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Wie aus Luft Laute werden Hintergrund

Sprache ist unser wichtigstes Mittel der Kommunikation. Doch erst mit unserer Stimme bringen wir sie zum Klingen. Um nur einen einzigen Laut zu artikulieren, müssen über 100 Muskeln in ihren Bewegungen aufeinander abgestimmt werden.

Stand: 12.11.2013 | Archiv

Frau lässt ihr Stimmlippen untersuchen | Bild: picture-alliance/dpa

Die persönliche Note

Sprache ist unser wichtigstes Mittel der Kommunikation. Doch erst mit unserer Stimme bringen wir sie zum Klingen. Mit ihr können wir sprechen, schreien, flüstern und hauchen, können wir unsere Worte mit Bedeutung untermalen und signalisieren, ob wir fröhlich, traurig, aufgeregt oder ärgerlich "gestimmt" sind. Der Ton macht bekanntlich die Musik und die Stimme ist ein fantastisches Instrument, dem sich die unterschiedlichsten Töne und Klänge entlocken lassen. Wie eine Trompete oder ein Horn können wir sie bedienen und unseren Botschaften ihre ganz persönliche Note verleihen. Schon Babys fasziniert es, zu welch stimmlicher Leistung sie in der Lage sind. Sie brabbeln, prusten oder quietschen und horchen gespannt den Lauten nach, die da aus ihrer Kehle dringen.

Mit der Atmung beginnt alles

Um nur einen einzigen Laut zu artikulieren, müssen über 100 Muskeln in ihren Bewegungen aufeinander abgestimmt werden. Der feinmotorische Prozess, der dahinter steckt, ist äußert komplex. Alles beginnt mit der Atmung: Soll ein Ton entstehen, muss zunächst Luft eingeatmet werden, die dann beim Ausatmen durch den Kehlkopf fließt, wo sie auf die Glottis oder Stimmritze drückt, die sich wie Art Düse öffnet und die beiden Stimmlippen (Stimmbänder) zum Schwingen bringt. Durch den Rachen strömt die Luft weiter und entweicht schließlich durch die Mund- und/oder Nasenhöhle. Hier, im so genannten "Vokaltrakt" verbirgt sich der eigentliche Klangraum. Er wirkt wie ein Lautsprecher und erzeugt aus dem Geräusch der Stimmlippen einen voll klingenden Ton, der für das menschliche Ohr hörbar ist. Diese Klangräume im Kopf kann man beim Summen gut erspüren. Doch auch unser Körper kann ein solcher Lautsprecher sein, etwa wenn wir singen, laut sprechen oder gar brüllen. Und während wir in einer normalen Unterhaltung etwa nur ein Viertel der eingeatmeten Luft nutzen, erhöht sich der Anteil, wenn wir rufen, uns an eine größere Menschenmenge richten oder gekünstelt laut flüstern. Von der Atmung weitgehend unabhängig sind übrigens Schnalz- und Klicklaute. Sie werden allein mit Hilfe der Zunge oder der Lippen produziert.

Von der Lautbildung zur individuellen Klangfarbe

Im Mundraum bilden wir Laute entweder ganz vorne oder ganz hinten im Rachen: das T oder M zum Beispiel entsteht im vorderen Teil, K und G im hinteren. Und bei einem A formt sich der Mund- und Rachenraum anders als bei einem U. An der Lautbildung beteiligt sind auch die Lippen und die Zunge: Mal berühren sich die Lippen (M), mal stoßen sie an die Zähne (W), mal tippt die Zungenspitze an den Zahndamm hinter den oberen Schneidezähnen (T), mal liegt der äußere Rand der Zunge am Gaumen (SCH), mal berührt die Zunge hinten den weichen Gaumen (G). Wie wir beim Sprechen klingen wird darum nicht nur von unserer Atemtechnik, der Ausprägung von Kehlkopf, Stimmlippen sowie der Mund- und Nasenhöhle bestimmt, sondern auch von der Zahnstellung, Zungengröße und Lippenform. All das zusammen wirkt am individuellen Timbre unserer Stimme mit.

