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Das Thema Die ersten Schritte der Annäherung

Stand: 10.09.2012 | Archiv

Die angeklagten Industriellen Friedrich Flick, Otto Steinbrinck, Konrad Kaletsch, Bernhard Weiß und Hermann Terberger in der Anklagebank während der Verhandlung vor dem Militärgericht im Nürnberger Justizpalast am 15. März 1947.  | Bild: picture-alliance/dpa

Vor allem im liberal-bürgerlichen und im sozialdemokratischen Milieu wächst in der Nachkriegszeit die Erkenntnis, dass man das monströse Erbe des NS-Verbrechens nicht verweigern darf. Die SS und ihre Helfershelfer mordeten im Namen des Staates, Einzelpersonen luden viel Schuld auf sich und es gab unzählige Mitwisser und Personen, die allzu bereitwillig wegsahen, wenn Juden drangsaliert wurden.

Verpflichtung zur Sühne

Politiker wie Konrad Adenauer (CDU) und Kurt Schmacher (SPD) wissen, dass die Nationalsozialisten einen tiefen Graben zwischen Deutschland und der Völkergemeinschaft ausgehoben haben und nun der Brückenschlag nötig ist. Sie verstehen, dass man die Shoah nicht einfach "aufarbeiten" kann. So ist schließlich von Wiedergutmachung die Rede. Anders als eine schlichte Entschädigung soll Wiedergutmachung auf moralischer, materieller und politischer Ebene stattfinden. 1949, am Jahrestag des Novemberpogroms von 1938 erklärt der eben erst zum Bundeskanzler gewählte Konrad Adenauer, dass Deutschland Wiedergutmachung " so weit wie dies nur möglich ist" leisten möchte.

Israel und die Bundesrepublik - Erste Sondierungen

Als der israelische Regierungschef David Ben Gurion mit seinem Versuch, über die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs Leistungen von Deutschland einzufordern scheitert, kommt es zu ersten deutsch-israelischen Geheimkontakten. Eine Vermittlerrolle spielt dabei der Jüdische Weltkongress (World Jewish Congress, gegründet 1936), eine internationale Vereinigung jüdischer Gemeinschaften und Organisationen. Hier gab es schon während des Zweiten Weltkriegs Überlegungen, Reparationen von Deutschland zu verlangen. 1950/51 bewegt man sich in einer völkerrechtlichen Grauzone: Die jüdischen Organisationen haben keinen völkerrechtlichen Status und den Staat Israel gab es zu Zeiten der Shoah nicht. Wie soll nun mit beiden deutschen Staaten verhandelt werden?

Bald wird klar, dass Israel seitens der Deutschen Demokratischen Republik nichts zu erwarten hat. Im "Arbeiter- und Bauernstaat" werden nur Bürger der DDR entschädigt, Kommunisten erhalten als antifaschistische Kämpfer Vorrang gegenüber verfolgten Juden. Außerdem betrachtet die Führung in Ostberlin die Reparationen an die Sowjetunion als ausreichende Wiedergutmachung. Im Westen signalisiert Kanzler Adenauer dagegen Gesprächsbereitschaft. Er weiß, dass er sich moralisch, innen- und außenpolitisch auf vermintes Terrain begibt.

Heftige Proteste in Israel

Im Januar 1951 debattiert die Knesset, Israels Parlament, über die Aufnahme direkter Verhandlungen mit der Bundesrepublik. Die Emotionen kochen hoch, Hardliner lehnen "Blutgeld" aus Deutschland ab. Menachem Begin (1913-92), dessen Eltern von den Nationalsozialisten ermordet wurden, trägt mit seiner Cherut-Partei den Protest auf die Straße und organisiert Demonstrationen. Für Begin ist "jeder Deutsche ein Mörder, Adenauer ist ein Mörder, alle seine Helfershelfer sind Mörder".

Adenauers Regierungserklärung

Am 27. September 1951 meldet sich Konrad Adenauer zu Wort und erkennt in einer Regierungserklärung die prinzipielle Verpflichtung Deutschlands gegenüber Israel an. Der Bundeskanzler betont, dass die Bundesregierung und die Mehrheit des deutschen Volkes um das Leid der Juden in Deutschland und den besetzten Gebieten wissen. Sie erkennen an, dass eine ungeheure Zerstörung jüdischer Werte stattfand. Wiedergutmachungsleistungen soll es geben, doch Adenauer verweist angesichts der Kriegsfolgen auf die Grenzen der deutschen Leistungsfähigkeit. Bewusst spricht der Kanzler von Verpflichtung, nicht von Gesamtverantwortung.

Der Publizist und Direktor der staatlichen Pressestelle Hamburg (1946-1954 und 1957-1964), Erich Lüth

Für die Weltöffentlichkeit ist die Regierungserklärung eine Überraschung, tatsächlich wurde sie eng mit Israel abgestimmt. Das Tor für direkte Verhandlungen ist damit geöffnet. Rückendeckung erhält Adenauer von führenden SPD-Politikern. Der Publizist Erich Lüth (1902-89) gründet die Aktion "Friede mit Israel", die mit einem Rundfunkappell für Aufmerksamkeit sorgt.

Im Dezember 1951 kommt es zu einem Geheimtreffen zwischen Adenauer und Nahum Goldmann (1895-1982), dem Vorsitzenden der Conference on Jewish Material Claims against Germany (JCC). Diese Organisation, die Ansprüche (claims) gegen Deutschland bündelt und erhebt, wurde gegründet, um auch den nicht in Israel lebenden Juden eine Stimme zu geben. Goldmann appelliert an Deutschlands Großzügigkeit, Adenauer macht ohne Absprache im Kabinett finanzielle Zusagen.


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