kulturbewahrung. Probierenses halt selber einmal aus mit den Rohrnudeln – is gar net so schwer.

Zugegeben: Dampfnudeln, Rohrnudeln und dergleichen entsprechen nicht dem klassisch-italienischen Nudelbild, das wir uns mittlerweile gemacht haben.

Viel näher dran sind da die wesentlich festeren Drahdewixpfeiferl, Bauchstechala, Fingernudeln, Schoppala, kurz die Schupfnudeln. Die heißen so, weil sie zuerst gerollt und dann in der Pfanne geschoben, geschoppt, geschupft werden.

Schupfnudeln sind heutzutage in Kantinen, auf Weihnachtsmärkten aber auch in unseren Küchen, Gott seis geklagt, viel zu oft ein zäh-geschmackloses Convenience-Fertigprodukt. Dabei könnten sie, wie ehemals alle einfachen Alltagsgerichte, eine wahre Delikatesse sein. So wie im Gasthaus zum Bürstenbinder in Kallmünz nördlich von Regensburg. Dort versucht man mit der EOBAMA, der „Ersten Oberpfälzer Bauchstechala-Manufaktur, die Ehre dieser Nudeln zu retten.

Ehrenrettung einer Delikatesse. Die Oberpfälzer Schupfnudel

Heutzutage denkt man bei Nudeln vor allem an getrocknete Teigwaren italienischer Art, an pasta asciutta. Italienisch Pasta bedeutet Teig und asciutto heißt trocken. Pasta asciutta heißt so im Gegensatz zur pasta fresca, der frischen Pasta. Erst die Italientouristen der 60er Jahre haben daraus die völlig sinnfreie Pasta schuta gemacht, womit zumeist Spaghetti Bolognese gemeint sind. Das Trocknen des frischen Nudelteigs, das scheinen in der Tat bereits im Mittelalter die Italiener erfunden zu haben.

Hier eine Kalbshaxe mit Schupfnudeln

Kenner wissen aber: Frischgemachte Nudeln, bei denen der Eigengeschmack des Teigs viel besser herauskommt, sind das höchste. Und der beste Beweis dafür, dass Nudeln beileibe nicht nur eine italienische Angelegenheit sind, sind die vielen bayerischen Hausfrauen und –männer selbstverständlich auch, die heute noch ihren Nudelteig selbst und frisch zubereiten, um anschließend daraus so eine Spezialität zu machen wie die „Gschnittnen Brotnen Nul“ im Bayerischen Wald.

Ein bäuerliches Alltagsgericht: „Brot‘ne Lul“ aus Niederbayern

Das Traditionsrezept mit den „Geschnitten, gebratenen Nudeln“ gibt's in Niederbayern, aber auch in der Oberpfalz. Das Rezept auf unserer Internetseite stammt aus der Küche der Klostermühle Altenmarkt bei Cham. Dort im Dorfladen kann man sogar die Hauptzutat, die selbstgemachten Nudeln, kaufen. Viel wichtiger aber: Man kann in der Klostermühle und in Kochkursen erfahren, wie man solche alten Traditionsgerichte kocht.

Das Wort Nudel hat eine höchst interessante Geschichte, die aufs engste verknüpft ist mit dem Land vor den Alpen. In ihm steckt der indoeuropäische Stamm kn- , den sich vor rund 1500 Jahren die Romanen, also die lateinisch-sprechenden Vorfahren der Bayern erst mundgerecht gemacht haben.

Süß und warm: Milchnudeln aus Oberfranken

Eigentlich ist die Nudel eine Knudel, ein Knötel, ein Knödel eben. Die Wortwurzel kn- bedeutet immer etwas kleines dickes: Der Knopf, der Knabe, der Gnom, der Knauf, das Knie und eben der Knoten und der Knötel, der Knödel alles kn – klein und dick. Und alles kleine und dicke, würden die Norddeutschen sagen, wird geknuddelt. Also auch die K-nudel. Die Romanen, genauso wie heute noch die Italiener sprechen aber jedes gn- wie ein nj- aus. Aus gnochi werden njocki, Nockerl eben und aus Knudeln werden Nudeln. Bayern galt ja auch noch Jahrzehnte und Jahrhunderte nach der Römerzeit als Teil Italiens und das spürt man an Worten wie Nudel und Nockerl ganz deutlich. Im Unterschied aber zu den Italienern kann man bei uns, vor allem in Gegenden, wo die Böden nicht so gut sind und deswegen weniger Weizen wächst, Nudeln auch aus Kartoffeln machen. Oberfränkische Tatschnudeln zum Beispiel.

Wer die regionalen Spezialitäten von Kerstin Rentsch probieren möchte hat die Möglichkeit am 21. und 22. Oktober nach Teuschnitz zu den Erlebnistagen „Körper, Seele, Geist“ zu kommen. Hier kann man ihr unter anderem beim Kochen über die Schulter schauen.

