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Aufbauprogramm für den Westen

Der Marshall-Plan Aufbauprogramm für den Westen

Stand: 19.10.2017

Mit Marshallplanmitteln wiederaufgebaute Werkzeugmaschinenfabrik Naxos-Union in Frankfurt/Main (1950)_dpa | Bild: picture-alliance/dpa

Das auf vier Jahre konzipierte European Revery Program (ERP) lässt "Mangelwaren" im Wert von 13,4 Milliarden Dollar aus den USA nach Europa fließen. Dabei handelt es sich vor allem um Nahrungsmittel, Rohstoffe und Maschinen. Da die Staaten Europas unter Devisenknappheit leiden, also kaum über Dollars verfügen, zahlen die Nehmerländer den Kaufpreis in ihrer Landeswährung auf ein "Gegenwertkonto" ein. Dieses wird in ein "ERP-Sondervermögen" umgestaltet, aus dem in enger Abstimmung mit den USA Investitionen in den jeweiligen Volkswirtschaften vorgenommen werden. Mithilfe dieser - zinsverbilligten - Kredite soll in Europa die Industrieproduktion angekurbelt und der Agrarsektor wiederbelebt werden.

Hoffnung auf Handelsbeziehungen

In der Folge erwarten die Geber dass der Handel zunächst innerhalb Europas in Gang kommt und schließlich auch der Geschäftsverkehr zwischen Europa und den USA Fahrt aufnimmt. Die amerikanische Wirtschaft ist an Absatzmärkten interessiert. Nach der Kapitulation der Achsenmächte wurden die Streitkräfte demobilisiert, Millionen Ex-Soldaten tummeln sich auf dem Arbeitsmarkt. Die Lebensmittel- und Konsumgüterindustrie boomen ebenso wie die Autobranche und das Baugewerbe.

Zur Verteilung der Mittel wird im Frühjahr 1948 die Organisation for European Economic Co-Operation, OEEC - Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) gegründet. Insgesamt 16 Staaten erhalten Aufbauhilfe, die Rückzahlung wird bilateral zwischen den USA und dem jeweiligen Empfängerland geregelt.

Mitte April 1948 verlässt der Frachter "John H. Quick", beladen mit Weizen für Frankreich, den Hafen der texanischen Stadt Galveston. Damit beginnt der Wiederaufbau Europas. Die größten Marshall-Plan-Profiteure sind Großbritannien (3,2 Milliarden Dollar), Frankreich (2,7) und Italien (1,5).

Sonderfall Westdeutschland

Im Kalten Krieg spielt die 1949 gebildete Bundesrepublik, die die britische, französische und amerikanische Besatzungszone vereint, als "Frontstaat" eine wichtige Rolle für die USA. Es gilt, das Land aufzubauen und in ein demokratisches Staatensystem einzubinden und zum soliden Partner des Westens zu machen. Der Marschall-Plan bedeutet für die Westdeutschen eine willkommene Wirtschaftshilfe - eine positive Erfahrung, denn nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Sieger noch Reparationsforderungen gestellt. Zwischen 1949 und 1952 erhält die BRD (mit Westberlin) etwa 1,4 Milliarden Dollar und zahlt davon später eine Milliarde zurück.

Initialzündung für das "Wirtschaftswunder"?

Viel diskutiert wird seither die Frage, ob der Marshall-Plan das "Wirtschaftswunder" ausgelöst hat. Zweifelsohne hilft er den Westdeutschen, die im Krieg zerstörten Produktionsanlagen und Verkehrswege aufzubauen und die öffentliche Versorgung zu verbessern. Für das "Wirtschaftswunder" maßgeblich sind aber auch die Währungsreform vom Juni 1948 und der gezielte Ausbau der Konsumgüterindustrie. Zudem verfügt die westdeutsche Industrie beim Neustart über ausreichend hoch qualifizierte und hoch motivierte Arbeitskräfte. Überdies sind trotz des Bombenkriegs im Zeitraum 1942 bis 1945 noch beachtliche Kapazitätsreserven vorhanden.

In besonderem Maße profitiert die westdeutsche Wirtschaft aber vom Schuldenschnitt, der im Londoner Schuldenabkommen 1953 vereinbart wird. Forderungen aus der Vorkriegszeit und Schulden aus der Nachkriegszeit, Gesamtverpflichtungen in Höhe von etwa 30 Milliarden D-Mark, werden auf die Hälfte reduziert. Fazit: Der Marshall-Plan gibt dem Wachstumsprozess in Westdeutschland wichtige Impulse, das Erlangen der wirtschaftlichen Potenz muss aber in einem multikausalen Wirkungszusammenhang gesehen werden.

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