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Die Tricks der Intuition

Intuition Die Tricks der Intuition

Stand: 31.05.2017

Gerd Gigerenzer, Psychologe und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (2013) | Bild: picture-alliance/dpa

Intuition ist das plötzlich ins Bewusstsein einschießende, handlungsleitende Resultat unbewusster Denkprozesse, die ein aktuelles Geschehen mithilfe gespeicherter Erfahrungsinhalte analysieren. Soweit reicht der wissenschaftliche Konsens. Wie und wo diese Prozesse im Einzelnen ablaufen, welche Hirnareale eingebunden sind, wer das Zusammenspiel organisiert und was es beeinflusst, ist strittig und noch nicht einmal annähernd geklärt.

Dem Bauchgefühl auf der Spur

Einige der wesentlichen Ansätze zum Verständnis des Bauchgefühls und seiner Mechanismen formulierte der Psychologe Gerd Gigerenzer. Er ist den Strategien der Intelligenz des Unbewussten seit Jahrzehnten auf der Spur. Für den international renommierten Kognitionsforscher ist Intuition gefühltes Wissen, das sich ohne bewusstes Nachdenken blitzartig einstellt und unser Verhalten und Handeln bestimmt. Sie beruht auf unbewusst ablaufenden und hochvernetzten Prozessen der Informationsverarbeitung im Gehirn. Dabei analysiert das intuitive Denken nicht die gesamte Bandbreite der tatsächlich in jedem Moment verfügbaren Informationsmenge. Es nutzt stattdessenn intelligente Filter-und Kompressionstechniken, um aus dem Rauschen des neuronalen Überangebots die wichtigsten Informationen herauszuziehen.

Heuristik als Entscheidungsturbo

Das taktische Kernstück der Intuition besteht laut Gigerenzer im Einsatz von "Faustregeln" oder wissenschaftlicher ausgedrückt, von Heuristiken. In den Faustregeln beziehungsweise Heuristiken verdichten sich evolutionär und individuell erlernte Erfahrungsinhalte zu kompakten, einfachen Denkstrategien, die auch unter Zeitdruck und auf der Basis begrenzter Information praktikable Problemlösungen ermöglichen. Wie effizient und elegant die Faustregeln funktionieren, demonstriert Gigerenzer gerne an unserer Fähigkeit, einen Ball aus der Luft zu fangen. Das ist motorisch und physikalisch keineswegs eine triviale Angelegenheit. Das Gehirn löst die Aufgabe mithilfe einer im Lauf der Evolution erlernten Blickheuristik: Statt Dinge wie Winkelgeschwindigkeit und Bahnverlauf zu berechnen, greift das intuitive Denken zu einem kleinen, aber feinen Trick. Es bringt den Läufer einfach dazu, den Ball zu fixieren und seine Laufgeschwindigkeit so anpassen, dass der Blickwinkel stets konstant bleibt.

Schnelles Denken gegen langsames Denken

Ein weiterer einflussreicher Pionier und Doyen der Intuitionsforschung ist der israelisch-amerikanische Psychologe Daniel Kahmeman. Geht es nach ihm, betreiben wir zwei Denksysteme, ein bewusstes und parallel dazu ein unbewusstes. Das bewusste System arbeitet wohlüberlegt, stellt Argumente gegeneinander, wägt das Pro und Contra konkurrierender Optionen ab und liefert aufgrund allgemein anerkannter Verknüpfungsregeln rational begründete, nachvollziehbare Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage. Das ist solide, zuverlässig, seriös. Aber die Sache hat einen Haken. Das bewusste Denken ist langsam, mühsam, anstrengend, verbraucht viel Energie und beansprucht unsere vollkommene Aufmerksamkeit.

Ohne Ballast und Umweg zum Ziel

Das unbewusste Denken kennt solche Einschränkungen nicht. Es läuft automatisch ab, ist blitzschnell, kostet weder Mühe noch Disziplin und kommt ohne steuernde Eingriffe aus. Das hat Charme, Leichtigkeit und bietet viele Vorteile: Das schnelle Denken verzettelt sich nicht in Einzelheiten, es verzichtet auf ermüdende Details, komprimiert Erfahrungsinhalte, ergänzt Ausschnitte zu Gesamtbildern, interpretiert Muster und stellt neue Zusammenhänge her.

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Schild "Follow your intuition" | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema Intuition Gefühltes Wissen aus dem Unbewussten

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