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Die Räterepublik der Kommunisten

Die Münchner Räterepublik Die Räterepublik der Kommunisten

Stand: 05.11.2018

Freikorpssoldaten mit einem angeblichen Geiselmörder | Bild: picture-alliance/dpa

Am 12. April fordert Reichspräsident Friedrich Ebert die "Wiederherstellung des früheren Zustandes" in München. Berlin bietet der Bamberger Regierung Militärhilfe an, doch Ministerpräsident Hoffmann verfolgt eigene Pläne. In der Nacht vom 12. zum 13. April lässt er die ihm treu ergebene "Republikanische Schutztruppe" in München putschen. Die Soldaten verhaften einige Mitglieder des Zentralrats und besetzen den Bahnhof. Arbeitermilizen unter Führung des Matrosen Rudolf Egelhofer schlagen die Revolte jedoch nieder.

Nun drängen die Kommunisten an die Macht. Eine Versammlung der Betriebs- und Soldatenräte erklärt den Zentralrat für aufgelöst. Ein von Kommunisten dominierter Aktionsausschuss bildet die neue Regierung. Die Exekutive (Vollzugsrat) leitet der aus Russland stammende Berufsrevolutionär Eugen Leviné, ihm zur Seite steht der Baltendeutsche Max Lewien. Sarkastisch notiert Thomas Mann: "Wir haben eine Räteregierung à la russe".

Orientierung an Russland

Die neuen Herrscher handeln nach Lenins Vorgaben und ergreifen Sofortmaßnahmen zu Sicherung der Macht. Ein neuntägiger Generalstreik wird ausgerufen, Unternehmer müssen ihren Arbeitern den Lohn für die Streiktage bezahlen. Der Generalstreik soll der Arbeiterschaft Zeit geben, sich zu bewaffnen und eine "Rote Armee" zu bilden. Den Oberbefehl über die etwa 20.000 Mann starke Truppe übernimmt der Matrose Rudolf Egelhofer.

In einer Bekanntmachung an die Münchner heißt es: "Wer in Wort, Schrift oder Tat öffentlich gegen den Vollzugsrat, seine Organe und seine amtlichen Anordnungen auftritt, wird unverzüglich vor ein Revolutionstribunal gestellt und sofort abgeurteilt". Mit willkürlichen Verhaftungen, Hausdurchsuchungen, Plünderungen, Enteignungen, Presseverboten und Geiselnahmen setzen die Regierenden das Münchner Bürgertum unter Druck.

Am 16. April bittet Ministerpräsident Hoffmann Berlin um Hilfe. Verbunden mit massiver Propaganda läuft die Reichsexekution gegen die Räterepublik an. Reichswehrminister Gustav Noske (MSPD), der die Ereignisse in München als "Karneval des Wahnsinns" bezeichnet, lässt Truppen unter dem Kommando des Generals Ernst von Oven bereitstellen. Zusätzlich werden Freikorps (Freiwilligenverbände) angeworben. Dieser Streitmacht ist die "Rote Armee" Egelhofers nicht gewachsen.

Das Vorgehen gegen München darf man sich nicht etwa als Polizeiaktion vorstellen, sondern buchstäblich als Kriegshandlung. Eisenbahnzüge transportieren Truppen und Artillerie heran, drei Heeresgruppen mit den Ansatzpunkten Donauwörth, Ingolstadt und Regensburg werden gebildet, dann beginnt der Vormarsch. Am 20. April besetzen die kontrarevolutionären Verbände Augsburg.

Das Ende der Räterepublik

Ende April ist München eingeschlossen, Lebensmittel kommen nicht mehr in die Stadt. In der Räteregierung wachsen die Spannungen zwischen USPD-lern und Kommunisten. Der Literat Ernst Toller, der sich auch in der zweiten Räterepublik engagiert, rät zu Verhandlungen mit Bamberg und setzt die Wiederzulassung bürgerlicher Zeitungen durch. Eine Mehrheit der Betriebsräte spricht dem Vollzugsrat das Misstrauen aus, die Kommunisten verlassen den Aktionsausschuss.

Vermutlich auf Befehl Egelhofers werden am 30. April zehn Geiseln, darunter sieben Angehörige der rechtsextremen Thule-Gesellschaft, im Luitpoldgymnasium erschossen. Dieses Verbrechen der "Roten" wird zum Vorwand für die brutalen Übergriffe der "Weißen Armee" nach der Eroberung Münchens.

Am 1. Mai marschieren die "Weißen" in München ein. In den Vororten und in der Stadtmitte toben heftige Gefechte, Arbeiterinnen und Arbeiter leisten Widerstand. Am 3. Mai ist München erobert. Die Freikorps, denen eine Woche "Schießfreiheit" zugestanden wird, "machen Ordnung". In den ersten Maitagen sterben mehr als 600 Menschen, unter den Opfern sind viele Unbeteiligte. Gustav Landauer, Erziehungsminister der "Dichter-Räteregierung", und Rudolf Egelhofer, der Befehlshaber der "Roten Armee", werden gefangen genommen, misshandelt und erschossen.

Gnadenlose Rache der Sieger

Hunderte Männer und Frauen werden verhaftet, für das Politabenteuer der Räteherrschaft zahlen sie einen hohen Preis. Bayerische Gerichte verurteilen im Zusammenhang mit der Rätezeit 65 Angeklagte zu Zuchthaus, 1.737 zu Gefängnis und 407 zu Festungshaft. Der Schriftsteller Erich Mühsam wird zu fünfzehn, Ernst Toller zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Graf Arco, der Eisner-Mörder, wird 1920 zum Tode verurteilt, begnadigt und nach vier Jahren aus der Haft entlassen; die Richter würdigen seine Liebe zu Volk und Vaterland.

Bayern erlebt in der Folgezeit einen Rechtsruck ("Ordnungszelle"). Der Regierung, die im März 1920 gebildet wird, gehören keine Sozialdemokraten mehr an. München wird zum Sammelbecken republikfeindlicher Kräfte. Weil einige Anführer der Räterepublik jüdischer Abstammung sind, werden "die Juden" fortan von der rechten Propaganda für die Revolution verantwortlich gemacht.

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Kurt Eisner, 1918/19 bayrischer Ministerpräsident, mit seiner Gattin und dem bayrischen Minister Unterleitner in München. (Jan./Febr. 1919) | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema Die Münchner Räterepublik Bayern sozialistisch

Der Mord an Ministerpräsident Kurt Eisner versetzt Bayern in Schockstarre. Die Macht wabert in München umher - wer zugreift, hält sie in Händen. Im April 1919 proklamieren Revolutionäre eine Räterepublik. Ihr Ausgang ist blutig. [mehr]