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Irina Wanka liest Emily Brontë: Sturmhöhe

Vor 175 Jahren starb die rätselhafteste der drei berühmten Brontë-Schwestern. Emily Brontë erlebte nicht mehr den Ruhm ihres Romans "Wuthering Heights" (1847). Eine wütende Liebesgeschichte, ein schauerromantisches Melodram.

Stand: 10.03.2023 09:03 Uhr | Archiv

Emma Mackey - Emily Brontë: Sturmhöhe (dtv) | Bild: picture-alliance/dpa

"Catherine Earnshaw, mögest du keine Ruhe finden, solange ich noch leben muß! Du sagst, ich habe dich getötet - so räche dich! Verfolge, hetze mich! Die Ermordeten verfolgen ihre Mörder - Ich glaube daran! Ich weiß es: Gespenster können auf Erden wandeln! O, du musst immer um mich sein!"

Emily Brontë, Wuthering Heights

Sie galt als "die Seltsame" unter den talentierten Brontë-Geschwistern: Emily Brontës erster und einziger Roman "Sturmhöhe" (im Original "Wuthering Heights") war 1847 kein sofortiger Erfolg, nicht wie "Jane Eyre", der große Wurf von Schwester Charlotte. Zu wild, zu amoralisch das zentrale Paar Catherine und Heathcliff, was manch viktorianische LeserInnen verschreckte. Doch heute zählt "Sturmhöhe" zu den besten Werken der englischen Literatur. Schon 1925 urteilte Virginia Woolf:

"Wuthering Heights is a more difficult book to understand than Jane Eyre, because Emily was a greater poet than Charlotte."

Virginia Woolf

Gefühlsstürme wie Naturgewalten
Auf einer Anhöhe inmitten der rauen Landschaft von Yorkshire liegt das Anwesen "Wuthering Heights", dem erbarmungslosen Wind ausgesetzt - ein wahres "Paradies für Menschenfeinde", heißt es. Der Besitzer Mr. Earnshaw nimmt das Findelkind Heathcliff zu sich, in den Earnshaws Tochter Cathy sich bald schon heftig verliebt. Trotzdem weist sie ihren Adoptivbruder aufgrund der Standesunterschiede zurück. Gedemütigt verlässt Heathcliff den Hof, um später zurückzukehren, nun reich und stattlich - und voller Rachepläne. Die düstere Hass-Liebe zwischen Heathcliff und Catherine legt sich auch noch über die nächste Generation. "Wuthering Heights" ist so auch eine mitreißende Saga zweier ganz unterschiedlicher Familien (der Earnshaws und der Lintons).

"Jetzt wäre es unter meiner Würde, Heathcliff zu heiraten, darum darf er nie wissen, wie sehr ich ihn liebe."

Catherine, Wuthering Heights

Bis heute fesseln nicht nur die leidenschaftlichen, fluchenden Charaktere in "Wuthering Heights", auch Emily Brontës Erzähltechnik überrascht - insbesondere die damalige englische Leserschaft des 19. Jahrhunderts! Das Drama zwischen Cathy und Heathcliff wird nämlich nicht von einem allwissenden Erzähler, sondern von mehreren Beobachtenden aus der Ich-Perspektive geschildert - den größten Anteil erzählt die Haushälterin Nelly Dean. Eine verschachtelt, nicht chronologisch präsentierte Handlung, aus den Augen diverser Personen, die somit einseitige moralische Interpretationen gar nicht zulassen: Die Technik der Autorin trägt so gesehen avantgardistische Züge.

Mythos Emily
Die rätselhafte Emily, die schüchterne Schöpferin dieser merkwürdigen Liebesgeschichte zwischen Cathy und Heathcliff wurde 1818 in West-Yorkshire geboren und verbrachte dort die meisten ihrer nur dreißig Lebensjahre, einige Zeit arbeitete sie als Lehrerin. Trotz ihres stillen, introvertierten und kurzen Lebens inspiriert sie bis heute viele KünstlerInnen (in der Musik z. B. Kate Bush oder Death Cab for Cutie) die ihre Werke interpretieren, adaptieren oder über die introvertierte Schriftstellerin spekulieren. Im Herbst vergangenen Jahres lief "Emily" in unseren Kinos, ein Biopic, in dem die Regisseurin Frances O’Connor sehr frei das (mögliche, aber so nicht belegte) Leben der Emily Brontë in wunderschönen Bildern inszeniert - und auch öfters fiktiv aufpeppt mittels Affäre mit dem neuen Vikar. "Sturmhöhe" wurde bis heute sogar an die zwanzig Mal verfilmt. William Sommerset Maugham schrieb über die geheimnisvolle Miss Brontë:

"Was für eine Frau sie war, muss man erraten - anhand ihres einzigen Romans."

William Sommerset Maugham

Die Lesung in drei Teilen mit Irina Wanka ist eine gekürzte Fassung der Übersetzung von Michaela Meßner (erschienen bei dtv), die sich vor allem auf den Erzählstrang der Haushälterin konzentriert.

Redaktion und Moderation: Kirsten Böttcher

Mit freundlicher Genehmigung des Verlags können wir die Lesung bis zum 13. April 2023 als Podcast anbieten.


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