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Stand: 02.03.2020

Unterricht in einer Schulklasse | Bild: colourbox.com

Lebensbezug / Die Sendung im Unterricht

Am Beispiel des Kurfürstentums Mainz beleuchtet die Sendung wirtschaftspolitische Maßnahmen in der Zeit von Absolutismus und Merkantilismus (17./18. Jahrhundert). Sie gibt Einblicke in die Manufakturperiode, die die Industrialisierung maßgeblich vorbereitet. Betriebe wie die Spiegelmanufaktur Lohr zerlegen die Arbeit bereits in einzelne Bereiche, bilden Facharbeiter aus und beschleunigen, sofern staatliche Bevormundung nicht überhandnimmt, die Entwicklung des modernen Unternehmertums.
Neue soziale Verhältnisse entstehen, denn in der Manufakturperiode werden die Zünfte mehr und mehr zurückgedrängt. Manufakturarbeiter genießen manche Privilegien, aber wenn sie - wie in Lohr durch Quecksilbervergiftung - nicht mehr leistungsfähig sind, droht schnell der Absturz in die Armut. Hinzu kommt die organisierte Kinderarbeit in den Betrieben. Erste Ansätze zum späteren Industrieproletariat sind unübersehbar.
Aus Manufakturen werden im 19. Jahrhundert Fabriken mit betrieblicher Arbeitsteilung und Maschineneinsatz, in denen Massenproduktion an die Stelle der Handarbeit von Experten tritt. Das Luxusobjekt Spiegel wird so zum schlichten Gebrauchsgegenstand.

Wege der Handelspolitik
Nach dem Hören der Sendung lohnt es sich, eine wirtschaftspolitische Kontroverse näher zu beleuchten, die nicht selten mit ideologischer Verbissenheit geführt wird: Protektionismus oder Freihandel? Dabei dürfte deutlich werden, dass beide Instrumente Vor- und Nachteile haben und mit Bedacht eingesetzt werden müssen.
Unzählige Staaten beziehungsweise Staatenverbünde betreiben Protektionismus, um die heimische Wirtschaft oder einzelne ihrer Sektoren vor Konkurrenz von außerhalb zu schützen. Regierungen befürchten negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Lohnstabilität und Einkommensverteilung, wenn Importkonkurrenten allzu aktiv werden. Mit merkantilistischen Methoden wie der Errichtung von Zollschranken wollen sie ökonomische Erschütterungen und soziale Spannungen in Wirtschaftsbereichen, die durch Wettbewerber in Bedrängnis geraten, vermeiden.
So schirmt beispielsweise die Europäische Union ihre Landwirtschaft durch Zölle ab und fördert sie mit Subventionen. Geläufige Abschottungsmaßnahmen sind auch Mengenbeschränkungen für den Import bestimmter Waren und der Erlass technischer Vorschriften, die Einfuhren behindern. Kritiker des "Neomerkantilismus" betrachten sogar die Verkoppelung der Handelspolitik mit Menschenrechts-, ökologischen und politischen Forderungen an die Herkunftsländer als Sonderform des Protektionismus.
In den traditionell protektionistischen USA, wo eine Öffnung des riesigen Binnenmarktes seit jeher mit Skepsis gesehen wird, werden Politiker nicht müde, hohe Zölle zum Schutz der heimischen Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu verlangen - und, wie das Beispiel Donald Trump zeigt, zu verhängen. Abschottungsforderungen erheben auch zahlreiche Globalisierungsgegner.
Problematisch ist, dass von Zöllen betroffene Nationen ihrerseits Zölle einführen, Handelskriege drohen. Zudem führt Protektionismus in geschützten Branchen zu Verkrustungen und Effizienzverlusten, auch das Korruptionsrisiko steigt an.

Freihandel als Gegenmodell
Der Moralphilosoph Adam Smith (1723-1790) hat das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage untersucht und die Wirkungen eines freien Wettbewerbs als "unsichtbare Hand" beschrieben, die Angebot und Nachfrage so steuert, dass beide Seiten größtmöglichen Profit daraus ziehen. David Ricardo (1772-1823), ein Wirtschaftswissenschaftler, empfiehlt, das Prinzip der Arbeitsteilung auf Nationen zu übertragen: Jedes Land soll sich auf die Produktion der Güter und Dienste spezialisieren, die es zu relativ niedrigeren Kosten als andere Länder liefern kann. Dadurch wird der gesamte weltweite Output gesteigert, der Lebensstandard gehoben und der internationale Handel ist für die beteiligten Staaten eine Win-win-Situation.
Befürworter der Handelsliberalisierung plädieren daher für freien Güterverkehr ohne staatliche Einflüsse. Freie Importe, argumentieren sie, sichern eine größere Auswahl und niedrige Preise, zudem wird durch Konkurrenz die Qualität der Produkte gesteigert. Ungestörte Exporte stärken in erfolgreichen Ländern einzelne Industrien, sichern Arbeitsplätze, bringen Steuereinnahmen und haben damit einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen.
Dass der Freihandel auch Verlierer hervorbringt, gehört für seine Apologeten zum Spiel der Kräfte. Wenn beispielsweise die europäische oder amerikanische Stahlindustrie mit der chinesischen nicht mithalten kann, müssen die betroffenen Länder auf wettbewerbsfähigere Branchen umsteigen. Um die arbeitslos gewordenen Stahlarbeiter abzusichern und umzuschulen, scheint deshalb ein leistungsfähiger Sozialstaat unabdingbar – als wichtige Funktionsbedingung für den freien Welthandel.
Problematisch ist, dass das Ideal des Freihandels auf der Annahme basiert, dass Inlandsmärkte flexibel auf Angebot-Nachfrage-Veränderungen reagieren und Wirtschaftszweige, die durch ausländische Konkurrenz ins Hintertreffen geraten, sich mit hoher Anpassungsgeschwindigkeit umorientieren. Doch wie schwer es ist, einen Strukturwandel zu bewältigen, zeigt in Deutschland ein Blick auf das Ruhrgebiet.

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Gebäude des Lohrer Manufakturbetriebes. Zeichnung um 1800 | Bild: BR zum Thema Vergiftet am Arbeitsplatz um 1770 Philipp Anton Herrmann

Der Absolutismus ist eine gesamteuropäische Erscheinung des 17. und 18. Jahrhunderts. Könige und Fürsten richten die Länder auf ihren gesteigerten Herrschaftswillen aus. Die Wirtschaft begreifen sie als Staatsangelegenheit. [mehr]