Bayern 2 - radioTexte


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Künstliche Intelligenz Ian McEwan auf Bayern 2 "Maschinen wie ich"

Auch in seinem neuen Werk verhandelt Bestseller-Autor Ian McEwan Aktuelles, untersucht das Verhältnis von "Maschine" und Mensch. Was ist der Mensch, was unterscheidet ihn etwa von Künstlicher Intelligenz? Was darf der Mensch? Wie weit darf er gehen? Ist alles technisch Machbare auch sinnvoll und ethisch vertretbar? In seinem spannenden Roman "Maschinen wie ich" imaginiert er das Jahr 1982 neu, denn auch "die Gegenwart ist ein unwahrscheinliches, unendlich fragiles Konstrukt. Etwas oder alles könnte auch ganz anders sein."

Von: Eva Demmelhuber

Stand: 01.08.2019

Der britische Schriftsteller im Gespräch mit Cornelia Zetzsche im Bayern 2-Studio | Bild: Eva Demmelhuber

"Maschinen wie ich" - eine Dreiecksbeziehung

"Es war der Hoffnungsschimmer einer religiösen Sehnsucht, es war der Heilige Gral der Wissenschaft. Unsere höchsten und niedersten Erwartungen wurden geweckt von diesem wahr gewordenen Schöpfungsmythos, diesem ungeheuerlichen Akt der Selbstverliebtheit. Kaum war es machbar, blieb nichts weiter übrig, als unserem Verlangen nachzugeben und auf die Folgen zu pfeifen. Pathetisch gesagt strebten wir danach, unserer Sterblichkeit zu entrinnen, Gott mit seinem perfekten Ebenbild zu konfrontieren oder gar zu ersetzen. Praktischer gedacht wollten wir eine verbesserte, modernere Version unserer selbst schaffen und die Freuden des Erfindens genießen, das Hochgefühl wahrer Meisterschaft."

aus: 'Maschinen wie ich' von Ian McEwan, übersetzt von Bernhard Robben

Ian McEwan im Gespräch mit Cornelia Zetzsche

"Mich interessiert Science Fiction, die der Erde verbunden bleibt; die untersucht, welchen Einfluß Maschinen und Technologien auf unsere Gesellschaften haben."

London 1982 bei Ian McEwan: Großbritannien hat soeben den Falkland-Krieg verloren, die Straßen sind - schon 1982! - voll selbstfahrender Autos, Smartphones bestimmen die sozialen Kontakte, Computer haben längst auch die anspruchsvollen Arbeitsplätze übernommen. Und eine erste Produktionsreihe von Humanoiden kommt in den Verkauf. Die "Eves", die weiblichen Versionen, waren so schnell ausverkauft, so dass für Charlie, der sich mit kleinen Börsengeschäften im Internet durchbringt, einem Lebenskünstler und großen Verehrer des Computerpioniers Alan Turing, , nur ein "Adam" überbleibt, mit perfektem Äußeren und einem Wortschatz, größer als bei Shakespeare. Schnell bringt der neue "Mitbewohner" alles durcheinander. Der "Maschinen-Mensch" hat zum Beispiel kein Verständnis für die Geschmeidigkeit des menschlichen Gewissens, er folgt seiner einprogrammierten Logik.

"Adam kostete 86.000 Pfund. Ich brachte ihn in einem gemieteten Transporter zu meiner schäbigen Wohnung in North Clapham. Zwölf Exemplare dieser ersten Produktionsreihe hießen Adam, dreizehn Eve. Die Eves waren nach einer Woche schon ausverkauft."

aus: 'Maschinen wie ich' von Ian McEwan

Charlie wünscht sich einen Freund, jemanden, mit dem er sich austauschen kann, aber er bekommt mit dem schönen, immer höflichen Androiden viel mehr als das. "Adam" wird Rivale in seiner Beziehung zu Miranda, einer zehn Jahre jüngeren Studentin. Beide nehmen den neuen Zeitgenossen wie ein Kind auf. Beide wissen, dass durch dessen Adern kein Blut fließt, doch werden die Grenzen zwischen Maschine und Mensch bald fließend.

