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Mysteriöse Untermieter des Menschen Eine keimfreie Welt macht krank

Stand: 23.11.2012 | Archiv

Krankheitserregendes Darmbakterium | Bild: picture-alliance/dpa

Die Bakterien in unserem Verdauungssystem lieben die Herausforderung. Sie wollen auf Trab gehalten werden, um im Ernstfall gegen Pathogene gerüstet zu sein.

Wie alles beginnt

Wenn ein Baby auf die Welt kommt, befinden sich in seinem Darm noch gar keine Bakterien. Denn im Mutterbauch wird ein Embryo über die Nabelschnur ernährt - der Magen-Darm-Trakt hat noch nichts zu tun. Verdauung müssen Neugeborene erst lernen. Da deshalb zunächst nur wenige Bakterien im Darm siedeln, sind Babys für Infektionskrankheiten besonders anfällig.

Das wiederum bedeutet aber nicht, dass um das Baby herum nun alles steril und keimfrei gehalten werden muss. Im Gegenteil! Es ist wichtig, dass Bakterien in den Verdauungstrakt gelangen, um eine gesunde Darmflora aufbauen zu können. Damit wird nach und nach das Immunsystem gestärkt: Der Körper kann seine Abwehrkräfte ausbilden.

Hygiene? Ja, aber in Grenzen!

Der Darm mit seiner Vielfalt und Unmenge an bakteriellen Bewohnern übernimmt also eine wichtige Rolle für unsere Immunabwehr. Doch das kann er nur, wenn er regelmäßig trainiert wird. Kommt er immer wieder in Kontakt mit Pathogenen, baut er den benötigten Schutz auf. In einer Welt, die immer sauberer und steriler wird, fehlt diese Herausforderung. So komisch das klingt: Eine weitgehend keimfreie Umgebung schwächt unsere Immunabwehr und führt damit zu schnelleren Erkrankungen, wenn pathogene Bakterien einziehen. Da hat man doch lieber jede Menge friedlicher Untermieter, die mit solchen Eindringlingen (meistens) gut fertig werden.

Dennoch sind nicht alle Hygienevorschriften über Bord zu werfen. Vor allem da, wo es viele Pathogene, also Krankheitserreger gibt, kann eine keimfreie Umgebung Leben retten. Zum Beispiel im Krankenhaus, wo viele Menschen mit offenen Wunden oder schwachem Immunsystem zusammen sind - und es gleichzeitig auch noch von Pathogenen wimmelt, ist sorgfältige Hygiene unerlässlich.

Gleiches gilt für die Küche: Wer mit rohen Lebensmitteln, vor allem Geflügel, Eiern, Fleisch oder Fisch zu tun hat, sollte unbedingt darauf achten, dass eventuelle Keime nicht in den Körper geraten. Das bedeutet: Arbeitsflächen und Hände nach dem Kontakt mit rohen Lebensmitteln immer gründlich reinigen.

Die einfachste Möglichkeit, sich gegen Krankheitserreger zu schützen ist Händewaschen. Mehrmals am Tag sollte Seife gründlich, also 20 bis 30 Sekunden zwischen den Händen, auch zwischen den Fingern verrieben werden. Dann die Hände unter fließendem Wasser abspülen und - ebenfalls wichtig - an einem sauberen Handtuch abtrocknen.

Impfung - ein Trainingsprogramm gegen Krankheitserreger

Eine Impfung ist letztlich nichts anderes als das gezielte Zuführen von Krankheitserregern - allerdings in abgeschwächter Form, schließlich soll die Impfung nicht krank machen. Dadurch können sich die Bakterien in unserem Körper auf diesen Erreger einstellen und sind im Ernstfall vorbereitet. Klappt auch das nicht, muss manchmal zum Antibiotikum gegriffen werden. Aber Vorsicht! Zwar vernichten diese Medikamente die Krankheitserreger, doch unterscheiden sie nicht zwischen schädlichen und nützlichen Bakterien im Körper. Etwa ein Drittel der Bakterien in der Darmflora werden zerstört. So absurd es klingt: Antibiotika können also, indem sie der Darmflora schaden, unser Immunsystem schwächen. Außerdem sind die Bakterien in unserem Körper dazu in der Lage, auch gegen Antibiotika resistent zu werden - also widerstandsfähig, unangreifbar. Deshalb dürfen diese Medikamente nur von einem Arzt verschrieben werden.


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