Bayern 2 - radioTexte


20

Meister der Reduktion André Jung - Eindringlich und unverwechselbar

"Verdrießlicher alter Mann mit rasselnder, ruinierter Stimme und eigentümlichem Tonfall", so beschrieb Samuel Beckett seine Figur Krapp, den er in seinem Monolog "Das letzte Band" auf die Bühne stellte. Ein Außenseiter, ein Einsamer, auf der Suche nach seiner Stimme und sich selbst. Wer André Jung in dieser Rolle erleben durfte, wird das nie vergessen. Mit welcher Bedächtigkeit er diesen aus der Zeit gefallenen Mann auf die Bühne meißelte. Ob unter der Regie von Christoph Marthaler oder Jossi Wieler, André Jung ist einer der großen Theaterzauberer, ein Ereignis, wenn er spielt oder liest.

Von: Eva Demmelhuber

Stand: 01.06.2018 | Archiv

André Jung als Krapp in Samuel Becketts "Das letzte Band" bei den Salzburger Festspielen | Bild: Salzburger Festspiele

Spezialität - Außenseiter, Einsame, Gebrochene und Schrullige

"Reduktion interessiert mich", sagte André Jung einmal in einem Interview. Er hat sie zur Perfektion gebracht und das nicht nur bei einer seiner Lieblingsbeschäftigungen, dem Kochen. Wer ihn einmal gesehen hat, wie sparsam er schauspielerische Mittel einsetzt, wie er seine Charaktere mit einer dünnen Haut überzieht, und damit umso tiefer in deren Seelen blicken zu lassen, wie nah die Melancholie der komischen Verzweiflung ist, wie er seinen Figuren die Balance aus Komik und Niedergeschlagenheit aufdrückt. Nicht umsonst gehörte André Jung jahrelang zu den Leib- und Magenschauspielern von Christoph Marthaler. Nur als der immer das nämliche von Jung wollte, wollte André Jung nicht mehr. Er wollte mehr Facetten zeigen.

André Jung wurde am 13. Dezember 1953 in Luxemburg geboren. Nach dem Abitur besuchte er die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Danach war er an verschiedenen Bühnen engagiert, am Theater Basel (1988-93), am Deutschen Schauspielhaus Hamburg (1993-2000) und am Schauspielhaus Zürich (2000-2004), ab 2004 gehörte er bis 2015, bis zur Lilienthal-Ära, zum Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele.

In Jelineks Uraufführung "Winterreise" 2011 an den Münchner Kammerspielen

Neben seinen präzise gearbeiteten Bühnenrollen spielt Jung auch für Film und Fernsehen, wirkte in über 60 Hörspielen mit. Darüber hinaus spricht er den Hauptkommissar Michel Paquet in den vom SR produzierten Folgen des "ARD Radio Tatorts". Jung lebt heute in München und Luxemburg, wo er das Haus seiner Großmutter aus dem Jahre 1702 bewohnt, in dessen Nachbarhaus er aufwuchs.

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1981 Schauspieler des Jahres
  • 2000 Rita-Tanck-Glaser-Preis der Hamburger Kulturstiftung
  • 2002 Schauspieler des Jahres
  • 2003 Goldene Maske des Schauspielhauses Zürich
  • 2009 Johann-Nestroy-Preis für Samuel Becketts "Krapp" in "Das letzte Band" bei den Salzburger Festspielen

20