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Lange Gänge erleben Lochgefängnisse und Lochwasserleitung in Nürnberg

Auf dem Trockenen sitzen. Das ist auf Dauer kein schöner Zustand. Eine Erkenntnis, die in Nürnberg schon seit über 600 Jahren besteht. Nie wieder andauernde Trockenheit, nie wieder Wasserknappheit. Mit diesem ambitionierten Wunsch wurden vor langer Zeit die ersten unterirdischen Wasserleitungen in der Stadt gegraben. Die sagenannten Lochwasserleitungen. Das Besondere? Sie waren lange Zeit geheim, sie wurden bewacht, wie ein Goldschatz und sie waren und sind nach wie vor begehbar. Tobias Föhrenbach hat sich mit einer kleinen Gruppe und kundigen Führer unter die Erde begeben.

Von: Tobias Föhrenbach und Anton Rauch

Stand: 02.07.2017 | Archiv

Felsengänge Nürnberg | Bild: picture-alliance/dpa

Die Nürnberger Lochwasserleitungen wurden schon vor 600 Jahren gegraben. Sie waren lange Zeit geheim, sie wurden bewacht, wie ein Goldschatz und sie waren und sind nach wie vor begehbar.

"Vorsicht bei der Treppe, die ist aus dem Jahr 1543. Am Ende der Treppe bitte nach links, bis Sie zu einer Abzweigung kommen."

Thomas Betker

Auf Wiedersehen Tageslicht. Unser Tunnelführer Thomas Betker bittet uns eine alte Steintreppe hinab und führt uns direkt in eines der bestgehütetsten Geheimnisse der Stadt Nürnberg.

"Wir sind jetzt in der Lochwasserleitung, man hört’s sie funktioniert noch. Der Zulauf platscht hier vor Ihnen aus der Wand. Da ist, wenn auch schwach, eine kleine Quelle vorhanden und die gibt hier immer diese paar Tropfen Wasser ab. Wir sind jetzt ungefähr acht Meter unter Grabenniveau. Da befinden wir uns jetzt."

Thomas Betker

Das Felsengewölbe unter Nürnbeg

Das ist sie also, die Lochwasserleitung, eine zwei Kilometerlange begehbare Wasserversorgung aus Tunneln, die sich unter der Stadt erstrecken. Es ist feucht um uns herum, die Luft kühl bei konstanten 8 Grad. Wir stapfen durch kleine Pfützen auf  einer dünnen Lehmschicht am Boden. Die Gänge sind einen Meter breit in die Sandsteinfelsen geschlagen und etwa 1,80 hoch. Ralf Arnold Vorsitzender des Fördervereins Nürnberger Felsengänge e.V. kann hier gerade so aufrecht stehen.

"Die Lochwasserleitung hat früher vom Burgberg hinabgeführt ins Loch. Das Loch – so nannte man damals das Lochgefängnis. Und weil diese Wasserleitung im Loch endetet, deswegen auch der Name: Lochwasserleitung. Durch Sandstein sickert Wasser durch, da gibt’s Tonschichten, da wird das Sickerwasser gestoppt. Und der Sandstein ist auch ein guter Filter. Aller Dreck wurde rausgefiltert, wenn das Wasser da durchgesickert ist und dieses Wasser hat man hier gesammelt, in Becken geleitet und von dort aus über Laufrohre zu öffentlichen Brunnen, oder zu reichen Leuten."

Ralf Arnold

Das Nürnberger Kasemattentor auf einer historischen Postkarte

Über eintausend private und öffentliche Brunnen gab es im Mittelalter. Die Wasserversorgung war das höchste Gut zu dieser Zeit, denn Wasser benötigte man fürs Vieh, fürs Kochen, fürs Putzen und vor allem fürs Bierbrauen. Ein Schatz, den es zu bewahren, vor allem aber zu beschützen galt. Denn nur zu leicht hätten Angreifer die Brunnen und Leitungen verseuchen oder vergiften und die Stadt somit wahrlich in eine gefährliche Notlage bringen können.  So wurden die Tunneleingänge gut bewacht und die Verläufe der Gänge und Leitungen absolut geheim gehalten. Nur wenige kannten das Tunnelnetz.

"Das war der Stadtbaumeister – heute würde man sagen, der Leiter des städtischen Hochbauamtes. Das war der Röhrenmeister, heute würde man sagen, der Leiter der städtischen Wasserwerke und es war einer des inneren Siebenerrat der Stadt. Die drei wussten Bescheid über den Verlauf… Jetzt steigen wir hier auf"

Thomas Betker

Doch die größte Gefahr für die Wasserversorgung, die ging von den Einwohnern der Stadt selbst aus, denn die Fäkalien und Abfälle wurden größtenteils auf die Straßen gekippt und sickerten ins Grundwasser und damit auch in die Lochwasserleitungen unter den Straßen und Bürgersteigen. Thomas Betker führt uns eine schmale Abzweigung entlang bis zu einer größeren Steinnische. Der Blick nach oben verblüfft, denn man sieht plötzlich Tageslicht.

"Jetzt sind wir an der Stelle mit dem Plumpsklo. Wer noch nie eins gesehen hat, das ist ein Plumpsklo von unten. Und hier wurde die Abortgrube vergrößert. Wie vergrößert man jetzt eine Abortgrube? So wie man es sich vorstellt. Da geht einer rein von oben, schippt die leer und dann fängt er an die zu vergrößern. Handarbeit. Und der hat so gut gearbeitet, dass die Sandsteinwand hier immer dünner wurde und irgendwann brach die durch die Lochwasserleitung durch. Mit der Folge, dass der ganze Zulauf hier natürlich von den Fäkalien vergiftet war. Das Problem war allerdings noch größer, denn es lief unten ja auf den Hauptgang und damit war die komplette Lochwasserleitung unbrauchbar geworden." Thomas Betker

Eine Anekdote mit Gschmäckle. Heute eine Komödie, damals eine Tragödie. Generell ist diese unterirdische Welt, die sich hier auftut, sehr gut erforscht. So finden sich neben den Lochwasserleitungen noch Wehrgänge  - die Kasematten, oder die Felsengänge und Keller, in denen das Bier ganzjährig kühl gehalten wurde und auch einige Ausbuchtungen, die als Verstecke für Kunstwerke verwendet wurden.  Aber die Lochwasserleitung hier ist besonders faszinierend, denn sie wurden lange Zeit verwendet und birgt nach wie vor das ein oder andere feuchte ungelöste Geheimnis.

"Man hat noch im zweiten Weltkrieg diese mittelalterliche Wasserversorgungsanlage reaktiviert, um hier das Wasser zu nutzen. Wie alt der Tunnel ist, weiß man nicht. Der Chef der städtischen Baubehörde in den 1460iger Jahren Endres Tucher, der hat schon damals geschrieben: Diese Tunnel sind uralt. Wir wissen nicht, wer die gegraben hat, wer wissen nicht wann die gegraben wurden. Das wissen wir heute immer noch nicht.“"

Ralf Arnold

Jeden Nachmittag gibt es Führungen

Führungen durch die Lochwasserleitung bietet der Förderverein Nürnberger Felsengänge e.V. an. Täglich 15.15U hr. Tickets gibt es im Brauereiladen der Hausbrauerei Altstadthof.

Die Reportage ganz hören.


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