Bayern 2 - radioTexte


40

Tobias Roth Die Welt der italienischen Renaissance

Dieses „Großlesebuch“ gilt nicht nur unter BuchkritikerInnen als eine der schönsten Publikationen dieses Winters. Auf über 600 Seiten hat der 35 Jahre junge Tobias Roth in jahrelanger Recherche ein mächtiges Epochenbild der italienischen Renaissance zusammengestellt. Antonio Pellegrino hat mit Tobias Roth nicht nur über Leonardo, Petrarca oder Dante gesprochen, sondern auch über Dichterinnen, festliche Menüs oder über deftige Kardinal-Lyrik. Dazu lesen Beate Himmelstoß, Heiko Ruprecht und Stefan Wilkening zahlreiche Texte aus der „Welt der Renaissance“ in zwei Folgen.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 07.01.2021 15:21 Uhr | Archiv

"Die Venus" (Detail) von Sandro Botticelli, Gemäldegalerie Berlin | Bild: rbb/ Leif Karpe/ Medea Film Factory

"Die italienische Renaissance steht am Beginn des modernen Europa."

(Tobias Roth)

Die Renaissance ist nicht nur das Zeitalter der ersten Entdeckungsreisen und Weltumsegelungen, sondern auch der Selbstentdeckung, der Fokussierung auf das irdische Individuum, sowohl in den Künsten als auch in der Wissenschaft. Sie ist eine gesprächige Ära, die ohne den Umweg über antike Autoren, ohne diverse Neuerungen - von Papier oder Brille bis zum Buchdruck - nicht so blühend, reichhaltig und vielstimmig hätte werden können. Die meisten Humanisten waren Vielschreiber, Größenwahn und Überforderung oft inklusive. Einen besseren Vermittler zwischen Humanismus und Spätmoderne als den Dichter, Übersetzer und Herausgeber Tobias Roth kann man sich nicht wünschen! Sein Mammutprojekt, das er schon 2011 begann, präsentiert über 350 Texte von 63 Autoren und fünf Autorinnen, von Francesco Petrarca (1304–1374) bis Torquato Tasso (1544–1595), viele der Texte erstmals ins Deutsche übertragen.

Blicke in die Schatzkammer einer Kulturrevolution

"Ob Tod, ob Leben, missfällt mir beides gleich;
Ich weide mich am Schmerz und lache weinend:
Das ist mein Zustand, meine Dame, wegen Euch."

(Petrarca, Ich finde nicht Frieden und scheue den Krieg)

Was sich in dieser Schatzkammer finden lässt, lässt uns heute staunen: Von den grandiosen Liebesgedichten Petrarcas bis zu erotischer Lyrik von Kardinälen und Staatsoberhäuptern, von Spekulationen über den Seeweg nach Osten zu Thesen über weiße Magie, die Würde des Menschen und Überlegungen zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Auch Betrachtungen über das Alltagsleben eines Kaufmanns, die Heiratspläne einer Mutter, ein Festmahl zur Inauguration eines Papstes oder die Verbrennung Savonarolas sind im Band enthalten.

"Was soll das also, uns jetzt zu verbieten,
was jetzt Brauch ist und üblich seit langer Zeit:
Maskenspiele, Tänze und Musiken?
Es ist Anmaßung und nicht Heiligkeit,
dem freien Willen Einhalt zu gebieten,
jener größten Gabe, die Gott uns geweiht."

(Die Philosophin und Kurtisane Tullia d’Aragona an den reformatorischen Theologen Bernardino Ochino)

Der Herausgeber und Lyriker Tobias Roth mit seinem Opus Magnum "Welt der Renaissance" im BR-Studio

Überraschungen finden sich zuhauf, darunter Fabeln Leonardo da Vincis, obszöne Briefe Machiavellis, eine Satire Ariosts, die ersten Ideen zum Denkmalschutz von Baldassarre Castiglione und Raffael. Dichterinnen wie Veronica Gambara und Vittoria Colonna haben ihren Auftritt genauso wie der homosexuelle Lyriker Benedetto Varchi oder Autoren wie Pietro Aretino, bei denen Schreiben zur Waffe wird. Roths prächtig ausgestattete „Welt der Renaissance“ ist das Buch der Bücher über Literatur, Gedankenwelt, Alltag und Geschichte der italienischen Renaissance. Durch diese Kulturrevolution entstanden neue Haltungen zur Welt und zur Menschheit, die die westliche Kultur bis heute entscheidend prägen. Die Lesungen in den radioTexten am Dienstag führen durch faszinierende Jahrhunderte des freien Denkens und des Aufbruchs, in denen Kunst und Kultur gedeihten wie nie zuvor und nie wieder danach.

Über den Herausgeber

Tobias Roth, geb. 1985 in München, ist freier Autor, Mitbegründer des Verlags Das Kulturelle Gedächtnis, Lyriker und Übersetzer. Für seine Lyrik erhielt er u.a. den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis. Roth wurde mit einer Studie zur Lyrik und Philosophie der italienischen Renaissance promoviert. Er ist Mitbegründer des mehrfach ausgezeichneten Verlags „Kulturelles Gedächtnis“.

„Welt der Renaissance“

am 12. und 19. Januar jeweils um kurz nach 21.00 Uhr in den radioTexten am Dienstag auf Bayern2
Lesungen von Beate Himmelstoß, Heiko Ruprecht und Stefan Wilkening

Der großformatige Prachtband mit vielen Abbildungen und Faksimiles, ausgewählt, neu übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Tobias Roth, ist bei Galiani erschienen.

Unsere Lesungen können Sie nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.


40