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Das Thema Die Psyche des Täters

Stand: 16.04.2013 | Archiv

Eine ehemals als "Brauseraum" getarnte Gaskammer, Dachau | Bild: picture-alliance/dpa

Zeitlebens sah sich Himmler als Idealist. Obwohl ihm die Offizierslaufbahn in jungen Jahren versagt blieb, betrieb er eine permanente Selbststilisierung zum Soldaten.

Annäherung an die Psyche eines Massenmörders

Im Dauereinsatz für das deutsche Volk kannte er keine Skrupel, Mitgefühl war ihm fremd. Sein Biograf Peter Longerich attestiert ihm Bindungsschwäche und sieht deutliche Anzeichen einer Affektvermeidung: Gefühlserlebnissen und zwischenmenschlichen Situationen mit starken Gemütserregungen versuchte er, sich zu entziehen. Die Neigung zur Selbstkontrolle war bei Himmler, einem langjährigen Tagebuchschreiber, stark ausgeprägt.

Eine ehemals als "Brauseraum" getarnte Gaskammer, KZ Dachau

Gegenüber SS-Angehörigen präsentierte sich Himmler als "Kontrollfreak". In Karteikarten waren unzählige Details über seine Mitarbeiter vermerkt. In der Art eines pedantischen Oberlehrers erteilte er Ratschläge zur Partnerwahl, gab Schminktipps für Ehefrauen und rügte SS-Führer bei übermäßigem Alkoholkonsum. Für die Aus- und Weiterbildung und die weltanschauliche Schulung seiner Männer entstanden "Ordensburgen". Himmlers Ideologie setzte sich aus den Bausteinen Nationalismus, Antisemitismus, Slawophobie und Germanenkult zusammen. Zusätzlich enthielt seine Gedankenwelt allerlei okkulte Einsprengsel.

Hinter vorgehaltener Hand wurden Himmlers neuheidnische Anwandlungen eher belächelt. Männer wie Joseph "Sepp" Dietrich (1892-1966), ein zum SS-Generaloberst aufgestiegener Weltkrieg-1-Feldwebel, Militärs wie Paul Hausser (1880-1972) und Felix-Steiner (1896-1966) oder NS-Intellektuelle wie Werner Best, ranghoher SS-Führer, Jurist und Reichsbevollmächtigter für das besetzte Dänemark, dürfte Himmler mit seiner Germanenschwärmerei kaum beeindruckt haben. Doch solange er ihre Karrieren vorantrieb, konnte er der Unterstützung sicher sein.

Der SS-Chef sprach viel von "Anständigkeit" und "Sauberkeit". Gegen Massenmord zur Schaffung einer neuen, germanischen Welt, hatte er nichts einzuwenden. Sich dabei zu bereichern - was SS-Führer wie der KZ-Kommandant Karl Koch hemmungslos taten - hielt er für verwerflich. Und als er schließlich selbst "unanständig" wurde, seine Privatsekretärin Hedwig "Häschen" Potthast zur Geliebten nahm und mit ihr zwei Kinder zeugte, fand er schnell eine Erklärung für sein Verhalten. Er habe sich an der (angeblichen) "Friedelehe", der Zweitehe gutrassiger Germanen, orientiert. Gegen uneheliche Geburten gab es in der SS fortan nichts mehr einzuwenden.


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