Bayern 2 - radioWissen


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Der große Schritt nach vorne Glossar

Stand: 27.04.2015 | Archiv

BegriffeErklärung
FinanzreformDie Finanzsituation im neuen Königreich Bayern ist angespannt. Zum einen drücken Altschulden der Vorgängerregierung, zum anderen hat sich Bayern gegenüber Frankreich zur Heeresfolge verpflichtet und muss eine schlagkräftige Armee aufbauen. Bei den Verhandlungen über die territorialen Neuerwerbungen mussten hohe Bestechungssummen an Vermittler und Entscheidungsträger in Paris gezahlt werden. Um die Abgaben an den Staat in den alten und neuen Provinzen zu vereinheitlichen, verordnet die Regierung Montgelas 1808 eine Steuerreform, beauftragt eine Landesvermessungskommission mit der Erstellung eines Grundsteuerkatasters und regelt das Salinen-, Berg-, Forst- und Zollwesens neu. Außerdem übernimmt der Staat den Postbetrieb, der bislang in den Händen des Hauses Thurn und Taxis lag.
Mediatisierung(lat. medius = mittleres) Kleinere Reichsstände (reichsunmittelbare Städte, kleine weltliche Herrschaften) werden als politische Einheiten beseitigt und im frühen 19. Jahrhundert Ländern wie Bayern zugeschlagen. Statt des Kaisers ist nun der jeweilige Landesfürst Herr dieser Territorien.
MilitärreformAls Mitglied des Rheinbundes muss Bayern dem französischen Kaiser Truppen zur Verfügung stellen. Die Generäle Carl Philipp von Wrede, Johann Nepomuk von Triva und Bernhard Erasmus von Deroy organisieren das Heer, das bis 1805 keine echte Streitmacht, sondern eher eine Straf- und Besserungsanstalt für Gauner ist, neu. Als Vorbild dient die Volksarmee der Franzosen. Ziel der Reformer ist die Einführung eines allgemeinen Rekrutierungssystems, jeder Bayer soll wehrpflichtig sein. Durch allerlei Ausnahmen (unter anderem für Adelige, Handwerksmeister, Fabrikanten) wird die allgemeine Wehrpflicht jedoch unterhöhlt.
ReichsdeputationshauptschlussAuf Druck Napoleons wird Deutschland 1803 territorial neu geordnet. Schon seit dem Friedensschluss von Lunéville (1801) steht fest, dass Frankreich das linke Rheinufer annektiert. Die betroffenen deutschen Territorialfürsten sollen jedoch für Gebietsverluste "entschädigt" werden. Die Zeche zahlen geistliche Territorien und kleine weltliche Herrschaften, sie werden nach dem Beschluss eines Reichstagsausschusses "säkularisiert" beziehungsweise "mediatisiert". Bayern muss zwar auf kurpfälzische Gebiete verzichten, erhält aber unter anderen die Hochstifte Freising, Augsburg, Bamberg und Würzburg, Teile von Eichstädt und Passau sowie Reichsabteien wie Kaufbeuren, Kempten, Memmingen und Nördlingen. Auch die Klöster innerhalb des Territoriums werden dem Landesherrn zur Verfügung gestellt. Dieser Gebietszuwachs ist beträchtlich. Mit Schwung treibt Montgelas, der federführende Staatsminister, in den kommenden Jahren die Modernisierung Bayerns voran.
ReichsständeSeit dem Mittelalter werden gesellschaftliche Gruppen, die sich als Einheit verstehen, als Stände bezeichnet. Reichsstände nennt man die Glieder des Deutschen Reiches (bis 1806), die Sitz und Stimme in einem der drei Kollegien des Reichstags (Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat, Stadtkollegium) haben. Die Reichsstände müssen an den Reichstagen teilnehmen, Truppen für das Reichsheer bereitstellen und die vom Reichstag bewilligten Reichssteuern aufbringen.
Rheinbund1806 verlassen 16 deutsche Reichsstände das Heilige Römische Reich Deutscher Nation und schließen sich im Juli zum Rheinbund zusammen. Der Rheinbund, bestehend aus süd- und westdeutschen Staaten, ist frankreichorientiert, Napoleon ist sein Protektor. Die Mitglieder des Rheinbundes verpflichten sich, Napoleon Truppen zur Verfügung zu stellen, Bayerns Anteil beträgt 30.000 Mann. Die Herrscher der Rheinbundstaaten verwalten ihre Gebiete souverän, durch Mediatisierung können sie die Territorien, wie Bayern in Franken und Schwaben, erheblich erweitern. Damit ist die Auflösung des alten Reiches besiegelt, der deutsche Kaiser Franz II. legt im August die Krone nieder.
Säkularisation(lat. saecularis = weltlich) Geistliche Herrschaftsgebiete und Kirchengut werden in weltlichen Besitz überführt, also zwangsweise enteignet. In Bayern sind durch das rigorose Vorgehen der Regierung Montgelas Klöster und Stifte, deren kulturelle und wirtschaftliche Funktionen man ignoriert, in besonderem Maße betroffen. Zahlreiche Kunstwerke werden zerstört, das religiöse Empfinden des Volkes ist vielerorts tief verletzt.
SchulreformIm Dezember 1802 wird in Bayern die Allgemeine Schulpflicht für Kinder zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr beschlossen. Die Sonntagsschule wird eingeführt, neue Lehrerbildungsanstalten sollen das Niveau der Lehrkräfte erhöhen. Die Volksschule büßt - zumindest vorübergehend - ihren konfessionellen Charakter ein.

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