Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Sprachinsel in Franken Lachoudisch lebt in Schopfloch weiter

Die Gemeinde Schopfloch hat eine jüdische Geschichte, die heute noch lebendig ist. So gibt es in der Sprache noch gut zweihunder lachoudische Wörter, einer alten Sprache der jüdischen Händler. Die werden von Älteren noch genutzt.

Von: Peter Braun

Stand: 06.06.2015 | Archiv

"Kaff: Dorf. Schickse: Christin. Moos: Geld. Beschickert: betrunken. Schofel: niedrig, gering. Tacheles: zur Sache. Chuzpe: Frechheit, Anmaßung, Unverschämtheit. Stuss: Torheit, Unsinn. Vermiesen: verderben. Massel: Glück."

Auszug aus dem Wörterbuch von Hans-Rainer Hofmann

Die fränkische Marktgemeinde Schopfloch. Am Dorfplatz das Gasthaus „Weißes Roß“ mit seiner prächtig gemeißelten Eingangstür, in das eine Frau mit einem leeren Kochtopf geht. Auf der Schiefertafel beim Eingang steht „Schlachtschüssel“. Gemeindealltag in Schopfloch, das eine fränkische Gemeinde ist wie viele, und doch eine, die anders ist, weil sie eine jüdische Geschichte hat, die noch lebendig ist.

Hier erklärt der Bürgermeistern Schülern die Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof

"Mein Name ist Oswald Czech. Ich bin hier in der Marktgemeinde Schopfloch Bürgermeister … Schopfloch liegt eben grad für die handelnden Juden sehr günstig, so zwischen den Reichsstädten Dinkelsbühl, Feuchtwangen, an dieser Handelsroute Würzburg-Ulm, Nürnberg-Stuttgart, und … für die Juden war es fußläufig nach Dinkelsbühl, konnten sie Handel treiben. Höhepunkt war so 1820, da waren cirka 25 Prozent der einheimischen Bevölkerung hier jüdischen Glaubens, wir waren für Dinkelsbühl, Feuchtwangen eigentlich so ein religiöses, geistiges Zentrum mit Synagoge, mit Judenschule, Judenfriedhof, ein sehr großer Judenfriedhof und die Juden waren hier auch Händler, es ging auch in die Bereiche handwerkliche, industrielle Fertigung, sie waren also hier also ein Wirtschaftsfaktor, das muss man ganz einfach sehen."

Bürgermeister Oswal Czech.

Wie überall neigte sich zwar von 1933 an die jüdische Geschichte Schopflochs ihrem Ende zu, doch die ehemalige Judenschule steht noch, der Judenfriedhof, einer der größten Frankens, mit seinen verwitterten Grabsteinen vergangener Jahrhunderte gehört noch immer zum Sichtbaren, das geblieben ist. Erhalten aber hat sich vor allem Hörbares: Wörter des „Lachoudischen“, der Sprache der jüdischen Händler, die sie ihren christlichen Nachbarn beibrachten und die von älteren Dörflern noch immer gesprochen werden. Gut zweihundert lachoudische Wörter haben auf der Sprachinsel Schopfloch überlebt, und Hans-Rainer Hofmann, der Amtsvorgänger des Bürgermeisters, hat sie in einem Wörterbuch gesammelt:

Wörter wie:

Schmonzes: Unwichtiges. Loumalochen: faulenzen. Malochen: arbeiten. Kniefisel: Geizhals. Ausbaldowern: herausfinden. Schacherer: Händler. Schaeker: Lügner. Zotteln: abschütteln. Zocken: Spielen. Mores: Furcht. Meschugge: verrückt.

"Kejlef" heißt Hund auf Lahoudisch.

"Die lachoudische Sprache ist eigentlich zu achtzig Prozent Hebräisch, zu fünfzehn Prozent Jidisch und die restlichen fünf Prozent so Kauderwelsch. … Die Juden haben mit Vieh gehandelt … und haben aber, weil die Märkte am Samstag stattgefunden haben, dort ja nicht tätig sein dürfen, am Sabbat dürfen sie nichts arbeiten, dürfen auch nicht mit Geld umgehen, und da haben sie so genannte ‚Schmuser’, also Vermittler, die aber Christen waren, Schopflocher waren, auf den Markt geschickt, um dort für sie zu handeln. … und viele Wörter sind auch noch in Schopfloch vorhanden … und die kleinen Kinder schon aus den alteingesessenen Schopflocher Familien, die sagen nicht: ‚Schau, ein Hund’, oder ‚Schau, eine Katze’, sondern ‚rojn a Keileff’ oder ‚rojn a Schunress’ und kein alter Schopflocher wird zu seiner Frau sagen ‚Ich geh zum Bürgermeister’, sondern ‚Ich geh zum Schoufet’. … ‚Dem Schoufet sei Kejleff hat dem Galouchem sei Schunress kaboress gemacht.’ Heißt: ‚Dem Bürgermeister sein Hund hat dem Pfarrer seine Katze kaputt gemacht."

