Bayern 2 - radioWissen


56

Download-Service Einsatz im Unterricht

Stand: 03.09.2014 | Archiv

Vorarbeit

Lernziele: Wie kann ein guter, gerechter und liebender Gott eine Welt erschaffen, in der Gewalt, Grausamkeit, Mord und Totschlag zum Alltag gehören? Was ist das für ein Gott, der offensichtlich ungerührt zusieht, wie Unschuldige leiden, und Verbrecher ungestraft davonkommen? Warum lässt Gott zu, dass Millionen von Menschen durch Not und Naturkatastrophen sterben? Warum versagt er seine Hilfe und bleibt trotz aller Bitten unbarmherzig?
Die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes und der Unergründlichkeit seines Wesens verstört die Menschen seit je. Der Beitrag führt die Schülerinnen und Schüler an die Wurzel des Theodizee-Problems. Er zeigt zunächst, welche Zweifel am Gottesbild der Widerspruch zwischen der Vorstellung eines als vollkommen gedachten Schöpfers und der Erfahrungswirklichkeit im Lauf der Zeit laut werden ließ. Die Schülerinnen und Schüler werden so mit den wichtigsten historischen Lösungsversuchen der Theodizee-Problematik vertraut. Sie begreifen aber auch, dass die optimistischen Deutungen, wie sie etwa Leibniz und Hegel vorlegten, durch die unfassbaren Gräuel des 20. Jahrhunderts ihre Glaubwürdigkeit ein für alle Mal verloren haben und einen radikalen Neuansatz der Theologie erforderten.
Am Beispiel der These des mitleidenden Gottes und der Prozesstheologie lernen sie schließlich zwei jüngere Antworten auf die Herausforderung der Theodizee-Frage kennen. Zuletzt sehen sie ein, dass eine rein rationale, allgemeinverbindliche Lösung der Problematik nicht möglich ist. Letztlich geht es immer darum, ob jeder Einzelne emotional dazu in der Lage ist, die Welt und den Menschen über alle Zweifel hinaus als Geschenk eines liebenden Gottes anzunehmen.

Die Sendung im Unterricht

Bildimpuls: Zum Einstieg zeigt die Lehrkraft Darstellungen eines guten, liebenden, fürsorglichen Gottes und Bilder des Leids in der Welt. (Beispiele für den liebenden Gott liefert die Google-Bildersuche unter dem Stichwort "Gott ist mein Hirte" oder "Gott ist die Liebe; Beispiele für das Leid sind mit dem Stichwort "Krieg" zu finden.) Die Lehrkraft lässt die widersprüchlichen Bilder zunächst unkommentiert wirken und bittet die Schülerinnen und Schüler dann, ihre Gedanken und Gefühle zu auszusprechen.
Hinführung zum Thema: Anschließend zieht die Lehrkraft auf der Tafel einen senkrechten Mittelstrich und schreibt links oben den Spaltentitel "Gott ist…" und rechts oben den Spaltentitel "Die Welt ist…) hin. Die Klasse wird nun aufgefordert, die linke Spalte mit zentralen Eigenschaften Gottes (allmächtig, allwissend, gerecht…) und die rechte Spalte mit Beschreibungen der Welt (chaotisch, grausam, ungerecht…) zu füllen.

Hören

Nachdem die Spalten gefüllt sind, weist die Lehrkraft auf die Widersprüche zwischen beiden Seiten hin. (Mögliche Leitfragen: "Wie passt das zusammen? Wie kann es sein, dass ein guter Gott eine Welt voller Schmerz und Leid zulässt?") Zum Abschluss der Einstiegsphase kann die Klasse Arbeitsblatt 1 bearbeiten. Sobald die Arbeitsblätter ausgefüllt sind, kann die Lehrkraft auf die Radiosendung überleiten: "Mit diesem Problem, das wir die Menschen schon immer beschäftigt hat, setzt sich eine Radiosendung auseinander, die wir uns jetzt gemeinsam anhören."

