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Harmonie zwischen Himmel und Erde Das Thema

Chinesische Religiosität wird durch drei große und komplexe Denksysteme getragen: Konfuzianismus, Daoismus und schließlich auch Buddhismus. Es ist durchaus alltäglich, wenn ein Chinese sich an ethische Regeln des Konfuzianismus hält, daoistischen Riten nachgeht und auch buddhistische Tempel aufsucht. Selbst für die sich in der Minderheit befindenden Christen scheint eine exklusive Abgrenzung nicht nötig zu sein.

Stand: 27.03.2013 | Archiv

buddhistische Mönche beim Gebet | Bild: picture-alliance/dpa

Wie kommt es zu dieser großen Toleranz in der religiösen Praxis? Um mehr von dieser Mentalität zu verstehen, die man nicht vorschnell mit Synkretismus oder Oberflächlichkeit gleichsetzen sollte, müssen wir einen Blick in die Geschichte werfen. Mit den Worten des Religionsphilosophen Hans Küng kann man sagen, dass die chinesische Religiosität eine Entwicklung durchlaufen hat, die sich, wie bei allen Religionen, durch paradigmatische Wechsel auszeichnet: "Die frühe chinesische Kultur ist eine stark religiös geprägte Schamanenkultur (Paradigma I), in deren Zentrum Ahnenverehrung und Riten standen." Schon für den Zeitraum ab etwa 3.000 v. Chr. kann relativ Genaues über das religiöse Denken in China gesagt werden. Kennzeichnend ist hier schon die Zusammengehörigkeit von Mensch und Kosmos. Die Wirklichkeit ist in drei Ebenen aufgeteilt: Das Totenreich unten, die Erde als Ort für die Lebenden und der Himmel, wo sich die Ahnen und Götter befinden. Der Kult der heiligen Berge, auf denen man sich näher am Himmel befindet, zeigt in seinem Fortbestand, dass diese archaischen Elemente chinesischer Religiosität auch heute noch fortleben.

Die moralischen Kräfte des Menschen: Konfuzius

Konfuzius trat für Menschlichkeit und Rücksichtnahme ein

Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. beginnt die Zeit der Weisheitslehrer. "Es beginnt die Ära des chinesischen Humanismus (Paradigma II), des reifen Stadiums der alten chinesischen Kultur, in der ein Übergang stattfindet von der magischen Religiosität zur Rationalität, in der dem Menschen und seiner Vernunft Vorrang eingeräumt wird vor den Geistern und Göttern und schließlich ein großes Interesse an Geschichte, Kunst und Literatur erblüht." (Hans Küng)

Der bekannteste und erfolgreichste dieser Weisheitslehrer ist Kong Fuzi ( ca. 551 - 479 v. Chr.) - oder mit seinem bekannteren latinisierten Namen: Konfuzius. Für ihn steht nicht mehr die magische Verbundenheit mit Natur und Kosmos im Vordergrund, sondern die Moralität des Menschen. So ist Menschlichkeit und Rücksichtnahme kennzeichnend für seine Lehre. Ganz wesentlich ist dabei die familiäre Beziehungsstruktur. Bis heute spielen die Beziehungen Vater und Sohn, Ehemann und Ehefrau, älterer Bruder und jüngerer Bruder, aber auch Vorgesetzter und Untergebener eine wichtige Rolle im chinesischen Leben. Soziale Sicherheit und Stabilität soll dadurch gewährleistet werden, da diese Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Die Gefahr eines hierarchischen Missbrauchs ist allerdings nicht zu übersehen.

Der Konfuzianismus wird zur Staatsreligion

Eine entscheidende Prägung geschieht in der Han-Zeit, die vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. dauerte. Der Konfuzianismus wird zur Staatsreligion." Konfuzius wird im Zuge dieses Paradigmenwechsels nun zum Meister schlechthin. Die konfuzianischen Klassiker werden zur offiziellen Philosophie und der Konfuzianismus zur Staatsdoktrin." Die immer häufigere Errichtung von Tempeln zu Ehren des Meisters führt freilich nicht zu dessen Vergöttlichung, wohl aber zu einer umfassenden Verehrung als Identifikationsfigur. Werte wie Humanität, Integrität und Pietät gelten als vorbildlich besonders für die staatstragende Beamtenschaft. Hans Küng schreibt dazu: "Diese von den konfuzianischen Wertvorstellungen bestimmten Eliten schaffen zugleich gewaltige philologische und historische Werke. So das auf sorgfältigen Quellenstudien beruhende monumentale Geschichtswerk des Sima Qian, das in 130 Kapiteln die Zeit von den Uranfängen bis in seine Gegenwart (87 v. Chr.) systematisch umfassend darstellt." Der Kaiser wird von der Elite als höchster Lehrer angesehen. In der Spätzeit der Han-Dynastie gefährdeten allerdings Intrigen und Korruption ihren Fortbestand, sodass das Verhältnis des Kaisers zu seiner Beamtenschaft schwer belastet war. Eine Gegenbewegung zum Konfuzianismus wurde in dieser Zeit immer stärker.

