Bayern 2 - radioTexte


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Maupassant und nemo Der Abstieg der Madame Loisel

Neben Stendhal, Balzac, Flaubert und Zola zählt er zu den größten französischen Autoren des 19. Jahrhunderts: Guy de Maupassant (1850-1893), berühmt für seine pessimistisch-naturalistischen Novellen über die Bourgeosie, beschreibt in der kleinen Geschichte "Der Schmuck", dass es sogar hübsche Beamtengattinnen damals nicht leicht hatten. Im Anschluss: nemo - das literarische Ratespiel!

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 23.07.2020 11:38 Uhr | Archiv

Illustration für "Boule de Suif" von Guy de Maupassant von Konstantin Ivanovich Rudakov | Bild: picture-alliance/dpa/Heritage Images

"Denn die Frauen gehören weder einer Kaste noch Rasse an, ihre Schönheit, ihre Grazie, ihr Reiz, sind für sie Geburtsschein und Familie. Ihre natürliche Feinheit, ihre geistige Anschmiegsamkeit geben ihnen die einzige Anwartschaft zum Herrschen und stellen die Tochter aus dem Volk mit der größten Dame gleich."

(Guy de Maupassant, Der Schmuck)

In der Novelle "Der Schmuck" (im Original: "La Parure"), erstmals 1884 in der Zeitschrift "Le Gaulois" erschienen, nützt der jungen Protagonistin Mathilde noch nicht einmal ihre Schönheit etwas - ein "Irrtum des Schicksals" nennt es der auktoriale Erzähler. Ohne Mitgift bleibt ihr nichts anders übrig als den kleinbürgerlichen Beamten M. Loisel zu heiraten und das vorgestanzte Dasein einer Hausfrau zu führen. Als sich dann endlich ein außergewöhnliches Ereignis, eine Einladung zum Ministeriumsball, ankündigt, ahnt man schon bald, dass dieser Ball in nichts Gutem enden wird.

Maupassant und Mentor Flaubert

Flauberts "Madame Bovary" wurde mehrfach verfilmt, hier spielt Isabelle Huppert die berühmte Titelrolle.

Ähnlich der berühmten "Madame Bovary" quälen Mathilde ihre unerfüllten Träume nach einem abwechslungsreicheren Leben, nach einer gesellschaftlich höheren Existenz, so dass die Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit sie letztlich noch tiefer und härter fallen lässt. Der geistige Vater der Bovary Gustave Flaubert pflegte ein fast väterliches Verhältnis zu Guy de Maupassant, der von Flaubert immer wieder zum Schreiben animiert wurde. Maupassant kannte sich in dem Ministeriumsmilieu, das er in der Novelle "Der Schmuck" so gekonnt seziert, sehr gut aus, da er selbst zwischen 1872 und 1880 im Marineministerium angestellt war. Es war die Zeit vor seinem Durchbruch als Schriftsteller, in der er zwar schon schrieb, aber noch fast nichts veröffentlicht hatte.

Umso beeindruckender ist der Umfang seines Werks in Anbetracht der Tatsache, dass schon dreizehn Jahre später, am 6. Juli 1893, versterben sollte. Der als "Meister der Novelle" in die Literaturgeschichte eingegangene Franzose verfasste beinahe 300 Kurzgeschichten, acht Romane (z.B. "Bel Ami") und eine Fülle von meist regierungskritischen Zeitungsartikeln. Der arbeitwütige Mann führte ein rastloses, wechselvolles Leben. Beides, sowohl Maupassants Melancholie als auch seine ruhelose Energie, sind in zahlreichen seiner bis heute bekannten Figuren zu spüren.

In den radioTexten am Dienstag am 28. Juli:

Lesung "Der Schmuck von Guy de Maupassant
mit Elisabeth Endriss

Im Anschluss: nemo - das literarische Ratespiel
mit den Detektiven Elisabeth Tworek und Andreas Trojan
und mit neuem Hörerrätsel!
Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

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