Nacharbeit

Nachbearbeitung: Die Arbeitsblätter und Arbeitsaufgaben dienen der Festigung des im Radiobeitrag vermittelten Wissens und der Vertiefung aufgeworfener Fragen. Die Audioausschnitte können zur Motivation und thematischen Strukturierung des Unterrichtsgesprächs oder als Ergänzung der Arbeitsblätter eingesetzt werden.
Arbeitsblatt 1: Die Eigenschaften Gottes und die Wirklichkeit der Welt. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich mit den Kernproblemen der Theodizee-Frage auseinander. Sie begreifen, worum unsere Vorstellungen von Gott und die Wirklichkeit zu einem unlösbaren Widerspruch führen. Arbeitsblatt 2: Die Theodizee-Frage: Leid und Ungerechtigkeit - warum lässt Gott das zu? Das Arbeitsblatt vertieft das Verständnis für die auslösenden Momente und die Schwierigkeiten der Theodizee-Problematik. Arbeitsblatt 3: Die Prozesstheologie: Gottes gewollter Machtverzicht und die Freiheit der Welt. Die Schülerinnen und Schüler lernen mit der Prozesstheologie einen jüngeren Lösungsansatz zur Theodizee-Frage kennen. Sie erarbeiten sich die wesentlichen Aussagen durch Textarbeit und sichern die Ergebnisse durch eigene Formulierungen.

Lehrplanbezüge

Lehrplan für die bayerische Realschule
9. Jahrgangsstufe
- Katholische Religionslehre, 9.1 Sehnsucht nach Sinn und Halt Die radikale Infragestellung von Sinn und Religion durch das Leid: Aktuelle Beispiele, Lösungs- und Erklärungsversuche prüfen (z. B. Atheismus, Fatalismus, Hoffnung auf Evolution, Rückzug hinter die Unbegreiflichkeit); Antworten des AT oder NT (z. B. Buch Ijob; das Kreuz als Symbol für den mitleidenden und erlösenden Gott); ggf. Antwortversuche anderer Religionen (z. B. Buddhismus)
10. Jahrgangsstufe
- Evangelische Religionslehre, 10.1 Die Frage nach Gott: Erfahrungen, Gottesvorstellungen im Wandel, z. B. anhand von Kindergebeten, Zweifel und Vertrauen; Verschiedene Antworten auf die Frage nach Gott: Gottesvorstellungen in der Bibel, christliche Gottesvorstellungen in verschiedenen Epochen oder Gottesvorstellungen in verschiedenen Religionen; Streit um den Gottesglauben: Die Aufklärung und die Folgen, Glaube und Naturwissenschaft, z. B. anhand der biblischen Schöpfungsgeschichten

Lehrplan für das bayerische Gymnasium
10. Jahrgangsstufe
-
Ethik, 10.2 Religionsphilosophie und vergleichende Betrachtung der Weltreligionen: Problematik der Theodizee, Positionen der Religionskritik aus der Neuzeit (z. B. Feuerbach, Marx, Nietzsche, Whitehead)
- Evangelische Religionslehre, 10.1 Zugänge zur Bibel: Exemplarisch eine biblische Schrift oder Tradition in gesamtbiblischer Perspektive kennenlernen, z. B. Hiob (Beispiele für Interpretationen in Kunst, Literatur, Musik, Film)
11. Jahrgangsstufe
- Evangelische Religionslehre, 11.3 Woran hängt dein Herz? – Die Frage nach Gott: unterschiedliche Vorstellungen von und Erfahrungen mit Gott in der Biographie und Geschichte wahrnehmen, Veränderungen im Gottesbild in der eigenen Biographie (religiöse Entwicklung); Relevanz des Gottesglaubens in der Gegenwart, Erfahrungen der Abwesenheit Gottes, Erfahrungen von Leid im persönlichen und gesellschaftlichen Umfeld als Herausforderung an den Gottesglauben; Beiträge zur Theodizeefrage: z. B. Hiob, M. Luther ("deus absconditus"), G. W. Leibniz
- Katholische Religionslehre, 11.3 Verantworteter Gottesglaube: Anfragen, Ablehnung, Annäherungen: "Gott – wer oder was ist das?" Anfragen, z. B. Schüleräußerungen, autobiographische Texte; Bedingtheit und Fragwürdigkeit von Gottesvorstellungen; Theodizee als "Ernstfall" der Gottesfrage, z. B. Ijob; Gottesglaube vor dem Anspruch der Moderne; Klassiker der Religionskritik, z. B. L. Feuerbach, F. Nietzsche, J.-P. Sartre; Glaube und Vernunft: aufgeklärter Glaube: Chancen und Grenzen, den Gottesglauben von der Vernunft her zu befragen


56