Der Daoismus als Gegenbewegung zum Konfuzianismus

Konfuzius-Wald in Qufu in der chinesischen Provinz Shandong

Im Unterschied zu Konfuzianismus, der auf gesellschaftliche Harmonie zielte, konzentriert sich der Daoismus auf die innere Harmonie des Menschen. Sein Ziel ist weniger ein ethisches, sondern er sorgt sich um das Heil des einzelnen Menschen: Langes Leben und Unsterblichkeit. Nach daoistischer Lehre muss das Gleichgewicht von Yin und Yang, der beiden kosmischen Urkräfte, im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen. "Das passiv weiblich-dunkle Yin und das aktiv-männlich-helle Yang bestimmen vom Tag- und Nachtrhythmus bis zum Herz- und Atemrhythmus alles in Welt und Mensch. Über die unsichtbaren 14 Meridiane des Körpers fließt die Lebensenergie. Und so können von den 360 Akupunkturpunkten aus die inneren Organe und deren Funktion beeinflusst werden."

Dao - Weisheit durch Leere

Wörtlich übersetzt bedeutet Dao "Weg". Nach der daoistischen Weisheitsschrift Daode jing, die dem legendären Laozi zugeschrieben wird, ist aber ein universaler Weg gemeint. Dao ist nach dieser Schrift das Urprinzip der Welt. Die Kraft des Dao, „de“ im Han-Chinesischen, ist in allem und ist dennoch nicht greifbar, nicht sinnlich wahrnehmbar. Sie ist „leer“. Die Einheit mit dem Dao ist nur erreichbar, wenn der Mensch im absichtslosen Tun und Lassen, befreit von Begierden und vom Wollen, das kosmische Lebensgesetz annimmt. Das auch uns im Westen bekannte Tai Chi ist eine Übung, um diesen Zustand zu erreichen. Von dieser Position aus wird der Konfuzianismus als legalistisch und hart, letztendlich ins Chaos führend, kritisiert. Tastsächlich gab es im Han-Reich erhebliche Klassengegensätze, die letztendlich zum Untergang des Reiches führten. Das Grundproblem sahen die Daoisten in der Herauslösung des Menschen aus der Natur. Gegenüber dem aktiven Moralismus des Konfuzianismus sollte der Mensch im Einklang mit der Natur leben.

Yin-Yang-Denken als Brücke

Das Dach des buddhistischen Tempels ist traditionell geschwungen.

Die Polarität von Aktivem und Passivem in der Vorstellung des Yin und Yang bot jedoch dem Harmoniestreben Möglichkeit die Gegensätze zu überwinden. Dazu noch einmal Hans Küng: "So kommt es zur praktischen Vereinbarung der beiden Grundhaltungen: Der Mensch ist – vereinfacht gesagt – Konfuzianer im Tun und Daoist in der Kontemplation. Und zugleich kommt es zu einer neuen umfassenden theoretischen Synthese: Yin und Yang werden mit Himmel und Erde gleichgesetzt, die beide aus der (daoistisch verstandenen) Letzten Wirklichkeit, dem Großen Letzten (taiji) hervorgehen. Im Großen wie im Kleinen bringen sie durch Interaktion alle Dinge dieser Welt hervor, vor allem die fünf Elemente oder "Wandlungsphasen" Feuer, Wasser, Erde Holz, Metall. In einem endlosen Kreislauf wechseln sich ununterbrochen Phasen ab: Aus der Ruhe (yin) in die Bewegung (yang) und aus der Bewegung in die Ruhe. So entsprechen sich die Gesetzmäßigkeiten des Makrokosmos und des Mikrokosmos in ganz natürlicher Harmonie und Hierarchie. Denn die Natur des Menschen ist gut, sie bedarf nur der moralischen Erziehung."

Buddhismus in China

Mit dem Ende der Han-Zeit kommt es zu einem verstärkten Vordringen des indischen Buddhismus, der in der Folge einen so großen Einfluss gewann, dass er neben Konfuzianismus und Daoismus zu den drei Säulen chinesischer Religiosität gehört. Allerdings erfuhr er in China auch einige Ablehnung. So ist der Gedanke der Wiedergeburt Chinesen aufgrund ihrer Ahnenverehrung im Grunde fremd. Das daoistische Denken ist jedoch offen für die Vorstellung einer jedem Menschen innewohnenden Buddhanatur. So konnte der Buddhismus, der in China sich z.B. zum Meditationsbuddhismus (der in Japan Zen-Buddhismus genannt wird) entwickelte, hier eine neue Heimat finden, nachdem er sich in Indien nicht auf Dauer hatte durchsetzen können.


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