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Streit um die politische Ordnung

Die Münchner Räterepublik Streit um die politische Ordnung

Stand: 05.11.2018

Bildung des Rats der Volksbeauftragten durch Philipp Scheidemann am 10.11.1918 (Hugo Haase, Otto Landsberg, Wilhelm Dittmann, Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann und Emil Barth) | Bild: picture-alliance/dpa

Die Novemberrevolution 1918 ist das Ergebnis einer spontanen Protestbewegung. Während der Militär- und Polizeiapparat des Kaiserreichs zusammenbricht, bilden die Aufständischen ohne zentrale Lenkung Arbeiter- und Soldatenräte. Solche Räte gab es bereits zu Zeiten der Commune de Paris, einem französischen Stadtstaat, der im Frühjahr 1871 republikanisch-sozialistische Reformen durchsetzte, bevor er in einem Blutbad unterging. Während der russischen Revolution im Jahr 1917 bewährten sich Räte beim Staatsumsturz.

Volksbeauftragte sollen regieren

Das Rätesystem beruht auf dem Ordnungsmodell der direkten Demokratie und geht auf Überlegungen zurück, politisch minderberechtigten Teilen der Bevölkerung ein Instrument zur Selbstorganisation und zur Mitbestimmung zu geben. Ziel ist die Herrschaft von Volksbeauftragen. Dazu wird "das Volk" in überschaubare Basiseinheiten (Wohnbezirk, Betrieb, militärischer Verband wie Regiment etc.) gegliedert. Basisversammlungen wählen einen Rat, mehrere Basisräte entscheiden sich für einen nächsthöheren Rat, schließlich steht ein Zentralrat an der Spitze der Räte-Pyramide. Die Räte üben gesetzliche und vollziehende Gewalt aus.

Parlamentarismus als Alternative

Dem Rätesystem steht während der deutschen Novemberrevolution das parlamentarische System gegenüber, das vom Bürgertum und den "Mehrheitssozialdemokraten" favorisiert wird. Es beruht auf dem Ordnungsmodell der repräsentativen Demokratie. Dabei überträgt das Volk die Wahrnehmung der politischen Macht auf freie Vertreter und danach auf Ämter und Instanzen. Volksvertretung ist das Parlament. Parteien bieten politische Kompetenz an und die Partei, die aus Wahlen als stärkste hervorgeht, bildet die Regierung; auch eine Koalitionsregierung ist möglich.

In Deutschland setzen sich 1918/19 gemäßigte Kräfte durch, die die Räte nur als Übergangslösung betrachten. So kommt es, dass Arbeiter- und Soldatenräte zwar Vertreter zum Berliner Rätekongress (16.-20. Dezember 1918) senden und der Bildung eines Zentralrats zustimmen. Doch der Rätekongress beschließt mit großer Mehrheit die Einberufung einer Nationalversammlung, die im Januar 1919 gewählt wird. Diesem Parlament tritt der Zentralrat die ihm übertragene Gewalt ab.

Kurzlebige Räterepubliken

Obwohl sich das Rätesystem als Machtinstrument in Deutschland nicht durchsetzen kann, versuchen Vertreter der extremen Linken Räterepubliken zu gründen, die allesamt binnen kurzer Zeit im Auftrag oder mit Rückendeckung der "Weimarer Koalition" (Regierung, die aus der Wahl zur Nationalversammlung hervorgegangen ist; Leitung Philipp Scheidemann, MSPD) militärisch niedergeschlagen werden. Räterepubliken gibt es in Cuxhaven, Mannheim, Braunschweig und Bremen. Einzig die Münchner Räterepublik kann sich einen Monat lang halten.

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