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Aufklärung hilf!

Ja, so sans? Aufklärung hilf!

Stand: 07.05.2018

Pilgerzug bei Maria Eck in Siegsdorf, Chiemgau | Bild: picture-alliance/dpa

1781 veröffentlicht der Berliner Verleger und Publizist Friedrich Nicolai ein Buch, das nicht nur zahlreiche Nachahmer inspiriert, sondern die Außenwahrnehmung des "Bayerischen Volkscharakters" nachhaltig prägt. Streckenweise liest sich seine Reiseschilderung "Unter Bayern und Schwaben" wie der Aufguss jener Merkmale, die Aventinus seinen Landsleuten bereits 200 Jahre früher zugeschrieben hatte. Fasst man die negativen Wesenszüge zusammen, sind Nicolais Bayern aufbrausende, reizbare, derbe, streit- und vergnügungssüchtige, abergläubische, verfressene, versoffene, faule, ungebildete "rauhe Naturburschen, voller Trieb, voller Kraft". Vollends an Aventins berühmte Schilderung erinnert die Charakterisierung des "gemeinen Mannes. Er zeigt eine ausgesprochene Vorliebe für Volksfeste, Wallfahrten und andere "lautstarke Vergnügungen". Daher gibt es für ihn "nichts Schöneres als bei einer lärmenden Unterhaltung im Wirtshaus den Bierkrug zu schwingen. Da wird dann viel geschwatzt, und man führt freche und freie Reden."

Innen pfui, außen auch

Das ewige Karteln, Trinken, Schmausen und Wirtshaushocken sorgt für eine eher barocke Leibesbeschaffenheit. Vor allem bei den Mannsbildern. Runde Köpfe und Bierwänste dominieren, eine "dumpfe Bigotterie" verbreitet "unauslöschlich einen gewissen stumpfen und gedankenlosen Zug über alle Gesichter", eine himmelschreiende Unwissenheit, "die beständige Begleiterin des Aberglaubens, ist in allen Ständen in unglaublichem Ausmaß vorzufinden".

Nicht dumm geboren, aber dumm gehalten

Die Ursache des umfassenden körperlichen, seelischen, geistigen, moralischen und politischen Elends, unter dem Land und Leute leiden, steht für Nicolai außer Zweifel: "Kein einziges Land in Deutschland wird vom Klerus so sehr bevormundet wie Bayern […]. Die Geistlichkeit führt das Land seit Jahrhunderten am Gängelband und hält nicht nur den gemeinen Mann, sondern auch die jungen Adeligen, mit denen die wichtigsten Ämter im Land besetzt werden, in Unwissenheit." Die Bayern sind also nicht von Natur aus dumm, sie werden nur dumm gehalten. Schuld ist der Klerus, und am Übelsten treiben es natürlich die Jesuiten. Sie haben "bei Hofe und auf dem Lande noch immer den allergrößten Einfluss, und im Grunde geschieht nichts, was sie nicht wollen." Die Folgen dieser geistlichen Dauerindoktrination sind allenthalben sichtbar: "Alle Einwohner aber ergeben sich in übertriebener Weise mechanisch ablaufenden Andachtsübungen. Bruderschaften, Prozessionen Wallfahrten, Litaneien, Gnadenbilder, Amulette, Ignazbleche, Skapuliere, geweihte Kerzen und was der Fratzen mehr sind, werden von allen Ständen hoch geehrt."

Brauchbare Bürger als Aufklärungsziel

Aber das muss nicht immer so bleiben. Man muss, so folgert und fordert Nicolai, diesem Volk nur Lust auf die Aufklärung machen. Wenn man die Bayern "nur mit Verstand auf ihre eigene Art behandeln würde", wenn man sie recht leiten würde, ließen sich aus diesen "Naturburschen, voller Trieb, voller Kraft" gewiss "sehr brauchbare Bürger machen". Denn in einem "solchen Volk könnte der Samen der Aufklärung bestimmt viel besser gedeihen als bei einer verzärtelten und weichlichen Nation, die zwar viel mehr sinnliche Politur hat, der es aber an freimütigem Denken fehlt."

Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

Allzu viel Vertrauen in den Erfolg seiner Bayernbekehrung hat der Missionar aus dem Norden allerdings nicht. Denn es gibt ein Hindernis, das sich nicht so einfach aus der Welt schaffen lässt. Die Bayern haben es nämlich gar nicht so eilig damit, brauchbare Bürger zu werden. Sie sind nicht nur unerzogen, sie sind auch noch stolz darauf: "So, wie sie sind, wollen sie auch bleiben, und dieser Stolz verdeckt manche gute Seite an ihnen."

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