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Erdogan besucht Putin Der Neustart einer Beziehung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist nach St. Petersburg zum russischen Staatschef Wladimir Putin gereist. Beide Seiten wollen nach monatelangem Streit ihre Beziehungen wieder ausbauen.

Von: Clemens Verenkotte

Stand: 09.08.2016

Präsident Recep Tayyip Erdogan schüttelt dem Vladimir Putin die Hände | Bild: dpa/Mikhail Metzel

"Die Gespräche mit meinem Freund Wladimir werden eine neue Seite in unseren Beziehungen aufschlagen," ließ der türkische Staatspräsident seinen Gastgeber in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Tass vorab wissen. Es werde ein "historischer Besuch, ein Neuanfang".

Die überschwängliche Rhetorik, die Recep Tayyip Erdogan vor seiner eintägigen Visite in St. Petersburg verwendet, ist Ausdruck des Kräfteverhältnisses zwischen den beiden selbstbewussten Staatschefs: Dass Erdogan wenige Wochen nach dem gescheiterten Putschversuch seine erste Auslandsreise der Restaurierung der bis vor kurzem arg beschädigten Beziehungen zu Russland widmet, wertet Putins außenpolitischer Berater Yuri Ushakov als "Beweis" dafür, dass es Erdogan ernst meine.

Als Putin Erdogan die kalte Schulter zeigte

Richtig ist: Nachdem türkische F16-Abfangjäger einen russischen Kampfjet im November 2015 abgeschossen hatten, der bei seinem Einsatz über Syrien nur für wenige Sekunden türkischen Luftraum verletzt haben soll, drehte Putin die vormals enge Kooperation mit Erdogan nahezu auf null.

Vergeblich, so berichtet jetzt der britische "Guardian", habe sich Erdogan in den Stunden und Tagen nach dem folgenschweren Abschuss bemüht, mit Putin telefonieren zu können. Stets habe der Kreml dieses Gesuch abgelehnt: Solange sich der türkische Staatspräsident für den Vorfall nicht entschuldige, sei Putin für Erdogan nicht zu sprechen. "Das sei ein Dolchstoß in den Rücken, ausgeführt von Verbündeten der Terroristen", so Putins damalige Diktion.

Putins schmerzliche Sanktionen gegen die Türkei

Die Wirtschaftssanktionen, die Putin anschließend gegen die Türkei verhängte, trafen vor allem die angeschlagene türkische Tourismusindustrie und die Landwirtschaft.

Russische Pauschalreise-Anbieter stornierten flächendeckend die lukrativen Buchungen. Das russische Importverbot türkischer Agrarprodukte schmerzte zusätzlich.

"Wir werden die Sanktionen gegen türkische Unternehmen schrittweise aufheben."

Russlands Präsident Putin heute nach dem ersten Treffen Erdogan

Auch Erdogan reagierte und legte die für Moskau höchst interessanten Erdgas-Projekte auf Eis. Nicht gerade das, was Diplomaten gerne als "win-win-situation" bezeichnen.

In dem Maße, in dem das Verhältnis Erdogans zu den USA und der Europäischen Union abkühlte, musste der türkische Präsident für einen außenpolitischen Ausgleich mit Russland sorgen, obgleich Moskau sowohl in wirtschaftlicher wie auch in sicherheitspolitischer Beziehung kein Ersatz für die Bindungen Ankaras zum Westen darstellt. Im Juni schließlich schrieb Erdogan den überfälligen Entschuldigungsbrief und öffnete sich damit wieder den direkten Zugang zu Wladimir Putin.

Über die finanzielle Kompensation für das abgeschlossene Flugzeug und die Versorgung der Hinterbliebenen werde mit Erdogan in St. Petersburg auch gesprochen, kündigte die russische Seite an.

Ein Neubeginn, auf den beide angewiesen sind

Den Neustart in den Beziehungen zwischen Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin wollen beide Seiten. Sie sind gleichermaßen darauf angewiesen und tun eine Menge, um das Klima zwischen Ankara und Moskau zu verbessern. Russlands Präsident gehörte zu den ersten ausländischen Spitzenpolitikern, die Erdogan unmittelbar nach dem gescheiterten Putschversuch Mitte Juli anriefen.

