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Georg Stefan Troller Unterwegs mit dem legendären Filmemacher

Das Filmen und Schreiben sei sein "Ausweg aus der Unlösbarkeit des Daseins", erklärt der große Dokumentarfilmer, Journalist und Autor, der am 10. Dezember seinen 100. Geburtstag feiert. Wir gratulieren und hören ihm zu: Georg Stefan Troller liest ergreifende, skurrile und dramatische Passagen aus seinen Memoiren "Unterwegs auf vielen Straßen" und er blickt zurück auf zahlreiche Interviews mit Berühmtheiten, von Romy Schneider bis Peter Handke.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 30.11.2021 | Archiv

Der Autor, Fernsehjournalist und Dokumentarfilmer Georg Stefan Troller feiert am 10. Dezember seinen 100. Geburrtstag. Das Foto entstand bei der Eröffnung einer Werkschau: "Georg Stefan Troller" 2017 im Metro Kinokulturhaus in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER | Bild: picture alliance / HERBERT PFARRHOFER / APA / picturedesk.com | HERBERT PFARRHOFER

Schriftsteller, Dokumentarfilmer, Journalist und Chronist eines Jahrhunderts: Eigentlich sei er "menschenscheu", so der kosmopolitische Grandseigneur mit grauer Haarwelle und Einstecktuch. Dabei ist Georg Stefan Troller vor allem durch seine vielen Begegnungen mit Prominenten in Rundfunk und Fernsehen berühmt geworden.

"Filme hin und her, aber so ein gedrucktes Buch ist denn doch etwas anderes, zumindest für alte Knaben meiner Generation. Also, Hand aufs Herz, man veröffentlicht Bücher zuallererst, um sich selber Freude zu bereiten."

(Georg Stefan Troller, aus: Unterwegs auf vielen Straßen)

Filmreife Memoiren

BR-Redakteur Antonio Pellegrino mit Georg Stefan Troller vor den Sprachaufnahmen im Studio, 2017.

Der Sohn eines jüdischen Pelzhändlers wurde 1921 in Wien geboren. Der noch nicht mal zwanzig Jahre junge Buchbinder wurde, nach dem "Anschluss Österreichs" wegen seiner jüdischen Religionszugehörigkeit zunächst verhaftet und ins französische Internierungslager verbracht. Glücklicherweise konnte Troller mittels eines gefälschten Uruguay-Visums in die USA emigrieren. 1945 fuhr er als amerikanischer GI durch Nazi-Deutschland, u.a. durch München und durch Dachau; dort fotografierte er die "verkrümmten Skelette", wie er schrieb, um das Verbrechen festzuhalten. "Erst viel später, im Beruf, wurde es mir verständlich - weil Abbilden nicht nur ein In-sich-Aufnehmen bedeutet (man sagt ja auch: die Aufnahme), sondern ebenfalls ein Von-sich-Wegstoßen". In diesen Lagern, so Troller, sei der wahre Mythos des Jahrhunderts zelebriert worden, der da laute: Was machbar ist, muss auch gemacht werden. Der GI, der sich weder in der Funktion des "Besatzers" noch des "Umerziehers" sehen wollte , kehrte in seine Geburtsstadt zurück. Doch dieses Wien war nicht mehr sein Zuhause.

Neuanfang in Amerika und Paris

"Ich war ein Fremder, überall. Ich hatte durch die Vertreibung meiner Identität verloren. (...) Das Filmen und Schreiben aber war mein Ausweg aus der Unlösbarkeit des Daseins, aus den täglichen und nächtlichen beunruhigenden Träumen. Und ist es bis heute geblieben."

(Georg Stefan Troller, aus: Mit meiner Schreibmaschine)

Es folgten wilde Tramp-Fahrten quer durch die Neue Welt und nach Zentralamerika, dann Studien der Literatur- und Theaterwissenschaft in Kalifornien, New York und Paris. Seit 1949 ist die Stadt an der Seine Georg Stefan Trollers Wahlheimat, wo auch seine Kinder aufwuchsen. Von Paris aus arbeitete er als Rundfunkkorrespondent, Fernsehjournalist, Drehuchschreiber und Autor; bis heute schreibt er täglich - mittlerweile allerdings nicht mehr nachts, sondern eher nachmittags.

TV-Pionier und stilbildender Journalist

In Deutschland wurde er mit seinem legendären "Pariser Journal" ab 1962 dem großen TV-Publikum bekannt. In seiner 75 Folgen umfassenden, stilbildenden Dokumentarfilmreihe "Personenbeschreibung" stellte der begnadete, auch gefürchtete Interviewer als "Sonderkorrespondent des ZDF" prominente Künstlerinnen, Regisseure, Philosophen oder Autorinnen vor - u.a. Edith Piaf, Charles Bukowski, Orson Welles, Audrey Hepburn, Romy Schneider.

Aus Trollers Interviews

Der Film "Welcome in Vienna" (1986), dessen Drehbuch Troller geschrieben hatte, erhielt eine Oscar-Nominierung. In der Doku-Reihe "Hollywood-Profile" (1998-2003) porträtierte er Stars wie John Malkovich, Isabella Rossellini oder Woody Allen. Laut Berliner Kinemathek hat der zweifache Grimme-Preisträger mehr als 170 Filme gedreht; dafür wurde er über dreißig Mal ausgezeichnet.

"Noch heute verfolgen mich Blamagen und Versager, die Jahre und Jahrzehnte zurückliegen, bis in meine Träume hinein. Da hilft nur die Kunst des Lachens."

(Georg Stefan Troller)

Lesungen von und mit Georg Stefan Troller

Der Jubilar liest in den radioTexten am Dienstag, 7. Dezember aus seinen autobiografischen Büchern "Unterwegs auf vielen Straßen" und "Mit meiner Schreibmaschine", beide in der Edition Memoria erschienen. Und am 14. Dezember liest Martin Umbach aus Trollers "Liebe, Lust und Abenteuer. 97 Begegnungen meines Lebens", erschienen bei Corso.

Unsere Lesungen können Sie nachhören im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks, in der Audiothek der ARD und überall, wo es Podcasts gibt.


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