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Faszination Hamlet

William Shakespeares "Hamlet" Faszination Hamlet

Stand: 30.05.2017

Berliner Ensemble mit "Hamlet" von William Shakespeare, Premiere: 23.11.2013, Regie: Leander Haußmann | Bild: picture-alliance/dpa

William Shakespeare hat mit Hamlet einen komplexen Charakter geschaffen, der Regisseuren und Schauspielern vielerlei Interpretationsmöglichkeiten bietet. Sie haben ihn als Zauderer, Zweifler, Grübler, verkopften Intellektuellen, jungen Wilden, bösen Finsterling, Depressiven und Amokläufer auf die Bühne gebracht.

Mal präsentiert sich Hamlet als Protestierer gegen die Realpolitik der Alten, mal als feinfühliger Melancholiker. An anderes Mal ist Hamlet ein naiver junger Mensch, der erstmals mit der bösen Welt der Erwachsenen in Kontakt kommt und verzweifelt dagegen aufbegehrt. Auch als "Weichei", als feiger, tatenloser Schwächling ist Hamlet zu sehen. Und natürlich darf Hamlet als Muttersöhnchen und als Vaterhöriger nicht fehlen.

Hamlet sieht die Welt mit anderen Augen

Shakespeare kam es wohl darauf an, Hamlet als nachdenklichen Charakter zu zeigen, der sich in der Betrachtung seiner Existenz aufreibt. Der Dänenprinz will sich nicht fraglos mit der Welt der Erwachsenen, mit ihrer Kälte und ihrem Zynismus zufriedengeben. Hamlet ist zögerlich und empfindsam, er sucht nach Handlungsalternativen und erwägt sogar den Selbstmord ("Sein oder Nichtsein" - Monolog). Er will seine aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung bringen und riskiert dafür sein Leben.

Doch Hamlet ist auch ein höchst bedrohlicher Charakter. Wenngleich ihm die Leidenschaft zu schnellem Handeln (also den Königsmörder Claudius rasch umzubringen und die Macht im Staat an sich zu reißen) fehlt, ist er zu Gewaltausbrüchen in der Lage. Unbarmherzig verstößt er Ophelia, die ihn liebt ("Geh' ins Kloster, los!") und tötet ihren Vater Polonius - die Verzweifelte begeht Selbstmord. Am Ende einer Entwicklung mit vielerlei Komplikationen hat Hamlet fünf Menschen auf dem Gewissen.

Hamlet ist stets aktuell

Hamlet passt in jede Zeit, deshalb wird er seit Jahrhunderten gespielt. Immer wird es Menschen geben, die zumindest Teilsaspekte ihrer Existenz in Hamlet wieder finden. Nicht wenige suchen "im Falschen" nach einem "richtigen Leben" und drohen - wie Hamlet - auf ihrem Weg die Orientierung zu verlieren. "Hamlet", meinte der bekannte britische Schauspieler John Gielgud, "bilanziert das Leben".

Zeitgeistfigur Hamlet

So verwundert es nicht, dass Hamlet im Alltagsleben fest verankert ist. Walt Disneys "König der Löwen" basiert auf der Hamlet-Geschichte, es gibt Folgen der "Simpsons" und der "Sesamstraße", die die Thematik aufgreifen.

Politiker attackieren einander gern mit dem Vorwurf Hamlet zu sein, also nicht entschlossen zu handeln. Selbst Fußballer, die vor dem gegnerischen Tor zögerten, mussten sich, wie etwa der legendäre Spieler Zinedine Zidane als "Hamlet" schelten lassen.

Interessanterweise trägt eine Biographie des Sternekochs Eckart Witzigmann den Titel "Hamlet am Herd" - allerdings im positiven Sinne: Witzigmann wird als Profi geschildert, der sich und sein Können beständig in Frage stellt.

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Das so genannte Chandos-Porträt von William Shakespeare in der National Portrait Gallery in London | Bild: picture-alliance/dpa zum Thema William Shakespeares "Hamlet" "Die Zeit ist aus den Fugen ..."

Der Held soll handeln, hat aber keinen Plan. Orientierungslos spielt er den Verrückten und kommt dem Wahnsinn immer näher. Er neigt zu Ausbrüchen, reißt sich und andere ins Verderben. Shakespeares Hamlet passt gut in unsere Zeit. [mehr]