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Claus Schenk Graf von Stauffenberg Das Thema

Stand: 30.11.2009 | Archiv

"Es lebe das heilige Deutschland", sollen seine letzten Worte gewesen sein, oder hat Claus Graf Schenk von Stauffenberg vor seiner Erschießung in der Nacht zum 21. Juli 1944 gerufen: "Es lebe das geheime Deutschland" wie der Historiker Joachim Fest vermutet? Beide Zitate passen zum Leben und Ethos des ranghohen Militärs, der zum Widerstandskämpfer wurde, weil es ihm sein Gewissen befahl. Und weil er nicht länger ertrug, wie Adolf Hitler Menschen mordete und Deutschland zugrunde richtete und dazu auch das Militär missbrauchte. Denn zuallererst war "Stauff", wie ihn seine Freunde nannten, Soldat.

Sein Leben

Am 15. November 1907 kommt Claus Philipp Maria Graf Schenk von Stauffenberg in Jettingen in Bayerisch-Schwaben zur Welt. Eine militärische Karriere scheint vorgezeichnet. Die älteren Brüder wählen die Politik und Wissenschaft als Berufsfelder, Claus entscheidet sich für die Offizierslaufbahn in den Fußstapfen des Urgroßvaters August von Gneisenau. Die Brüder wurden in den Idealen der "alten Eliten" und zugleich nach den christlichen Grundsätzen der Nächstenliebe und Bescheidenheit erzogen. Die familiären Bindungen sind eng. Gegenüber seiner Frau Nina äußert Claus von Stauffenberg einmal, er betrachte es als die Gnade seines Lebens, "den besten Freund in meinem Bruder (Berthold) gefunden zu haben und dem größten Mann meiner Zeit (Stefan George) verbunden zu sein." In dem Dichter Stefan George, zu dessen Zirkel Stauffenberg seit den frühen 20er Jahren gehörte, fand er den Propheten eines "neuen Reiches" (so Georges letztes Buch), gebildet von einer geistig-seelischen Elite.

Seine Motive

Hatte Stauffenberg noch 1932 für Hitler statt für Hindenburg als Reichspräsident plädiert, änderte sich seine Einstellung schrittweise, spätestens jedoch seit 1938. Nach dem Blitzsieg über Frankreich 1940 sagte Stauffenberg über seinen obersten Dienstherrn: "Der Vater dieses Mannes war kein Kleinbürger. Der Vater dieses Mannes ist der Krieg." Eine ungewöhnliche Erkenntnis für einen Militär, noch dazu nach einem überaus gelungenen Feldzug. Stauffenbergs Kritik an Hitler zielte in zwei Richtungen: Er bemängelte die in seinen Augen dilettantische und verantwortungslose militärische Führung des Krieges durch Hitler und er lehnte die Besatzungspolitik in der Sowjetunion ab, die auf Unterdrückung statt auf Kooperation mit der Bevölkerung setzte. Auch die moralische Verstrickung als Täter belastete den sensiblen Stauffenberg. Die ersten Andeutungen, dass etwas unternommen werden müsse, machte er gegenüber seiner Frau Nina im Frühjahr 1943, als er nach einer schweren Verwundung im Lazarett genas. In den folgenden 15 Monaten steigerten sich die Überlegungen zur Gewissheit: „Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen“ – das wohl bekannteste Zitat von Claus Graf Schenk von Stauffenberg umreißt den Konflikt, in dem sich der Oberst im Generalstab (so sein letzter Dienstgrad) befand und über den er sich durch seine Tat hinwegsetzte.

Das Attentat

"Diese Detonation war so, als ob eine 15-cm Granate eingeschlagen habe: Da kann kaum noch jemand am Leben sein" – diese Einschätzung Claus von Stauffenbergs erwies sich als falsch. Obwohl der Besprechungsraum in der "Wolfsschanze", einem der Führerhauptquartiere bei Rastenburg (im heutigen Polen), völlig verwüstet wurde und vier der 24 Anwesenden tödlich verletzt wurden, überlebte Hitler mit nur ein paar Schrammen. Wie schon bei vielen Attentatsversuchen davor, kam der Zufall dem Diktator zu Hilfe. Wegen eines Termins mit Mussolini am Nachmittag ließ Hitler den Besprechungstermin eine halbe Stunde vorverlegen. Da die chemischen Zünder der zwei Ein-Kilogramm-Sprengstoffladungen nur zehn Minuten Spielraum bis zur Explosion gaben, drängte die Zeit. Stauffenberg gibt vor, das Hemd wechseln zu müssen und kann – behindert durch die fehlende Hand – nur einen Zünder scharf machen. Die zweite Sprengladung nimmt er aus der Tasche. Stauffenberg platziert die Aktentasche in Hitlers Nähe und verlässt unter einem Vorwand den Raum. Kurz vor der Detonation stellt ein Besprechungsteilnehmer die Tasche unter die Vertikalabstützung des schweren Eichentisches, der die Wucht der Explosion stark hemmt, während die Druckwelle durch die geöffneten Fenster entweichen kann.

