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Das Thema Weitere Bionikprojekte

Stand: 16.02.2012 | Archiv

Dem Elefantenrüssel ist der besonders flexible Roboterarm einer Esslinger Firma nachempfunden. Die Finger funktionieren nach dem Fischflossenprinzip, d. h. sie geben Druck nicht nach und krümmen sich weg, sondern biegen sich ihm entgegen. Der Roboterfinger kann sich der Form der Gegenstände, den er anfasst, anpassen; sie werden deshalb nicht zerquetscht oder eingedellt. Das Prinzip wurde bereits als Fin Ray Effekt zum Patent angemeldet, Einsatzmöglichkeiten gibt es in Industrie und Handwerk als Montagearm oder in der Landwirtschaft als Obsterntegerät.

Weitere Bionikprojekte in Wissenschaft und Praxis

Schneidezähne von Nagetieren bestehen im Inneren aus weichem Zahnbein und außen aus widerstandfähigem Zahnschmelz. Weil Zahnbein und Zahnschmelz unterschiedlich hart sind, haben sie abweichende Abriebeigenschaften. Zahnbein wird beim Nagen stärker abgewetzt, aber stets bleibt eine scharfe Zahnschmelzkante an der Spitze des Zahns erhalten. Ein Problem bei handelsüblichen Messern ist, dass sie stumpf werden, wenn Kunststoff-, Holz- und Papierpartikel den Stahl abreiben. Vor allem im Maschineneinsatz verursacht der Messerverschleiß (z. B. beim Scheiden von Gummi) hohe Kosten. Nach dem Vorbild von Nagetierzähnen wurden selbst schärfende und zugleich langlebige Messer in Keramik-Stahlbauweise entwickelt. Während das Interesse in der industriellen Fertigung groß ist, reagieren traditionelle Messerhersteller zurückhaltend, da sie Absatzeinbußen fürchten.

Die Bienenwabe steht Pate beim Bau von Tischen in Wohnwagen. Die Tische sind leicht und stabil, zusätzlich wird Material gespart.

Das Prinzip der Blutversorgung des menschlichen Körpers wird in Kühlsystemen angewandt Kühlrippen, z. B. an Schaltschränken, sind dem Kapillarsystem der Blutgefäße nachempfunden.

Der Schwarze Kiefernprachtkäfer bevorzugt eine pyrophile (hitzeliebende) Lebensweise. Weibchen legen ihre Eier nach Waldbränden in frisch verkohlte Baumstämme, die sich gegen den Käferbefall nicht mehr "wehren" können. Kiefernprachtkäfer verfügen über Wärmesensoren, die Feuer auch auf große Entfernungen registrieren. Brennt es, fliegen die Tiere in Richtung Glut. Nun versuchen Bioniker Feuermelder nach dem Vorbild der Sinnesrezeptoren von Kiefernprachtkäfern zu entwickeln.

Wie geschmiert: Sandfischeffekt soll Reibung vermindern

Ein noch recht junges Forschungsprojekt förderte am Sandfisch Erstaunliches zutage. Der Sandfisch ist eine rund 15 Zentimeter lange Reptilienart, die in der Sahara zuhause ist. Er kann sich blitzschnell im Sand vergraben und darin „schwimmen“, denn seine Schuppenhaut setzt dem Sand noch weniger Reibungswiderstand entgegen als High-Tech-Materialien wie Teflon, Nylon, Glas oder polierter Stahl. Darum gleitet der Sandfisch fast widerstandsfrei durch den Sand. Gleichzeitig sind die Schuppen aber so robust, dass die spitzen Sandkörnchen sie nicht zerkratzen können. Unter dem Elektronenmikroskop entdeckten Wissenschaftler, warum das so ist: Die Haut überzieht ein feines Muster winziger Schwellen, die quer zur Bewegungsrichtung des Sandfischs verlaufen und extrem feine Spitzen tragen. Diese in die Sandfischhaut integrierten Miniaturkämme reinigen auftreffende Sandkörner von anhaftendem Feinstaub, so dass die nunmehr glatten Körnchen mit geringerer Reibung und nahezu ohne Abrieb über die Haut des Tieres gleiten. Die Bioniker haben schon viel Ideen, wo man den Sandfischeffekt anwenden könnte, um Reibung zu vermindern: überall dort, wo flüssige Schmiermittel Nachteile mit sich bringen. Zum Beispiel auf Fußböden, bei denen eine Sandfisch-Oberfläche den Abrieb durch Schmirgelpartikel zwischen Belag und Schuhsohle verhindern könnte. Auch in der Lebensmitteltechnik ist der Einsatz flüssiger Schmiermittel problematisch, weil bei industriell hergestellten oder abgepackten Lebensmitteln immer wieder Spuren davon ins Essen gelangen. Wenn es gelänge, ein Material mit Sandfisch-Eigenschaften herzustellen, könnte man eine wirksame, wartungsfreie Trockenschmierung entwickeln. Doch bis es soweit ist, kann noch viel Zeit vergehen: Bis jetzt ist es im Labor erst gelungen, ein Sandfischimitat mit einer gerade einmal ein Quadratzentimeter großen Fläche herzustellen – für eine industrielle Verwertung müsste die künstliche Sandfischhaut aber mehrere Quadratmeter groß sein.


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