Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayern genießen Lust auf Farben

"Der Herbst ist der Frühling des Winters", hat Henri de Toulouse-Lautrec einmal gesagt. Die jugendliche Buntheit des Frühlings weicht im Herbst einer goldgetönten Pracht der Fülle, die so leicht keinen kaltlässt. Im Oktober lässt sich Bayern so recht genießen, ob im Weinberg draußen oder beim Schafkopfen drinnen. Freuen Sie sich auf eine Stunde Farbenradio aus den bayerischen Regionen!

Von: Gerald Huber

Stand: 02.10.2011 | Archiv

Mainfranken

Herbstrausch: Wohl kein Herbst ist schöner als der Weinherbst in Mainfranken.

Das Wort "Herbst" und das englische Wort "harvest" sind miteineinander verwandt. Beide bedeuten ursprünglich "Ernte". Im Weinbau wird "herbsten" heute noch für "ernten" gesagt. Und nirgendwo sonst wird der Herbst seinem Ruf gerechter als in den Weinbergen Mainfrankens. Ob Würzburger Stein, die Weininsel bei Sommerach oder auch die unbekannteren Weinlagen im Handthal - im Oktober stehen die Weinberge im Farbrausch.

Schwaben

Naturfarben: Die Pigmentmühle in Aichstetten bei Memmingen

Schwarz ist eigentlich keine Farbe. Mittlerweile weiß jedes Kind, dass Farben nichts anderes sind als Sinneseindrücke, die durch Licht unterschiedlicher Wellenlänge entstehen. Wenn ein Gegenstand alle Wellenspektren des Lichts reflektiert ist er weiß, wenn er das ganze Licht schluckt und nichts reflektiert, schwarz. Soviel zur physikalischen Theorie – aber die, das wusste schon Goethe, ist grau. Schwarz keine Farbe - erzählen Sie das mal einem Künstler! Können Sie sich vorstellen, wie sich Pfirsichkernschwarz, Traubenkernschwarz und Kirschkernschwarz voneinander unterscheiden?

In der Farbmühle Kremer in Aichstetten gibt es dazu noch Rebschwarz, Beinschwarz, Basaltpulver, Graphit-Schwarzpuder, Eisenoxidschwarz und eine Reihe weiterer Schwarztöne - alle aus Naturstoffen gewonnen. Ebenso andere historische Farbstoffe wie roter Krapplack, Indigoblau und Purpur. Anspruchsvolle Künstler und vor allem Restauratoren finden in dem kleinen Allgäuer Dorf in der Nähe von Memmingen eine unglaubliche Auswahl handwerklich hergestellter Farben und einen Firmenchef mit Farbspürsinn.

Wenn Sie sich dafür interessieren, was man mit Pigmenten alles machen kann: In der Aichstettener Pigmentmühle gibt es auch Kurse und Seminare. Aber Aichstetten hat noch mehr zu bieten. In der Nähe gibt es lohnende Ausflugsziele. BR-Korrespondentin Marianne Bitsch hat sie zusammengestellt:

Sehenswürdigkeiten rund um Aichstetten

Bauernhofmuseum Illerbeuren

Das Bauernhofmuseum Illerbeuren gibt auf dem weiträumigen Freigelände einen Überblick über Bauformen und Dorfleben im bayerischen Schwaben. Auf dem Museumsgelände werden alte vom Aussterben bedrohte Haustierrassen gehalten, z.B. das Zaupelschaf, Original Allgäuer Braunvieh, Schweine Hühner und Pferde. Zahlreiche Sonderveranstaltungen, Führungen, Ausstellungen. (2. Oktober: Obsttag mit Obstschau alter heimischer Sorten). In der Museumsgaststätte Gromerhof werden in historischen Räumen fein zubereitete Allgäuer Gerichte serviert - aus regionalen Zutaten. Kann ich empfehlen.

