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Sprache macht Kauflust

Die Metapher Sprache macht Kauflust

Stand: 20.03.2018

Bier wird in ein Glas eingeschenkt | Bild: picture-alliance/dpa

Unser Gehirn arbeitet hochvernetzt. Ständig verknüpft es im Hintergrund alles, was wir gewöhnlich für gesondert halten und fein säuberlich in Kategorien wie Körper, Psyche, Ratio und Geist aufdröseln. Mit diesen von uns geschaffen Schranken und systematischen Zerlegungen nimmt es das Hirn nicht allzu genau. Es arbeitet lieber grenzüberschreitend und vor allem ohne die lange Zeit als gegeben angenommene Leib-Seele-Teilung. Darum sind die auf Sprachverarbeitung spezialisierten Gehirnregionen auch nie isoliert in geistiger Abschottung tätig, sondern stets mit Arealen verbunden, die unsere motorischen, sensorischen und emotionalen Aktivitäten steuern. Metaphern sind daher nicht nur bloße Sprachäußerungen, sondern immer auch Affekt-, Bewegungs- und Handlungsträger. Diese Mehrfachnatur lässt uns physisch und psychisch fühlen, was Metaphern bildlich ansprechen. Das ist gut so. Vor allem für die Werbeindustrie. Sie macht sich das in aller Regel unbewusste und damit weitgehend unkontrollierbare Zusammenspiel souverän zunutze.

Starke Sprüche und volle Kassen

"Wir öffnen Horizonte". "Die Wecken den Tiger in dir". "Red Bull verleiht Flügel!". "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause". Metaphern gelten neben Superlativen, Neuschöpfungen, Wortspielen und anderen Wortwürztechniken als besonders werbewirksam. Ein Grund für die Metaphernverliebtheit der Verkaufsförderer ist die Hoffnung, durch schräge, überraschende, witzige oder rätselhafte Wendungen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit zu erregen. Nun ist Aufmerksamkeit zwar wichtig, aber letztlich nur der Köder und nicht die Falle.

Großangriff auf die Emotionen

Der eigentliche Ansporn für den Einsatz von Metaphern liegt in ihrer neuronalen Verankerung: Geschickt gewählte Sprachbilder werfen das Kopfkino an und aktivieren Emotionen. Ein Bier, das vollmundig als "Perle der Natur" angepriesen wird, profitiert doppelt: Zum einen rufen die Perlen- und die Naturmetapher unweigerlich Assoziationen wie Kostbarkeit, Reinheit, Glanz, Ursprünglichkeit hervor. Zum anderen überträgt das Gehirn die mit diesen Assoziationen verbundenen positiven Gefühle auf das beworbene Produkt. Würde exakt dasselbe Bier mit Metaphern beworben, die Ekel hervorrufen, könnte die Brauerei dichtmachen. Selbst wenn wir wüssten, dass die Ekelmetaphern nicht zutreffen, wären wir absolut machtlos gegen unsere emotionale Reaktion. Die Macht der Metapher unterläuft die rationale Prüfung, wirkt unterschwellig und unbewusst.

Multisensorische Geschmacksverstärker

Wenn auch noch entsprechende Hochglanzbilder und Hochglanzklänge den Großangriff auf unsere Emotionen verstärken, wenn wir zugleich sehen, wie sich glückliche, angenehme Menschen den goldenen, perlenden Gerstensaft mit lustvoll hüpfenden Kehlkopf genüsslich einverleiben, ist es vollends um uns geschehen. Wir stehen von allen Seiten unter neuronalem Trommelfeuer: Unser Schluckreflex ist aktiv, die Neuronen sprühen, die Sinne taumeln, wir haben Durst. Wir wollen trinken. Und zwar dieses Bier. Jetzt. Sofort!

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