Höhen und Tiefen im Wandel der Jahre

Stimmen haben nicht nur eine individuelle Klangfarbe, sie sind zunächst unterschiedlich hoch oder tief. Das hängt neben Sitz und Anatomie des Kehlkopfes mit der Länge der Stimmlippen zusammen. Je kürzer diese sind, desto höher klingt die Stimme. Die Stimmlippen eines Babys zum Beispiel messen nur etwa 3 Millimeter, ganze 23 Millimeter dagegen die eines erwachsenen Mannes. Eine enorme Wandlung also, die unsere Stimme im Laufe der Jahre mitmacht. Und so wie unsere Haut im Alter an Elastizität einbüßt, so werden auch die Stimmlippen faltig und verlieren an Spannkraft. Dann kann unsere Stimme zum Beispiel brüchig klingen. Zur Veränderung unseres Stimmklangs tragen außerdem Sexualhormone bei. Sie spielen eine Rolle im Stimmbruch der Jungen während der Pubertät und sie sind daran beteiligt, wenn sich bei Frauen in den Wechseljahren die Tonlage ihrer Stimme verändert. Kurzum: Unsere Stimme verändert sich bis ins hohe Alter, und das aus den unterschiedlichsten Gründen.

Gezielte Variationen der Stimme

Im Unterschied zu unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, verfügen wir über ein breites Stimmspektrum, was unter anderem mit dem abgesenkten Kehlkopf infolge des aufrechten Gangs zusammenhängt. Je weiter unten der Kehlkopf sitzt, desto besser kann der Vokaltrakt als Resonanzraum dienen und lässt sich darüber der Stimmklang variieren. Unsere Stimme klingt darum nicht nur so, wie sie eben klingt. Wir können sie auch gezielt verändern. So hat jede Sprache ihre ganz eigene Sprachmelodie, ihre eigene Art, Wörter und Sätze zu betonen – ihre unverkennbare Prosodie also. Deutsch klingt ganz anders als Französisch oder Russisch; das hört man, auch ohne den Inhalt des Gesagten zu verstehen. Für die typische Prosodie unserer Sprache bringen wir beim Sprechen Tonhöhe, Lautstärke, Geschwindigkeit und Pausen miteinander in Einklang. Bei Fragen etwa hebt sich unsere Stimme am Ende (Kommst du heute zum Essen?), anders als bei Aussagen (Ich habe Kartoffeln eingekauft.) oder Aufforderungen (Stell das sofort wieder zurück!). An diesen Beispielen sieht man schon, wie sehr Melodie und Rhythmus des Gesprochenen auch mit Emotionen verbunden sind. Unsere Stimme ist wie ein Spiegel unserer Seele, je nach Absicht und Befindlichkeit setzen wir sie anders ein. Mit erhöhter Stimmlage zum Beispiel sprechen wir, wenn wir erstaunt sind, wenn wir höflich sein möchten und auch wenn wir uns gestresst fühlen. Sind wir traurig, wirkt unsere Stimme schleppend und schwach. Wir fühlen uns ohne Elan und das wirkt sich auch auf unsere Muskeln und damit auf den Schwung unserer Stimmlippen aus. Ähnliches trifft zu, wenn wir uns unsicher fühlen. Leise, fast flüsternd tragen wir unser Anliegen vor. Ganz anders, wenn wir guter Dinge oder unserer Sache sicher sind: Deutlich, klar und im Brustton der Überzeugung ertönt dann unsere Stimme.

Auf die Stimme achten

Unsere Stimme verrät viel über uns, Selbst- und Fremdwahrnehmung klaffen allerdings weit auseinander. Wir können ja auch nicht wie bei unserem Aussehen mit dem Blick in den Spiegel überprüfen, ob wir stimmlich gesehen gut rüber kommen. Trotzdem, auf unsere Stimme sollten wir achten oder besser: hören. Ständiges lautes Reden etwa mag vielleicht dynamisch wirken, umgekehrt wirkt es auf unsere Mitmenschen sehr fordernd à la "Hoppla, jetzt komm ich". Wenig kommunikativ ist auch die Angewohnheit, beim Sprechen das letzte Drittel eines Satzes sozusagen zu verschlucken. Und wer gerne "näselt", nun, dem kann es passieren, als überheblich eingestuft zu werden, obwohl er (bzw. sie) vielleicht genau das Gegenteil ist. Stimmexperten wie Hartwick Eckert empfehlen außerdem: die günstigste Tonlage zu sprechen, ist die, die uns am wenigsten anstrengt und unseren Voraussetzungen am ehesten entspricht. Dann wirken wir entspannt und ganz natürlich. In Bewerbungsgesprächen kann das von Vorteil sein. Mit regelmäßiger Stimmpflege können wir unsere Selbstwahrnehmung für die Möglichkeiten und Grenzen unserer Stimme schärfen, und wir können damit ihr und uns zugleich etwas Gutes tun. Schließlich ist die Stimme Teil unserer Persönlichkeit, etwas mehr Aufmerksamkeit hätte sie daher verdient. Mehrfach erleichtert und entspannt einen Seufzer auf mmm auszustoßen, kann da schon mal ein Anfang sein.


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