Schloss Zeil

Auf württembergischer Seite ist Schloss Zeil nicht weit, ca 10 km. Der Hauptsitz der Herren von Waldburg-Zeil kann zwar nicht besichtigt werden, Schlossgarten und Park sind aber beliebte Ausflugsziele.

Maria Steinbach bei Lautrach

Bei Lautrach liegt die bekannte Wallfahrtskirche Maria Steinbach, eine der schönsten bayerisch-schwäbischen Rokokokirchen, mit einer prachtvollen Ausstattung des Bildhauers und Stukkateurs Johann Georg Üblher. Ich schaue immer nach den beiden volkstümlichen Kinderengeln, dem Trotzengele und dem Plärrengele (weinender Putto) zu Füssen des Gnadenbilds der Schmerzensmutter.

Renaissanceschloss Kronburg

Das Renaissanceschloss Kronburg thront malerisch auf der Anhöhe über dem gleichnamigen Dorf. Zugänglich bei Führungen (Gruppen ab 15 Personen), Ausstellungen und anderen Veranstaltungen.

Mittel- und Oberfranken

Alles im Kasten: Buntstifte aus Mittelfranken für die ganze Welt

"Farbe" - das Wort heißt ursprünglich soviel wie Gestalt, äußere Beschaffenheit und erst in zweiter Linie soviel wie "Färbung". Die Farbe ist die äußerste Hülle eines Gegenstands, das Aussehen, das ihm sein Schöpfer gegeben hat. Wer schöpferisch ist, gibt Dingen mit der Farbe ihre Gestalt. Zum Beispiel beim Zeichnen. Da verwandeln sich die Pigmente aus dem Stift in die Farbe, die Gestalt des gezeichneten Gegenstands. Albrecht Dürer kannte nur die Graustufen des Silberstifts. Die Buntstifte aus seiner Nürnberger Heimat waren zu seiner Zeit noch nicht erfunden. Erst im 17. Jahrhundert wurde Friedrich Staedtler als Bleistiftmacher in den Nürnberger Ratserlässen urkundlich erwähnt. Die Firma ist heute noch in Mittelfranken zuhause. Ebenso wie die Firmen Lyra oder Schwan-Stabilo. Die größte unter den fränkischen Blei- und Buntstiftfirmen aber ist Faber-Castell. Die Firma feiert heuer ihr 250-jähriges Bestehen.

Niederbayern und Oberpfalz

Liturgische Farben: Die Pracht historischer Messgewänder aus dem Regensburger Dom

Das Messgewand von Papst Benedikt in Berlin

Schon die ältesten Kulturen der Menschheit haben den Farben geheimnisvolle Eigenschaften zugeschrieben. Rot, die Farbe des Blutes steht für alle Herzenssachen, für Kampf, Liebe und Gefahr. Blau, die Farbe des Himmels für Beständigkeit, Treue, Ruhe und Freundschaft. Oder Grün für Hoffnung, Glück und Unsterblichkeit. Solcherlei Farbsymbolik spielt auch in der christlichen Kultur eine große Rolle. Die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen beispielsweise hat Christus als „grünenden Gott der Welten" und "edelste Grünkraft" besungen, die umschlossen wird vom "roten Morgenlicht, der Herzkraft himmlischer Geheimnisse".

Und es ist kein Zufall, dass die Farben grün und rot noch heute mit Christi Geburt identifiziert werden und noch im billigsten Kaufhaus-Weihnachtskitsch unvermeidlich sind. Wer vergangene Woche den Papstbesuch verfolgt hat, der hat gesehen, dass katholische Priester zur Zeit grün tragen. Denn bis heute nutzt auch die Kirche die uralte Symbolik der Farben in ihrer Liturgie. Im Dom zu Regensburg zum Beispiel gibt es einen kostbaren Messgewandschatz…

Oberbayern

Farbwenz und Herzsolo. Bayerische Spielkarten und ihre geheimnisvollen Farben.