Namengebende Nudeln – aus der Dinkelmühle in Dinkelsbühl

Dinkelnudeln

Nudeln kann man aus allem machen, was pappt. In Asien macht man sie bekanntlich aus Reis, Mais funktioniert auch. In Europa wird vor allem Hartweizengrieß dafür verwendet, die beste und teuerste aller Getreidesorten, deren Bedarf im Übrigen in der Europäischen Union die Produktion übersteigt. Wir müssen also Hartweizen zusätzlich einführen. Hartweizen gibt den Nudeln den berühmten Biss. Man kann aber durchaus auch andere Weizensorten dafür verwenden. Besonders beliebt ist da in der letzten Zeit – grad bei Allergikern – der Dinkel geworden.

Dinkel ist ein alter Weizenvorläufer, seine Ähren finden sich beispielsweise im rot-weißen Wappen der mittelfränkischen Stadt Dinkelsbühl. Könnte ein Hinweis drauf sein, dass die frühere, mittelalterliche Reichsstadt Dinkelsbühl etwas mit dem Urgetreide zu tun hat. Dinkelsbühl könnte also tatsächlich ein Paradies für Freunde von Dinkelnudeln sein. Aber ob das alles wirklich so stimmt?

Und wer sich nach reichlichem Nudelgenuss genudelt fühlt, dem hilft vielleicht ein Spaziergang entlang der Stadtmauer einmal um Dinkelsbühl herum.

Comedy und vieles mehr: Heike Mix – Ulknudel aus Unterfranken

Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn – ja Nudeln sind nicht immer nur zum Essen. Manchmal gibt es wie im Kinderlied weibliche Wesen, die Nudeln geheißen werden, speziell, wenn es sich um beleibtere Damen handelt. Egal aber welchen Bauchumfangs sie sind kann man Frauen als freche Nudel, kesse Nudel, überspannte Nudel oder verrückte Nudel bezeichnen. Und im Fernsehzeitalter hat man für unsinnige Unterhaltungskünstlerinnen den ziemlich norddeutsch geprägten Begriff Ulknudel eingeführt. Trude Herr, Helga Feddersen, Ingrid Steeger oder Hella von Sinnen. Auch in Würzburg gibt es so eine Ulknudel, die in ihrer Heimatstadt regelmäßig in vollen Sälen auftritt: Sie heißt Heike Mix und hat sich sich als Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin einen Namen gemacht.

Das Nudelland Bayerns: Spätzle, Knöpfle & Co. aus Schwaben

Nudelsorten gibt’s ja unzählige; angeblich für jeden einzelnen Tag im Jahr eine Sorte. Behaupten jedenfalls die Italiener. Am bekanntesten natürlich die Spaghetti, die Schnürlnudeln – italienisch spagho heißt ja Schnur. In Bayern sagt man ja zu einer langen dünnen Schnur auch Spagat. Dazu die Makkaroni. Ihr Name bedeutet ursprünglich nur soviel wie Gebäck. Auch bei uns gibt’s Makronen aber eben als Gebäck zur Weihnachtszeit. Canelloni sind Röhrlnudeln, Farfalle Schmetterlingsnudeln, Tortellini heißen bei uns Maultaschen undsoweiter undsoweiter. Aber das Thema Nudeln ist halt mittlerweile derart italienisch dominiert, dass unsereins heutzutage viel mehr italienische Nudelsorten aufzählen kann als deutsche. Nur bei einer Sorte funktioniert das ganz und gar nicht: Bei den Spätzle. Die müssten übersetzt Passerini heißen, also kleine Spatzen. Gibt’s aber einfach nicht in Italien. Da haben die Schwaben das Patent. Spätzle gibts zwischen Iller und Lech in den unterschiedlichsten Varianten, als lange Spätzle oder Knöpflespätzle, als soßenliebende Beilage zum Braten oder ganz eigenständig als Kässpätzle – und natürlich gibt’s auch eine süße Variante. Allen gemein ist, dass sie eine ganz besondere Art von Nudel sind. Denn die Spätzle werden, im Gegensatz zu den herkömmlichen Nudeln, aus flüssigem Teig hergestellt. Doch was ist eigentlich das Geheimnis der besten Spätzle im Nudelland Bayerisch-Schwaben?

Übrigens hab ich natürlich Spätzle mit passerini falsch übersetzt. Spätzle haben überhaupt nix mit Vögeln zu tun. Aus lateinisch und italienisch pasta der Teig ist im Mittelalter die deutsche Paste und die französische patisserie geworden, genauso wie vermutlich auch der bayerische Batz und der Batzen. Spätzle, Spatzen sind also ausbatzelt, gewissermaßen.

So gesehen verdanken sich also sogar die Spätzle den Römern bei uns im Land. Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Vielleicht haben Sie ihre Nudeln schon genossen, vielleicht machen Sie sich auch erst drüber her – oder sie haben sich zumindest vorgenommen, bald einmal selbst Nudeln selbst herzustellen. In jedem Fall aber wünsch ich Ihnen jetzt einen schönen Sonntag.


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