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Hans Paasche Lukanga Mukara auf Deutschlandexpedition

Hans Paasche wandelte sich vom Kolonialoffizier zum "Freund Afrikas" und drehte schriftstellerisch den Spieß um: In seinem 1921 erschienenen Roman begibt sich der fiktive Afrikaner Lukanga Mukara auf Forschungsreise durch das wilhelminische Deutschland. Und Lukanga wundert sich sehr über die Einheimischen, die "Wasungu", die sich selbstbewusst "Menschen" nennen. Eine satirische Lesung in zwei Folgen mit Horst Raspe

Author: Kirsten Böttcher

Published at: 25-8-2020 | Archiv

Segelschiff auf dem Viktoriasee in Afrika | Bild: picture-alliance/dpa

"Je länger ich hier lebe, desto mehr sehe ich, dass wir vorsichtig sein müssen mit dem, was wir den Negern bringen. Wir halten wirklich vieles für gut, was in Wirklichkeit schädlich wirkt“, notierte Hans Paasche im Januar des Jahres 1910 in einer Schilfhütte am Victoriasee. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 1881 in Rostock geborene Marineoffizier seinen Dienst bereits quittiert und war ein Bewunderer Afrikas geworden.

Vom Kolonialoffizier zum Pazifisten

Hans Paasche, Kolonialoffizier a.D. und Autor, aufgenommen ca. 1914.

Als erster Offizier eines Kriegsschiffes war Hans Paasche 1905/06 in Deutsch-Ostafrika an der Niederschlagung von Aufständen beteiligt gewesen. Doch seine aus dem Buschkrieg resultierenden Erfahrungen mit den Einheimischen, ihr Respekt vor der Natur, gepaart mit dem Gefühl von Freiheit auf dem afrikanischen Kontinent stellten das Lebens- und Wertgefüge des Sohnes von Hermann Paasche, der einst nationalliberaler Vizepräsident des Reichstags gewesen war, radikal in Frage. Im Gegensatz zur Expansions- und Kolonialpolitik seines Vaters begann Hans Paasche daran zu zweifeln, als Deutscher und Europäer das Recht zu haben, über andere Kulturkreise bestimmen, ja Gewalt ausüben zu dürfen.

Lukanga Mukara "berichtet" aus Deutschland

Wie stark die Anschauungen von Vater und Sohn divergierten, verdeutlicht "Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland", Hans Paasches populärstes Werk und zugleich eine messerscharfe Bloßstellung der scheinbaren Errungenschaften europäischer Zivilisation.

"Die Frauen bewegen sich in ihren Leibgerüsten wie aufrechtgehende Schildkröten. Du kannst es Dir gar nicht vorstellen, wie es aussieht, wenn eine Frau auf der Straße geht und die Beine unter dem steifen Gerüst bewegt. Un wenn sie erst die bewegungslose Masse ihres Leibes auf einen Sitz schiebt, wenn die Glieder hinunterhängen und der Kopf hilflos hin und her bewegt wird, dann empfindet ein gebildeter Neger etwas wie Mitleid mit solch mißhandeltem Geschöpf."

(Hans Paasche, Aus den Briefen des Afrikaners Lukanga Mukara, 1912)

Im Auftrag seines Königs wird Lukanga Mukara auf diese "Forschungsreise ins innerste Deutschland" geschickt. Er hat die Aufgabe, seinem König zu berichten, wie die Weißen leben. Als diese "Briefe" 1912 zum ersten Mal zunächst in einer Zeitschrift erschienen, lösten sie heftige Debatten aus. Hatte sie wirklich ein Afrikaner verfasst? Mit welchem Recht konnte der Gast die Kolonialpolitik Deutschlands und Europas an den Pranger stellen und alles, was den Deutschen damals besonders wertvoll erschien, kritisieren? Als die Briefe ein paar Jahre später auch in Buchform erschienen, wurde "Lukanga Mukara" ein Bestseller.

Von Hurrapatriotismus bis zu Hundeschlachtereien, von Umweltverschmutzung bis Zeitmanagement und Wachstumsfetischismus: all das und vieles mehr wird von Paasches vegan lebender Figur Lukanga mit den Augen eines Aussenstehenden bestaunt und oft nicht zimperlich ironisiert. Paasches zivilsationskritischer Impetus trifft auch heute noch, einhundert Jahre nach seiner Ermordung im Jahr 1920, mehr als einen Nerv.

"Auf der Flucht" erschossen

"Pazifist ist der Hund? Schießt ihm nicht erst die Knochen wund! Die Kugel ins Herz! Und die Dienststellen logen: Er hat sich seiner Verhaftung entzogen. Leitartikel. Dementi, Geschrei. Und in vierzehn Tagen ist alles vorbei. Wieder Einer. Ein müder Mann, der müde über die Deutschen sann. Den preußischen Geist - er kannte ihn aus dem Heer und aus den Kolonien, aus der großen Zeit - er mochte ihn nicht mehr. Er hasste dieses höllische Heer."

(Kurt Tucholsky in der Weltbühne über Hans Paasche, 1920)

Während des Ersten Weltkriegs wurde Hans Paasche, der mittlerweile pazifistische Reden gehalten hatte und zu einem radikalen Antimilitaristen und Vegetarier geworden war, 1916 aus dem Militärdienst entlassen. Er engagierte sich weiterhin als Pazifist und Zivilsationskritiker, galt als linker "Umstürzler". Am 21. Mai 1920 wurde Hans Paasche, Kapitänsleutnant a.D., von Soldaten des Reichswehrschützenregiments 4 aus Deutsch-Krone auf seinem Gut "Waldfrieden" erschossen - "auf der Flucht", hieß es offiziell.

"Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland: Geschildert in Briefen Lukanga Mukaras an den König Ruoma von Kitara"

von Hans Paasche
herausgegeben von Franziskus Hähnel
erschienen im Donat Verlag
am 1. und 8. September in den radioTexten am Dienstag, um kurz nach 21 Uhr auf Bayern2
Lesungen: Horst Raspe

Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

Unsere Lesungen können Sie immer und überall nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.


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