Hans-Rainer Hofmann

Lachoudisch war die Geheimsprache der Viehhändler, um in den Verhandlungen mit den christlichen Käufern, die eigenen Absichten zu verbergen, und noch immer erfüllt sie den Zweck frei zu sprechen, ohne von anderen verstanden werden zu können.

"1978 hab ich hier kandidiert als Bürgermeister … und da hab ich diese lachoudischen Wörter gehört, aber ich konnte damit natürlich gar nichts anfangen. Und als ich dann zum Bürgermeister gewählt wurde, hab ich … im Gasthaus zu Mittag gegessen und manchmal auch abends, und da haben die alten Schopflocher, die das Lachoudische toll beherrscht haben, gelebt und haben am Nachbartisch über mich gesprochen, ganz laut, und ich habs zwar nicht verstanden, aber das hat man im Gefühl, dass über einen gesprochen wird, und so haben die geschmust, ja der Schoufet der hockt schon wieder im Juschbers und schasstet an Schejcher und an Zoreff und achelt wie immer a … Morem mit Kawuschter und Lejchem und dann schefft er wieder ins Rathaus und macht sei Maloche. Heißt: der Bürgermeister, der hockt schon wieder im Wirtshaus, trinkt a Bier und an Schnaps danach und isst a Stadtwurst mit Kraut und dann geht er wieder ins Rathaus und macht seine Arbeit."

Hans-Rainer Hofmann

Schopfloch, Zentrum

In die Geheimsprache eingeweiht wurde der ehemalige Schoufet von einem Kazeff, einem Metzger, und fortan wars vorbei mit dem reden hinter dem Rücken, und damit das Lachoudische auch weiter gesprochen wird, stemmen sich die Schopflocher gegen das Aussterben der Sprache. Ihre Fastnachtsgesellschaft „Medine“ hat sich dem Lachoudischen verschrieben, die Judenschule soll zurückgekauft werden und als Treffpunkt wieder erstehen. Und selbst in Kleinigkeiten zeigt sich das Streben. Vor dem Sankt-Martins-Kindergarten hängt ein rot-weiß-dreieckiges Schild mit einem Kind darauf, das warnt: „Koune queren“, Kinder queren. Den Kounes vor allem gilt das Bemühen, denn sie sind die Zukunft auch des Lachoudischen, um das sich Hans-Rainer Hofmann und Schopflocher wie Jutta Breitinger kümmern, die in Schulen und Kindergärten für das Lachoudische wirbt.

"Das macht denen super Spaß, wenn man da ein paar Sätze macht und studieren das mit denen ein, und die ganzen Kinder, die haben das ganz gerne gemacht. ‚Schejkem scheffte tschinem scheffe’, ‚Freund beeil dich, die Polizei kommt!’ … Oder ich sag auch, das ist jakress, das ist teuer, oder das ist bsoll, das ist billig. Also ich verwende schon noch einige Ausdrücke."

Jutta Breitinger

"Also meine Hoffnung ist ja, dass die zweihundert Wörter, die jetzt noch vorhanden sind, bleiben. … aber ich wär schon ganz froh, wenn’s dabei bliebe und diese zweihundert oder über zweihundert Wörter weiterhin in Schopfloch gesprochen werden würden."

Hans-Rainer Hofmann

Wörter wie:

Hollerkrasch: Taufe. Stusser: Narr. Memme: Mutter. Mitzwefresser: Frömmler. Rosche: Bösewicht. Bretullje: Affäre. Sussemsaucher: Pferdehändler. Kallesch: Übel. Kutzpig: unverschämt. Miesmacher: Nörgler. Smejcheln: lachen. Schmiere: Wache. Macke: Gebrechen. Mies: hässlich. Schlamassel: Pech. Vermasseln: vereiteln. Tinnef: Ramsch. Mauscheln: geheimnisvoll reden. Mischpoche: Verwandtschaft. Betucht: angesehen, reich, wohlhabend.


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