Bayern 2 - radioTexte


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Lesung mit Doris Dörrie Was die Welt zusammenhält: gutes Essen!

Wenn Doris Dörrie über das Essen schreibt, liest sich das, als umarme sie die Welt. Mit Verve und Wissen liest die berühmte Filmregisseurin und Autorin vom puren Pasta- und Paella-Glück, von Diäten und Datschi, von Kücheninspirationen aus Amerika, Italien oder Japan. Und es wird klar, wie politisch das Private ist, wie sehr man ist, was man isst. "Die Welt auf dem Teller" von und mit Doris Dörrie

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 10.12.2020 | Archiv

66. Internationale Filmfestspiele Berlin, 2016, Photocall für "Grüße aus Fukushima" - auf dem roten Teppich: Doris Dörrie (Regisseurin). Foto: Michael Kappeler/dpa | Bild: picture-alliance/dpa

"Das Essen ist einer der vier Zwecke des Daseins. Welches die drei anderen sind, darauf bin ich noch nicht gekommen."

(Baron de Montesquieu)

Zu den Dingen, die die Welt im Innersten zusammenhalten, gehört sicherlich unser täglich Brot. Erzählen wir von unseren Lieblingsgerichten, wird es persönlich: Wir schwelgen in wohlig warmen Erinnerungen aus Kindheitstagen, erzählen von exotischen Urlaubsentdeckungen oder besonderen Kochkreationen, die man sich einmal gegönnt hat. Das, womit wir Körper und Geist nähren, ist seit Jahrtausenden eine Lebensnotwendigkeit und heutzutage eine immense Industrie, ist Lust und Laster, Hochkultur und zugleich Qual und Tod für unzählige andere Erdenbewohner.

Doris Dörries Buch „Die Welt auf dem Teller“ will vor allem inspirieren, nicht moralisieren. Ihre knackig kurz gehaltenen Essens-Essays lenkt unsere Augen auf die Pracht , die Vielfalt, die Kunst, die bei uns allen in der Küche stattfinden könnte und wie uns das, womit wir täglich unseren Teller füllen, mit der Welt um uns herum verbindet. 

Was Paella mit Toleranz zu tun hat

"Meine Theorie ist, dass es gefährlich ist, wenn wir nicht mehr regelmäßig in großen Runden essen und unsere Geschichten erzählen und hören. Es macht uns auf jeden Fall nicht gerade toleranter, und als weitere negative Begleiterscheinung verkümmert unsere Fähigkeit zu erzählen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Spanien toleranter mit Fremden umgeht als fast jedes andere europäische Land. Vielleicht liegt es an der Paella. Ich will ja, ich will ja, ich will ja nach Sevilla."

(Doris Dörrie, Die Welt auf dem Teller)

Die viel reisende Regisseurin und Autorin, die auch in aller Welt Creative-Writing-Kurse gibt, erzählt geradeherau und abwechslungsreich, mal zart, mal satirisch, von ihren persönlichen Vorlieben und kosmopolitischen Erfahrungen aus Küchen rund um den Globus - vom reschen Brotknust bis zum spielenden Tintenfisch.

"Aus purem Übermut sprüht er Freunden Wasser ins Gesicht. Als ich das las, war es um mich geschehen… Der Tintenfisch ist mein Gleichgesinnter! Er will nur spielen Jetzt kann ich keinen Tintenfisch mehr essen. Wer spielt, hat bei mir gewonnen. Im Spiel liegt Schönheit."

(Doris Dörrie, Die Welt auf dem Teller)

Ihr Erzählton ist dabei so sympathisch, dass die Moral von der Geschicht’ gleich mitgeschluckt wird. Denn eigentlich wissen wir es ja alle: ein bewusstes Genießen von bewusst gekau(f)ten Lebensmitteln würde nicht nur unsere Mitte verschlanken und das Cortisol-Level senken. Der tägliche Genuss wäre ein entscheidender Faktor für das Wohl von Tier, Mensch und Natur weltweit. 

Doris Dörrie

Doris Dörrie (l.-r.) mit Hannelore Elsner und Elmar Wepper, 2008 vor der Premiere ihres Films "Kirschblüten-Hanami" im Münchner Gloria Palast

1955 in Hannover geboren, studierte die Tochter eines Arztes und Schokoladenliebhabers Theater und Schauspiel in Kalifornien und New York, entschloss sich dann aber für die Regiearbeit. 1983 gab sie ihr Kinodebüt mit dem Film "Mitten ins Herz". Ihr dritter Film "Männer" wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Filme aller Zeiten. Ihre späteren Arbeiten wurden vielfach preisgekrönt. Zudem veröffentlichte sie mehrere Erzählungen und Romane, darunter "Was machen wir jetzt?", "Happy" und "Der Mann meiner Träume“. Sie leitet den Lehrstuhl "Creative Writing" an der Filmhochschule München und gibt immer wieder in allen Ländern der Welt Schreibworkshops. Seit 2019 ist sie Mitglied der Oscar Academy. Doris Dörrie lebt in München und Bernbeuren.

"Die Welt auf dem Teller"

von und mit Doris Dörrie
am 15. Dezember in den radioTexten am Dienstag kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2

Das Buch von Doris Dörrie mit Illustrationen von Zenji Funabashi ist im Diogenes Verlag erschienen.

Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

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