Die allererste Erwähnung von Spielkarten in Mitteleuropa haben wir 1378 in Regensburg. 1379 folgt Brüssel, 1380 bereits Nürnberg. Überall wurde das Kartenspielen verboten. Woraus man schließen kann, dass zumindest die Nürnberger oder die Regensburger damals schon genauso mit Leidenschaft beim Kartenspielen waren wie heut – egal ob Manderl oder Weiberl.

Der Münchner Kartensammler Manfred Hausler hat ein Buch über die oft verkannte aber kulturgeschichtlich hochinteressante Welt der bayerischen Spielkarten geschrieben.  

Aber egal ob Tarock, Schafkopf, Watten Neunerln oder Schinderhansenziagn – der bayerischen Variante von Schwarzem Peter – Kartenspielen mit schönen alten bayerischen Kartenbildern ist ein Genuss. Das Suchtzocken verbindet man eher mit den französischen Farben…

München

Blau, die bayerischste aller Farben

Jeder hat sie schon gehört, aber kaum jemand, weiß was genau sie ist. Blues, Jazz oder Gospelmusik kommen nicht ohne sie aus – aber sie musikalisch zu definieren ist praktisch unmöglich. Die Rede ist von der Blue Note, einem Melodiesprung in die kleine Terz, die kleine Septime oder die verminderte Quinte, der nicht exakt, sondern genial daneben vollzogen wird. Blue Notes, sind Zwischentöne, die man in der herkömmlichen westlichen Musik nicht kennt, wahrscheinlich aus uralten afrikanischen Musikpraktiken kommen, die weit mehr als unsere musikalischen Systeme dazu geeignet sind, Lebensgefühle und Befindlichkeiten auszudrücken. Trotzdem kennen auch wir Bayern, die Altbayern ganz besonders, den Blues – nicht nur an Föntagen. Weißblau sind nicht umsonst unsere Farben. Und weil weiß, wie wir wissen, eigentlich keine ist, bleibt blau – die bayerischste aller Farben.

Die Themen von Bayern genießen im Oktober

Lust auf Farben – das war Bayern genießen im Oktober – mit Gerald Huber und Beiträgen aus unseren sechs Regionalstudios.
Ansgar Nöth aus unserem Studio Mainfranken hat über den Herbstrausch im Weinberg berichtet.
In die Pigmentmühle von Aichstetten bei Memmingen führte uns Marianne Bitsch aus unserer Schwabenredaktion.
Die Buntstifte waren das Thema von Christian Schiele aus dem Studio Nürnberg.
Thomas Muggenthaler aus dem Studio Regensburg nahm uns mit in den Regensburger Dom zu historischen Messgewändern und ihren liturgischen Farben.
In die geheimnisvolle Farbenwelt der bayerischen Spielkarten führte uns Michael Zametzer im Gespräch mit dem Spielkartenforscher Manfred Hausler ein.
Und über blau, die bayerischste aller Farben, philosophierte Tanja Gronde von unserer München-Redaktion.
Redaktion und Regie: Gerald Huber

Wußten Sie, dass das Wort "Herbst" stammverwandt ist mit dem englischen "harvest", "Ernte"? Beide Wörter gehen auf die uralte indoeuropäische Wurzel "ker" oder "kar" zurück, das soviel bedeutet wie greifen, schneiden, ernten. Der Stamm findet sich auch im griechischen karpos, die Frucht  und im lateinischen carpere, das ebenfalls greifen, pflücken, bedeutet. Das berühmte Carpe diem des römischen Dichters Horaz gewinnt in dieser Sicht eine ganz neue Bedeutung. Wir dürfen unseren Tag, unsere Zeit pflücken, wie eine reife Frucht, die uns geschenkt worden ist. Jeder Tag ist Erntezeit, jeder Tag ist ein Herbsttag – auch wenn nicht jeder so golden ist wie der heutige.

Einen schönen Sonntag!


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