Und: Putin verzichtete auf die westlichen Ermahnungen, Erdogan möge mit Augenmaß auf die gewaltsamen Umsturzbemühungen reagieren. Stattdessen stärkte ihm der russische Präsident den Rücken - ein außenpolitische Wohltat für Erdogan, der sich von seinen westlichen Bündnispartnern gegängelt und missverstanden fühlt.

So wird in St. Petersburg sicherlich ein "Neuanfang" zwischen der Türkei und Russland eingeleitet. Ein "historischer Besuch"? Wohl kaum, denn es wird dauern, bis der erhöhte politische Adrenalin-Spiegel wieder auf Normalmaß absinken wird, der das persönliche Verhältnis der beiden selbst- und machtbewussten Staatschefs seit dem Abschuss vor bald neun Monaten geprägt hatte.


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Kommentieren

roddy, Dienstag, 09.August 2016, 18:58 Uhr

16.

also ist es so : wenn man was in der eu erreichen will und die will nicht, wird deutschland wehement angegriffen und deformiert, und wenn deutschland nicht einknickt und sich in der eu für die türkei stark macht, geht man trotzig zum vieleichtfreund russland, der der vieleichtfeind der eu ist. ist ja wie im kindergarten. aber hauptsache die menge jubelt.

Barbara, Dienstag, 09.August 2016, 16:00 Uhr

15. In welcher Sprache unterhalten sich denn die beiden?

Spricht Erdogan Russisch oder Kann Putin auch Türkisch? Oder sprechen beide Englisch?

  • Antwort von Süddeutscher und gleich weg, Dienstag, 09.August, 16:09 Uhr

    ich denke die Sprache heißt Tacheles (jüd. Tachles).

Erich, Dienstag, 09.August 2016, 15:42 Uhr

14. Tja,

wenn man dem Sultan mal richtig vors Schienbein haut und Sanktionen durchzieht, steht er stramm. Merkels wischiwaschi-ich duck mich weg und warte ab Taktik ist wie immer in die Hose gegangen und der Sultan setzt ihr einen großen Haufen vor die Türe. Ich bin ja nicht unbedingt ein Fan von Putin, aber der machts richtig, wenn der Herr Sultan meint, er müsse aufmucken.
Deswegen geht der Sultan gerne nach Deutschland in seinem Wahlkampf und erzählt den hießigen Türken, das sie sich nicht integrieren sollen. In Russland, würde er sich das nicht trauen.
(...)

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Langobarde, Dienstag, 09.August 2016, 11:29 Uhr

13.

Die Türkei wendet sich nach dem Putschversuch vom Westen ab. Ich habe in den Medien gelesen, daß Erdogan vom russischen Geheimdienst gewarnt wurde.
Deutschland sollte sich emanzipieren und eigenständige Politik unabhängig von den USA betreiben. D. h. im Eigeninterresse handeln, da wird sich Frau Merkel etwas schwer tun. Das Vasallendasein ist bequemer.

Corps Diplomatique, Dienstag, 09.August 2016, 11:23 Uhr

12.

Es wird in die Weltgeschichte eingehen als das Treffen zweier lupenreiner Demokraten.*

*mit freundlicher Unterstützung der Rüstungsindustrie

  • Antwort von thorie, Dienstag, 09.August, 11:31 Uhr

    und die usa und muddi werdens herunterspielen, und urch mrd-zahlungen zu verhindern versuchen ( bestätigen!!!)

  • Antwort von thorie, Dienstag, 09.August, 11:38 Uhr

    zitat. DIE RÜSTUNGSINDUSTRIE
    warum sind die die schuldigen???
    obermama regiert, und bestimmt mit, wer welche totmacher kriegt!
    die rüstungsfirmen bieten ihre produkte an.... die, die den export genehmigen sind die bösen"""
    die raute sagt dazu selbstverständlich nix.