Stauffenberg gelingt es, aus der Wolfsschanze zu entkommen. Er ist überzeugt von Hitlers Tod und fliegt nach Berlin. Im Berliner Bendlerblock, der Zentrale des politischen Widerstandes, gehen währenddessen unklare und widersprüchliche Meldungen ein: Ist der Anschlag geglückt? Was ist mit Stauffenberg? Lebt Hitler? Wichtige Zeit verrinnt während alle Beteiligten unsicher sind und sich abwartend oder unüberlegt verhalten. Die geplanten Sofortmaßnahmen kommen nicht zustande. Nach stundenlangen Diskussionen, fehlgeleiteten Telegrammen, chaotischen Telefonaten und sogar Schusswechseln erkennt der in das Attentat eingeweihte Generaloberst Friedrich Fromm die Ausweglosigkeit, schwenkt um und lässt fünf der sechs Hauptakteure - darunter auch Stauffenberg - kurz nach Mitternacht erschießen.

Die Folgen

Der Umsturzversuch gilt als letzte große innenpolitische Zäsur des NS-Regimes. Ihm folgt eine Terrorwelle: Bis Mitte September werden 55 Offiziere des Heeres aus der Wehrmacht ausgestoßen (die Voraussetzung dafür, sie vor den Volksgerichtshof zu stellen) und weitere 29 entlassen. 89 Menschen, die mit dem missglückten Attentat in Verbindung gebracht werden, werden im Verlauf des nächsten Jahres ermordet. Nachdem sich das Regime zunächst brüstete, die Drahtzieher dingfest gemacht zu haben, verliefen die Verhaftungen später diskreter: schließlich war es ja angeblich nur "eine ganz kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich verbrecherischer, dummer Offiziere", die laut Hitlers Radiobotschaft aus der Attentatsnacht den Anschlag verübt hatte. Die Angehörigen der Widerstandskämpfer werden in Sippenhaftung genommen, die Kinder in Heime entführt. Nina von Stauffenberg bringt im Januar 1945 ihre Tochter Konstanze in Haft zur Welt.

Der späte Ruhm

Nach einer ersten Würdigung von Tat und Tätern durch die spätere ZEIT-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff im Juli 1946 legte die Rezeptionsgeschichte erstmal eine längere Pause ein. Noch Mitte der 90er Jahre war das Attentat nur in Fachkreisen und zum immer wiederkehrenden Jahrestag ein Thema. Lag es am noch größeren zeitlichen Abstand oder an einer veränderten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit: erst anlässlich des 60-sten Jahrestags beschäftigten sich Kunstschaffende aller Sparten mit Stauffenberg und seinem Vermächtnis. Theaterstücke, Dokumentationen und Spielfilme erreichten ein breites Publikum und beleuchteten den historischen Stoff mal authentischer, mal melodramatischer. Der Journalist Matthias Lohre beklagt: "je populärer das Stauffenberg-Thema wird, desto mehr Verkürzungen und Pauschalierungen drohen." Wie stark die Ansichten über eine Gestaltung dieses Themas auseinander gehen, belegt die aktuelle Debatte über den Scientologen Tom Cruise als Stauffenberg-Darsteller, an der sich sogar Stauffenbergs Sohn Berthold in der Süddeutschen Zeitung beteiligt hat.

Doch auch auf andere Weise wird das Gedenken lebendig gehalten: Heute legen Rekruten im Bendlerblock (dem Berliner Zentralgebäude der Widerstandsbewegung um Stauffenberg) um ihren Eid auf die Verfassung ab, um zu verdeutlichen, dass "militärisches Handeln nicht für sich stehen kann, sondern nur im Dienste von Werten", so Peter Struck.


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