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Der Weg zum Genfer Gottesstaat

Johannes Calvin Der Weg zum Genfer Gottesstaat

Stand: 09.08.2017

Guillaume Farel (1489-1565) | Bild: picture-alliance/dpa

Im Juli 1536 legt Calvin auf dem Weg von Basel nach Straßburg einen Zwischenaufenthalt in Genf ein. Hier trifft er auf den Prediger Guillaume Farel (1489-1565), der ihn beschwört, zu bleiben und die Sache der Reformation gemeinsam voranzutreiben. Calvin willigt ein. Er unterrichtet zunächst am Gymnasium und ist ab Februar 1537 ordentlicher Prediger mit festem Gehalt. Bereits gegen Ende 1536 gehen Calvin und Farel daran, eine "Kirchenzucht" als verbindliches Regelwerk für das Gemeindeleben auszuarbeiten. Sie fällt streng aus. Theater- und Glücksspiele, liederliche Gesänge, prunkende Feste und Kleider sind nach den Vorstellungen der Reformatoren zu untersagen, weil sie nicht der Ehre Gottes als dem ausschließlichen Zweck des Gemeindelebens dienen. Dagegen sind der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes, der Empfang des Abendmahls, ein intensives Bibelstudium sowie Gehorsam gegen die Obrigkeit zentrale Pflichten des gläubigen Christen und unbedingt einzuhalten.

Himmlischer Lohn und irdische Strafen

Mit der Kirchenzucht verfügen sowohl der weltliche als auch der geistliche Arm über ein scharfes Instrument zur Durchsetzung einer "gottgefälligen" Gemeindeordnung. Wenn brüderliche Ermahnungen nicht ausreichen, um Verstöße zu ahnden, drohen den Beschuldigten empfindliche Strafen bis hin zum Pranger, zur Exkommunikation und zum Verlust des Bürgerrechts.

Das Regiment der Pfarrer stößt auf Widerstand

Beim Rat finden die Anfang 1537 vorgelegten Entwürfe der Reformatoren eine zwiespältige, eher reservierte Aufnahme. Sowohl der Entwurf einer strengen Kirchenzucht als auch der Vorschlag, alle Bürger per Eid auf ein gemeinsames Glaubenskenntnis zu verpflichten, werden abgeschmettert. Als ein Teil des Magistrats im November 1537 dennoch beschließt, jeden auszuweisen, der den Eid nicht leistet, erhebt sich ein Proteststurm gegen die Pläne Calvins und Farels. Im Februar 1538 spitzt sich die Lage zu. Vehementer als zuvor weisen die Stadtverantwortlichen den Anspruch Calvins zurück, die Organisation der Kirche und vor allem die Kirchenzucht vollständig den Pfarrern zu überlassen. Der Magistrat besteht darauf, die in der Kirchenzucht ausgestaltete Disziplinargewalt über die Gemeindemitglieder nebst allen säkularen und geistlichen Strafen als Angelegenheit der weltlichen Obrigkeit zu betrachten. Nachdem sich Calvin und Farel den Wünschen des Magistrats verschließen, ist das Maß voll. Beide werden am 23. April 1538 ihrer Ämter enthoben und aus der Stadt gewiesen.

Lehrjahre eines Reformators

Calvin folgt einem Ruf nach Straßburg, wo er bis 1541 bleibt. Er predigt, legt die Evangelien aus, betreut geflohene Protestanten, reformiert das Gemeindeleben, korrespondiert mit anderen Reformatoren und entfaltet eine reiche schriftstellerische Tätigkeit. Da er nun auch auf Französisch schreibt, kann er über die lateinkundigen Gelehrten hinaus neue, bislang nicht erreichte Laienkreise ansprechen.

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Johannes Calvin (1509-1564) | Bild: picture-alliance/dpa / Mary Evans Picture Library zum Thema Johannes Calvin Der Genfer Reformator

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