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Das Thema Die Schönheitskönigin

Stand: 06.09.2013 | Archiv

Elizabeth Taylor als Kleopatra | Bild: picture-alliance/dpa

Als Kleopatra geboren wird, ist das Ptolemäerreich längst von Rom abhängig. Kommt es in der Nilregion zum Machtgerangel, suchen die jeweiligen Streitparteien Unterstützung bei einflussreichen Senatoren oder Feldherren. Diese belassen Ägypten schon deshalb in einem halbwegs autonomen Zustand, weil das Land als römische Provinz einen Statthalter unendlich reich machen und ihm beträchtliche Vorteile im Politikbetrieb verschaffen würde. Mit anderen Worten: Kein römischer Politiker gönnt dem anderen Ägypten. Kleopatras Vater, Ptolemäus XII., muss um das Jahr 60 aus Ägypten fliehen, als innere Unruhen ausbrechen. Er begibt sich nach Rom, besticht Caesar und Pompeius und bald wertet ihn der Senat als "Freund und Bundesgenossen des römischen Volkes" auf.

Kleopatra im Spiel der Kräfte

Auch Kleopatra muss sich auf das Spiel einlassen, wenn sie den Ptolemäerstaat erhalten bzw. seine Position verbessern möchte. Die große Herausforderung besteht darin, auf die richtigen Personen zu setzen. Aus heutiger Sicht scheinen die Aktivitäten der Königin durchdacht; mit ein wenig mehr Fortune wäre sie nicht gescheitert. Aktion Nr. 1 ist zunächst erfolgreich. Caesar, der große Staatsmann und geniale Feldherr - in den Augen des legendären Althistorikers Theodor Mommsen (1817-1903) ist er gar ein "Universalgenie" - lässt sich auf eine Liaison ein. Ein Sohn, Ptolemäus Kaisar, kommt zur Welt. Was Caesar, zeitlebens ein rational handelnder Realist, tatsächlich mit Kleopatra vorhat, wissen wir nicht, aber die Basis für eine tragfähige Souveränität Ägyptens ist geschaffen. Die Ermordung Caesars ist für Kleopatra ein schmerzlicher Rückschlag. Aktion Nr. 2 lässt sich ebenfalls gut an. Marcus Antonius, der Herr der östlichen Hälfte des Römischen Reichs, verliebt sich in sie. Als er zwischen seiner Frau Octavia und Kleopatra wählen muss, fällt die Entscheidung zugunsten der Königin Ägyptens. Teile seines Einflussbereichs unterstellt er Kleopatra. Es kommt zu einer Doppelherrschaft, die in Rom mit Misstrauen beäugt wird. Eine römisch-ägyptische Dynastie wäre im Falle eines Sieges bei Actium in greifbare Nähe gerückt. Nach dem Suizid des Antonius hat Kleopatra kaum mehr Handlungsspielraum. Aktion Nr. 3 zielt darauf ab, das Leben ihrer Kinder zu retten und die Herrschaft in Ägypten zu erhalten. Doch der Sieger Octavianus, ein nüchterner Pedant, hat - abgesehen davon, dass er sie als Beute zum Triumphzug nach Rom mitnehmen möchte - kein Interesse an der mittlerweile 39-jährigen Königin. Schon um seine Veteranen zu versorgen, braucht er die Reichtümer einer künftigen Provinz Ägypten. Zudem will er der Welt beweisen, dass er, Caesars Großneffe, der wahre Erbe des Imperators ist. Ptolemaios Kaisar steht ihm dabei im Weg, sein Tod ist beschlossene Sache. Kleopatra begeht Selbstmord.

Problematisch ist für Kleopatra, dass sie nicht versteht, wie Rom "tickt". Als Herrscherin Ägyptens sieht sie sich der Nachfolge Alexanders des Großen und als Repräsentantin einer Jahrtausende alten Hochkultur. Das protzig-luxuröse Auftreten mag in ihrer Welt standesgemäß sein, in Rom, wo Teile der Eliten noch den Ideen des längst ausgehöhlten republikanischen Gemeindestaates nachhängen, sorgt es für Irritationen. Auf Unverständnis stößt auch, dass sie sich als Göttin verehren lässt, eine unverblümt dynastische Politik betreibt und ihren Sohn als Erben Caesars zu platzieren versucht. Der berühmte Redner M. Tullius Cicero (106-43) sagt "Ich hasse sie" und spricht aus, was nicht wenige Römer empfinden. So fällt die Propaganda des Octavianus auf fruchtbaren Boden, Kleopatra wird zur Staatsfeindin stilisiert.

Das Faszinosum Kleopatra

Das Bild, das sich die Nachwelt von Kleopatra macht, wird lange Zeit von der Propaganda des Octavianus geprägt, in dessen Dienst Dichter wie Horaz stehen. Kleopatra ist die wollüstig-laszive Verführerin, die in Essig gelöste Perlen trinkt und in Eselsmilch badet. Zwei Staatsmänner fallen der männermordenden Luxus-Nymphomanin aus dem Orient zum Opfer, nur Octavianus kann sich beherrschen. Quer durch die Jahrhunderte regt Kleopatra die Phantasien unzähliger Männer an. "Ihre Person und ihr Name", betont der Historiker Manfred Clauss, "gerieten zur Chiffre für die Träume wie Alpträume der Männer aller Zeiten". Shakespeare ("Antony and Cleopatra") beschäftigt sich mit der Femme fatale vom Nil, Maler wie Hans Makart und Arnold Böcklin verewigen sie. In einem Film aus dem Jahr 1934 wird sie von Claudette Colbert verkörpert, 1945 spielt Vivien Leight die Kleopatra. Unvergessen ist Liz Taylor mit blau-schwarzem Augen-Make-Up in der aufwendigen Verfilmung von Joseph L. Mankievicz. Erst in jüngster Zeit wird die Glamourkönigin auch unter feministischem Blickwinkel betrachtet.


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