Bayern 2 - radioWissen


6

Das Thema Neue Krieger

Stand: 08.04.2013 | Archiv

Ein Reiterharnisch aus dem 16. Jahrhundert  | Bild: picture-alliance/dpa

Am Anfang war der Krieg: Im 8. Jahrhundert weitet das Frankenreich seine Herrschaft Zug um Zug aus. Um Angriffs- und Verteidigungszüge zu führen, ruft der König alle freien, wehrfähigen Männer des Volks zu den Waffen.

Das Vorspiel - Kaiser Karl und die Panzerreiter

Das Gros des Aufgebots stellen bäuerliche Fußtruppen, nur der Adel und vermögende Freie ziehen beritten in die Schlacht. Die expansive Dynamik und aggressive Gegner schaffen neue militärische Anforderungen: Gekämpft wird immer häufiger, an immer längeren Frontlinien, auf immer ferneren Schachtfeldern. Ungeübte Bauern, die das Kriegshandwerk nur nebenbei betreiben, die ihre Felder bestellen und die Ernte einbringen sollen, entsprechen nicht mehr dem gewandelten Bedarf.

Neue Krieger braucht das Land

Schon Karl Martell, der Großvater Karls des Großen, erkennt die Notwendigkeit einer militärischen Neuausrichtung. Die Streitmacht des Großreichs muss beweglicher und vor allem schlagkräftiger werden. Mit den fränkischen Panzerreitern baut er eine Truppengattung auf, die einen professionalisierten, zeitlich wie auch räumlich flexibleren Krieg ermöglicht. Im 9. und vollends im 10. Jahrhundert steigt das wachsende Kontingent der gepanzerten Reiterkrieger zur wichtigsten, zentralen Kampftruppe und Keimzelle des Rittertums auf.

Die Wehrverfassung entkoppelt Heer und Volk

Die Neuordnung des Militärwesens geht mit einer Reihe wichtiger Veränderungen einher. Da die Ausrüstung eines Panzerreiters erhebliche Mittel erfordert, ist der Zugang zum Reiterheer an Besitz gebunden. Nur Grundherrn mit entsprechendem Eigengut (Allod), Inhaber großer Lehen und Vermögende können für den Harnisch, die Pferde und den Helfertross aufkommen. Seit der Heeresreform Karls des Großen im Jahr 807 werden daher nur noch der Adel und voll wehrpflichtige freie Bauern, die eine gewisse Mindestmenge an Grund besitzen, zum Kriegsdienst aufgeboten. Den Schutz des Reichs und seiner nicht wehrfähigen Bewohner übernimmt anstelle des Volksheers nun eine Gruppe professioneller Krieger, die die in den lateinischen Quellen als militia, das heißt als Ritterschaft, greifbar ist.

Wechselspiel der Kräfte - Feudalismus und Rittertum

Den Kern der kriegführenden militia bilden zunächst die adligen Vasallen des Königs, deren Untervasallen und vermögende Freie. Nach und nach wird diese dünne Oberschicht durch meist freie, aber nicht adliger Reiterkrieger verstärkt, die ihre Ausgaben mithilfe eines Dienstlehens bestreiten. Die Belehnung mit einem Amt, einem Landgut oder anderen Einkünften garantiert, dass die milites uneingeschränkt für den Kriegsdienst verfügbar sind und die finanziellen Lasten aus eigener Kraft aufbringen können. Der für den Feudalismus typische Lehnsverband mit seinen wechselseitigen, eidlichen Verpflichtungen von Herrschaft und Dienst, Gehorsam und Entlohnung ist daher sowohl die rechtliche wie auch wirtschaftliche Grundlage der mittelalterlichen militia schlechthin.

Ein Kriegerstand macht Karriere

Da jeder Grundherr und Vasall verpflichtet ist, ein seinem Rang entsprechendes Reiterkontingent zu stellen und dafür seinerseits Lehnsmänner bedienstet, formt sich im Hochmittelalter eine aus dem Volk herausgehobene Kriegerschicht, für die sich ab der Mitte des 12. Jahrhunderts neben den lateinischen Begriffen militia und miles die mittelhochdeutschen Begriffe ritterschaft und ritter einbürgern.


6