Bayern 2 - radioTexte


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Essays von Eva Menasse "Lieber aufgeregt als abgeklärt"

"Mit einer seltenen Mischung aus Scharfsinn, Streitlust, Humor und europäischem Bewusstsein" schaue die österreichische Autorin auf die gesellschaftlichen Untiefen unserer Zeit: Gute Gründe, um Eva Menasse mit dem diesjährigen Ludwig-Börne-Preis auszuzeichnen. Antonio Pellegrino hat mit der engagierten Schriftstellerin über Aufregung und Abgeklärtheit gesprochen - bezogen auf den Titel einer Essaysammlung von Eva Menasse, die sie für die radioTexte eingelesen hat.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 02.04.2015 | Archiv

Schrifstellerin Eva Menasse auf der Buchmesse Leipzig 2015 | Bild: picture-alliance/dpa

"Eva Menasse zeigt in ihren Essays und Reden, welch gesellschaftlich zentrale Funktion die schriftstellerische Intervention haben kann. Sie warnt sehr differenziert vor den destruktiven Kräften, die die öffentlichen Debatten im Zeitalter des Internets radikalisieren - und sie beschreibt luzide, wie die Freiheit der Kunst von der militanten Intoleranz einer falsch verstandenen Modernität bedroht wird."

(Florian Illies in seiner Jury-Begründung)

Am 26. Mai hat Eva Menasse den Ludwig-Börne-Preis in Frankfurt verliehen bekommen. Die Laudatio hielt der Autor, Verleger und einziger Juror Florian Illies. Der Preis für hervorragende Leistungen im Bereich Essay, Kritik und Reportage ist mit 20.000 Euro dotiert.

Vor zweihundert Jahren, so Eva Menasse, habe Börne „das Licht einer kulturellen Errungenschaft angezündet, das wir gerade ausblasen“. Die "Selbstverständlichkeit des zivilisierten Sprechens" sei verlorengegangen, so äußerte sich die 1970 in Wien geborene Autorin im Gespräch mit Antonio Pellegrino. Nach zehn Jahren smarter Telephonie und Surferei sei der Austausch der Argumente am Ende. Was also tun, Frau Menasse?

"Mehr Nachdenken!"

"Lieber aufgeregt als abgeklärt" lautete der Titel ihrer 2015 erschienen Essaysammlung. Heute scheint der in Berlin lebenden Schriftstellerin ihr Buchtitel "überholt". Sie plädiert nun für mehr Nachdenken, mehr Ruhe, für mehr Toleranz anderen Meinungen gegenüber. Vom Buchtitel mal abgesehen sind die engagierten Essays Eva Menasses ganz und gar nicht überholt. Neben essayistischen Texten finden sich leidenschaftliche Reden und Kommentare zu Politik, Musik, und zu den feinen deutsch-österreichischen Unterschieden in dem Buch, aus dem die Autorin für die radioTexte am Dienstag liest.

"Entschuldigung, wo fährt denn hier der Bus nach Schöneberg? Bei uns in Berlin fährt der Bus uff der Straße!"

(Eva Menasse, Berliner Humor)

Seit über zwanzig Jahren lebt die Wienerin nun in der "objektiv potthässlichen" Spree-Metropole und immer dann, so schreibt sie in ihrem Essay "Unter Piefkes", "wenn es mir nach einer Weile doch zu ruhig und zu vernünftig, zu glatt und zu abgrundlos wird, dann fahre ich zwei Wochen nach Wien."

Engagierte Erzählerin

Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin beim österreichischen Nachrichtenmagazin Profil. Sie wurde Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und begleitete den Prozess um den Holocaust-Leugner David Irving in London. Nach einem Aufenthalt in Prag arbeitete sie als Kulturkorrespondentin für die F.A.Z. in Wien. Sie lebt seit 2003 als Publizistin und freie Schriftstellerin in Berlin. Ihr Debütroman »Vienna«, ihr Erzählungsband »Lässliche Todsünden« und zuletzt ihr Roman »Quasikristalle« waren bei Kritik und Lesern ein großer Erfolg.

Eva Menasse ist die Mainzer Stadtschreiberin 2019 und damit die 35. Trägerin des von ZDF, 3sat und der Stadt Mainz vergebenen Literaturpreises.

Für ihren Roman »Quasikristalle« wurde sie mit dem Gerty-Spies-Preis, dem Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln sowie dem Literaturpreis Alpha ausgezeichnet. 2015 war sie Stipendiatin der Villa Massimo in Rom und erhielt für ihr bisheriges Werk den Jonathan-Swift-Preis für Satire und Humor. 2017 erschien ihr Erzählungsband »Tiere für Fortgeschrittene«. Im selben Jahr wurde sie mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg ausgezeichnet. Im März 2019 erhielt sie den Literaturpreis als Mainzer Stadtschreiberin und zuletzt den Ludwig-Börne-Preis.

"Lieber aufgeregt als abgeklärt" - Essays von und mit Eva Menasse

am 4. Juni um kurz nach 21.00 Uhr in den radioTexten am Dienstag auf Bayern2

Autorenlesung und Gespräch
Moderation: Antonio Pellegrino

Die Essays von Eva Menasse "Lieber aufgeregt als abgeklärt" sind - wie alle Bücher der Autorin - bei Kiepenheuer&Witsch erschienen.

Die Sendung sowie das komplette Gespräch mit der Autorin finden Sie auch bei uns 7 Tage lang im Podcast-Center und überall, wo Sie bevorzugt Ihre Podcasts herunterladen.


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