Bayern 2 - radioTexte


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Claire und Yvan Goll Eine Amour fou in Briefen

Immer wieder trennten, betrogen und vertrugen sie sich: Claire und Yvan Goll, eines der schillerndsten Dichter-Paare des zwanzigsten Jahrhunderts. Und sie schrieben sich ein Leben lang Briefe von großer Poesie und purer Sinnlichkeit. Das lässt sich nun auch hören, denn Ulrich Tukur und Sandra Quadflieg lesen aus dieser brieflichen Amour fou: "Nichts fehlt - außer Dir".

Stand: 06.11.2020 | Archiv

Studioproduktion mit Ulrich Tukur und Sabine Quadflieg für die Lesung des Briefwechsels zwischen Claire und Yvan Goll | Bild: random house audio/Katharina John

Die Geschichte einer überwältigenden Liebe

Claire und Yvan Goll waren eines der schillerndsten und extrovertiertesten Dichter-Paare des zwanzigsten Jahrhunderts, waren mit Rilke, Picasso, Einstein und Dalí bekannt und zentrale Figuren des Surrealismus. Claire und Yvan konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander leben. Immer wieder trennten sie sich, betrogen und versöhnten sich. Dokumentiert ist dieses Gefühlskarussell in ihren Briefen und Tagebuchaufzeichnungen. Sie wurden im Jahr 2017 Grundlage für ein Hörbuchprojekt der Schauspielerin Sandra Quadflieg zusammen mit Ulrich Tukur.

"Sie sind mein Schicksal!, rief er und fiel auf die Knie.
Aber Sie nicht das meine!, antwortete ich."

Claire Goll

"Hochgeliebte, wie viel Leben hast Du mir gebracht. Ich war tot. Du bist die rotflammende Fahne des Tags. Du bist die Erretterin der Menschheit. Du. Wir wollen Menschen werden. Süße, noch einmal. Kuss. Kuss. Und dann Sturz zu Dir. Bald, bald. Ich schwelle vor Lust. Wir müssen leben, etwas werden. Ich wünsche Dir viel Sonne, viele Sterne, viel himmlisches Licht. Dieser Brief enthält mich ganz. Ich liebe Dich."

Yvan Goll

Achterbahn der Gefühle

Rainer Maria Rilke

1917 treffen sich Claire und Yvan Goll zum ersten Mal in Genf. Sie: 1890 in Nürnberg geboren, später Medizinstudentin, Schriftstellerin, Journalistin, Übersetzerin, Pazifistin. Er: 1891 in Saint-Dié geboren, Autor, aus Frankreich Geflohener, Deserteur. Ihre Begegnung ist der Beginn einer leidenschaftlichen Beziehung und Ehe, ein Balance-Akt zwischen Kunst, politischem Umbruch und Alltag. Weil beide viel unterwegs sind, das Verhältnis schwankt und ständiger Bestätigung und Reflexion bedarf, schreiben sich die Dichter zwischen 1917 und 1950, das Jahr von Yvans Tod, ausführliche Briefe. Darin begegnet man zwei Menschen mit Fluchterfahrung, die den Krieg ablehnen und sich in der Friedensbewegung engagieren. Die Liebe und das Schreiben werden für sie zu Bausteinen einer neuen Welt, die Hass und Gewalt hinter sich lässt. Die Briefe dokumentieren aber auch eine Achterbahn der Gefühle, als die sich die Ehe von Claire und Yvan erweist. Trotz zahlreicher Affären – Claire z.B. mit Rainer Maria Rilke, Yvan mit der Lyrikerin Paula Ludwig – bleiben die beiden zusammen.

Ihre Briefe und Tagebucheinträge vermitteln schlagartig sowohl das jeweilige intensive Innenleben als auch ihr Austausch mit der lebendigen Pariser Künstlerszene der Zwischenkriegsjahre, die beide auch mitgestalten. In ihrer Wohnung gingen so berühmte Künstler wie Picasso, Chagall, Braque, Joyce, Breton oder Gide ein und aus. 1939 gehen Claire und Yvan ins Exil in die USA, aus dem sie 1947 nach Paris zurückkehren.

"Yvelein, Dein Brief und das Buch liegen vor mir. Nicht in dem was Du sagst, liebe ich Dich, aber wie Du es sagst. An dem Buch als solchem möchte ich persönlich keine Kritik üben. Du rühmst die Stärke des Leids deiner Freundin. Erschüttert dich gedrucktes Leid mehr, als verborgenes? Ich glaube nicht, dass man mehr leiden kann wie ich seit vielen, vielen Monaten. Wer von uns zwei Frauen da die glücklichere ist, darauf soll Dir Goethe antworten: 'Gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide'."

Claire Goll

Herzensprojekt von Sandra Quadflieg und Ulrich Tukur

Als die Schauspielerin Sandra Quadflieg in einem Antiquariat zufällig auf die Briefausgabe „Meiner Seele Töne“ und damit auf Leben, Liebe und Schreiben von Claire und Yvan Goll stößt, lässt sie deren Geschichte nicht mehr los. Die gebürtige Bremerin, die in Hamburg Schauspiel studiert hat, beginnt zu recherchieren, wählt Texte aus, setzt thematische Schwerpunkte, überzeugt den Verlag und gewinnt Schauspieler Ulrich Tukur für ihr Hörbuchprojekt: „Nichts fehlt – außer Dir“. Die Leidenschaft und Poesie der Dokumente hörbar zu machen, bedeutet für sie der Kraft und den Herausforderungen einer komplizierten Liebe Ausdruck zu verleihen und zwei besonderen Künstlerpersönlichkeiten breitere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Davon erzählt sie im Gespräch mit Antonio Pellegrino in den radioTexten.

Claire und Yvan Goll

Am 10. November in den radioTexten am Dienstag, kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern 2:
„Nichts fehlt – außer Dir“
Lesung mit Ulrich Tukur und Sandra Quadflieg
Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino
Das Hörbuch ist auf 2 CDs bei Random House Audio erschienen, das Buch "Nichts fehlt - außer Dir" im Wallstein Verlag
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Unsere Lesungen können Sie immer und überall nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.


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