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Frauenrechte in BRD und DDR Glossar

Stand: 09.05.2016 | Archiv

PersonenWerdegang
Juchacz, Marie
(1879-1956)
Marie Juchacz kam als Tochter eines Zimmermanns in Landsberg an der Warthe (heutiges Polen) zur Welt. Juchacz arbeitete unter anderem als Dienstmädchen und Fabrikarbeiterin, bevor sie eine Lehre zur Schneiderin absolvierte. 1908 trat sie der SPD bei und wurde bald zu einer gefragten Rednerin bei Versammlungen. Als eine von 37 Frauen wurde Marie Juchacz 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt und hielt dort am 15. Juli 1919 als erste Parlamentarierin nach der Erlangung des Frauenwahlrechts eine Rede. Im Dezember 1919 gründete sie die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und war bis 1933 deren erste Vorsitzende. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten und der erzwungenen Selbstauflösung des AWO floh Juchacz zunächst nach Frankreich und emigrierte später über Martinique in die USA. 1949 kehrte sie aus dem Exil nach Deutschland zurück.
Selbert, Elisabeth
(1896-1986)
Elisabeth Selbert kam als Martha Elisabeth Rohde in einer christlich geprägten Familie zur Welt. Aufgrund beschränkter finanzieller Mittel konnte sie sich den Traum, Lehrerin zu werden, nicht erfüllen. 1918 trat sie in die SPD ein und wurde von Philipp Scheidemann ermuntert, sich politisch zu betätigen. Im Selbststudium holte sie das Abitur nach und studierte als einzige Frau an der Universität Marburg Rechts- und Staatswissenschaften. 1930 promovierte sie mit dem Thema »Zerrüttung als Ehescheidungsgrund«. In ihrer Arbeit kritisierte sie das Verschuldensprinzip und forderte die Einführung des Zerrüttungsprinzips. Damit war Selbert ihrer Zeit weit voraus - ihre Vorschläge wurden erst 1977 in der Eherechtsreform umgesetzt. Im Dritten Reich arbeitete sie als Anwältin und wurde nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft in den Parlamentarischen Rat gewählt, der die Aufgabe hatte, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland zu erarbeiten. Ihr Vorschlag, die Formulierung »Männer und Frauen sind gleichberechtigt« in das Grundgesetz aufzunehmen, wurde zuerst von einer Mehrheit des von Männern dominierten Rates abgelehnt. Erst durch eine von ihr initiierte Öffentlichkeitskampagne wurde der Grundsatz der Gleichberechtigung ins Grundgesetz aufgenommen. Sie war eine der vier »Mütter des Grundgesetzes«.
BegriffeErklärung
Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1977)Das erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts aus dem Jahr 1976 wurde unter der sozialliberalen Koalition von Bundeskanzler Helmut Schmidt verabschiedet. Es trat am 1. Juli 1977 in Kraft. Das Gesetz ersetzte das Leitmodell der sogenannten Hausfrauenehe durch das partnerschaftliche Prinzip. Bisher konnte eine Ehefrau nur berufstätig sein, wenn dies mit den Interessen ihres Ehemanns und der Familie vereinbar war. Außerdem reformierte das Gesetz das Scheidungsrecht. Hatte bisher das Verschuldensprinzip gegolten, wurde dies nun durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt. Das Verschuldensprinzip hatte vorgesehen, dass der Ehepartner, der maßgeblich am Scheitern der Ehe schuld war, dem Ehepartner und den gemeinsamen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig war. Das Zerrüttungsprinzip sah nun vor, dass der wirtschaftlich stärkere Partner den wirtschaftlich schwächeren Partner unterstützen musste.
Gleichberechtigungsgesetz (1958)Nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes widersprachen viele Gesetze der nun verfassungsrechtlich verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau in Artikel 3. Eine grundsätzliche Reform des überlebten, traditionellen Familienrechts, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammte, war nun notwendig. Das Grundgesetz legte eine Frist bis zum 31. Mai 1953 fest, um die Reformen umzusetzen. Dennoch dauerte es bis zum 18. Juni 1957, bis das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet wurde, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat. Unter anderem regelte es, dass Frauen das Vermögen, das sie in die Ehe einbrachten, nun selbst verwalten konnten. Bisher durften nur die Männer über das Vermögen der Frau verfügen. Außerdem wurden die väterlichen Vorrechte bei der Kindererziehung eingeschränkt und das alleinige Entscheidungsrecht des Ehemanns in allen Eheangelegenheiten gekippt. Das Gleichstellungsgesetz zementierte allerdings auch die sogenannte Hausfrauenehe, denn die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabenteilung in der Gesellschaft blieb erhalten - die Frau war für den Haushalt zuständig, der Mann für den Erwerb.
Lehrerinnen-ZölibatNach einem Ministererlass aus dem Jahre 1880 durften Frauen in Deutschland, die im Staatsdienst standen, nicht verheiratet sein. Diese Vorschrift bezeichnete man als Beamtinnen- oder Lehrerinnen-Zölibat, da der Beruf der Lehrerin einer der wenigen war, der zur damaligen Zeit Frauen offen stand. Sobald eine Lehrerin heiratete, verlor sie sowohl ihre Stellung als auch ihren Anspruch auf ein Ruhegehalt. Die Vorschrift muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass man damals Frauen die Doppelbelastung aus Beruf und Familie nicht zutraute. In der Weimarer Verfassung von 1919 wurde der Beamtinnen-Zölibat aufgehoben, nur um wenige Jahre später wieder eingeführt zu werden. Erst am 10. Mai 1957 hob das Bundesarbeitsgericht den Lehrerinnen-Zölibat auf, mit dem Hinweis auf die Unvereinbarkeit der Vorschrift mit dem Grundgesetz.
Paragraf 218Der Paragraf 218 des seit der Gründung des Deutschen Reichs 1871 gültigen Strafgesetzbuches sah die Bestrafung eines Schwangerschaftsabbruchs mit einer Geld- oder Gefängnisstrafe vor. Ein Vorstoß zur Liberalisierung des Paragrafen in der Weimarer Republik scheiterte. Erst in den 1970er Jahren setzte in Deutschland eine Bewegung ein, die unter dem Schlagwort »Mein Bauch gehört mir« die sexuelle Selbstbestimmung der Frau thematisierte. Die Proteste richteten sich vor allem gegen das Abtreibungsverbot. 1974 wurde durch die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das eine Fristenlösung vorsah und eine Abtreibung durch einen Arzt in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft erlaubte. Ein Jahr später erklärte das Bundesverfassungsgericht diese Fristenlösung für verfassungswidrig, woraufhin der Gesetzgeber 1976 den Schwangerschaftsabbruch auf der Grundlage eines Indikationsmodells einführte. Danach blieb ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich verboten, bei schwerwiegenden Konfliktfällen aufgrund bestimmter Indikationen war er jedoch zulässig. Das bis heute gültige Gesetz aus dem Jahr 1995 ist eine Kombination des Indikations- und des Fristenmodells.

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