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Menschliche Gedächtnisebenen

Wenn sich das Kollektiv erinnert Menschliche Gedächtnisebenen

Stand: 09.02.2017

Sammlung von Gehirn und Schädel | Bild: colourbox.com

Unsere Gedächtnisarten lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: in das implizite und das explizite Gedächtnis.
Das implizite Gedächtnis speichert unbewusste Erinnerungen ohne Bezug zur Vergangenheit. Es gliedert sich in die Untergruppen prozedurales Gedächtnis, perzeptuelles Gedächtnis, Konditionierung und Priming. Das prozedurale Gedächtnis hält verinnerlichte Lebensabläufe und Bewegungsabfolgen wie Autofahren abrufbar. Das perzeptuelle Gedächtnis hilft Dinge zu kategorisieren und wieder zu erkennen. Bei der Konditionierung geht es um Reiz-Reaktionsabfolgen. Mittels Priming (Bahnung) wird bereits Geschehens schnell zugänglich gemacht, denn das Gehirn verarbeitet Reizwahrnehmungen auch dann, wenn wir es gar nicht bemerken.

Auf "geistiger Zeitreise"

Zum expliziten - bewussten - Gedächtnis zählen das semantische Gedächtnis und das episodische Gedächtnis. Das semantische Gedächtnis ist unser Faktengedächtnis, unser Wissensspeicher, aus dem wir beispielsweise die Information abrufen, dass der Mont Blanc der höchste Berg Europas ist. Das episodische Gedächtnis ist dagegen erlebnisbezogen, es ermöglicht zu erinnern, wie wir vor Jahren einmal auf den Mont Blanc geklettert sind. Das episodische Gedächtnis spielt für den Menschen eine wichtige Rolle: Hier ist seine Biografie abgelegt, hier wird die Vergangenheit in die Gegenwart zurückgeholt.

Semantisches und episodisches Gedächtnis werden separat gespeichert, können aber immer wieder neu - leider auch fehlerhaft - verknüpft werden. Beispiel: Man erinnert sich an eine Begebenheit, verortet sie aber im falschen Jahr.

Flexible Speicherung

Auch über die Speicherdauer ist eine Gedächtnisunterscheidung möglich. So bewahrt das Ultrakurzzeitgedächtnis bestimmte Wahrnehmungsinhalte oft nur Bruchteile von Sekunden auf. Mithilfe des Arbeitsgedächtnisses lassen sich aktuelle Informationen kurzfristig sichern und miteinander in Beziehung setzen. Das Kurzzeitgedächtnis bewahrt Informationen mehrere Minuten auf, bevor sie in das Langzeitgedächtnis transferiert werden. Im Langzeitgedächtnis können Inhalte jahrelang abgespeichert werden. Bedeutende Ereignisse werden meist zusammen mit Emotionen gekoppelt und bleiben so langfristig erhalten - je stärker die Emotion, desto besser die Erinnerung.

Passend zum Selbstbild - unsere Erinnerungen

Allerdings ist unser Langzeitgedächtnis kein Archiv, das die Vergangenheit penibel aufzeichnet. Unbewusst gleichen die Menschen ihre Erinnerungen mit ihrer Selbstwahrnehmung ab und steuern sie so, dass sie das Selbstwertgefühl stärken. Deshalb sind Erinnerungen nicht objektiv und zuverlässig. Sie werden oft verzerrt, verändert und geschönt, dass sie zu den Lebensumständen passen.

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Abstraktes Gehirn mit Merkzettel | Bild: colourbox.com zum Thema Wenn sich das Kollektiv erinnert Erkenntnisse der Gedächtnisforschung

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