Ian McEwan über den Roman

Ian McEwan im Bayern 2 Studio

"Der Roman ist ein Instrument, moderne Lebensbedingungen zu erforschen: Wer sind wir? Was sind wir? Wie verändert uns die Technik? Welchen Einfluss haben veränderte Moralvorstellungen auf unser privates Leben? All das interessiert mich, auch die Missverständnisse zwischen Menschen."

Schon seit den 70er Jahren beschäftigt sich Ian McEwan mit Künstlicher Intelligenz. Haben Maschinen ein Bewusstsein? Wie greifen sie in unser Leben ein? Bestimmen sie es vielleicht sogar? In den letzten zehn Jahren gab es in der Entwicklung enorme Fortschritte. Wir reden mit Maschinen, Roboter übernehmen Aufgaben in der Altenpflege, in den Arztpraxen, steuern komplizierte Vorgänge, verarbeiten in Millisekunden Unmengen von Daten. Wo bleibt da der Mensch? Die Moral? Diese Thematik verhandelt Ian McEwan in gewohnt brillanter Weise in seinem neuen Roman "Maschinen wie ich": Witzig, ironisch, scharfsinnig und wortmächtig.

Literatur-Sommer mit Ian McEwan auf Bayern 2

Übersetzt von Bernhard Robben

In vier Folgen gibt es in radioTexte - Das offene Buch an den vier August-Sonntagen Ausschnitte aus "Maschinen wie ich". Es liest der Schauspieler Wanja Mues und der britische Bestsellerautor Ian McEwan erzählt in einem Exklusiv-Interview auf Bayern 2 von seiner Arbeit, seinem neuen Roman und von sich.
Den ganzen Roman gibt es ungekürzt nachzuhören auf 8 CDs, die, wie der Roman, im Schweizer Diogenes Verlag erschienen sind.

Redaktion und Moderation Cornelia Zetzsche

Teil 1 am 4. August
Teil 2 am 11. August
Teil 3 am 18. August
Teil 4 am 25. August

radioTexte - Das offene Buch immer sonntags um 12.30 Uhr auf Bayern 2

Nach seinem 2001 erschienenen Weltbestseller "Abbitte", in dem es um Liebe und Verrat geht in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, widmet sich Ian McEwan immer wieder aktuellen Themen. In "Solar" verhandelte er den Klimawandel, in dem Gerichtsdrama "Kindeswohl" die Selbstbestimmtheit Minderjähriger, in „Saturday“ das moralische Dilemma eines Londoner Neurochirurgen angesichts des Irak-Kriegs. Viele Romane wurden verfilmt, wie etwa "Am Strand" mit Saoirse Ronan oder "Kindeswohl" mit Emma Thompson. Ian McEwan wurde mit vielen Preisen geehrt, etwa dem Bookerprize für "Amsterdam" 1998. dem Shakespeare-Preis oder dem "Golden Globe" für das beste Kinodrama für den Film "Atonement".

Schauspieler Wanja Mues

Schauspieler Wanja Mues

Als Sohn des Schauspielers Dieter Mues kam Wanja Mues schon früh mit dem Beruf in Berührung. Nach dem Abitur absolvierte er seine Ausbildung in New York. In Heinrich Breloers preisgekrönter Fernsehsaga "Die Manns – Ein Jahrhundertroman" war Wanja Mues als Fritz Riemerschmidt zu sehen. Weitere wichtige TV-Auftritte waren unter anderem die Tatorte "Totentanz" oder "Schneetreiben". Er wirkte auch bei Kinofilmen mit, wie etwa in "Gloomy Sunday", in Roman Polanskis „Der Pianist“ und Hirschbiegels "Mein letzter Film", und bei vielen Hörspielen und Hörbüchern.


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