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Die Schwierigkeit des aufrechten Gangs

Zivilcourage Die Schwierigkeit des aufrechten Gangs

Stand: 16.03.2017

Strichmännchen mit nichts hören, sehen und sagen | Bild: colourbox.com

Es kann überall passieren. Auf dem Pausenhof, im Klassenzimmer, unter Freunden, im Club, in der U-Bahn: Wir werden Zeugen einer Pöbelei, eines Angriffs, einer Bedrohung, einer Demütigung oder eines Unrechts. Das Gewissen regt sich. Wir wissen, dass wir einschreiten sollten, aber wir tun es nicht. Warum? Was hält uns davon ab, Zivilcourage zu zeigen? Warum stehlen wir uns aus der Verantwortung?

Die einst übermächtigen Angstgegner der Zivilcourage liefern keine Ausrede mehr. Wir leben in einem Rechtsstaat, der obrigkeitliche Willkür ausschließt. Wir müssen nicht fürchten, für das Bekenntnis unserer Überzeugungen eingesperrt zu werden. Die Machtbefugnisse von Vorgesetzten und Lehrern sind beschränkt. Wieso ist Zivilcourage trotzdem ein derart rares Gut.

Nur nicht auffallen, um keinen Preis!

Eine Antwort liegt vielleicht im Konformitätsdrang, in der Angst, allein dazustehen, allein gegen eine Mehrheit anzutreten, auffällig zu werden und den Schutz der Anonymität einzubüßen. Das hier waltende Prinzip ist simpel und zeigt sich beispielhaft am Kleiderschrank: Wir tragen das, was die Mehrheit trägt, wir tragen, was angesagt und durch massenhafte Wiederholung als "das Übliche" beglaubigt ist. Verstöße gegen diesen Konformitätszwang werden mit schiefen Blicken, Getuschel, Gelächter und Absonderung geahndet.

Zivilcourage als Kultur der Ermutigung

Im Grunde suchen die meisten von uns Deckung in der Mehrheit, in der Masse, im moralischen, ästhetischen und emotionalen Mainstream. Wir sind sozial-harmoniesüchtig. Wir werden durch Erwartungshaltungen und Konformitätszwänge gesteuert. Wir haben das Mehrheitsverhalten als vernünftige Ideallinie, als effiziente Norm und Richtschnur so sehr verinnerlicht, dass es uns schwer fällt, aus der Reihe zu tanzen und alleine zu stehen. Aber genau das braucht es. Zivilcourage braucht den Mut, den Schutz der eigenen Unsichtbarkeit preiszugeben. Diese Bereitschaft müssen wir im Elternhaus, in der Schule, im Beruf und in der Gesellschaft trainieren, wenn sie uns im Bedarfsfall verfügbar sein soll.

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