Bayern 2 - radioTexte


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Lesereihe "Auf Reisen" Mit großen Autor*innen ins Unbekannte

Trips durch Raum und Zeit, über physische oder nationale Grenzen hinweg, jenseits jeglicher Krisen und Pandemien? Alles möglich in fiktiven Welten! Im Rahmen des ARD Radiofestivals präsentieren auch die radioTexte exklusive Erzählungen spannender Autor*innen, die sich für uns auf eine Reise ins Unbekannte begeben haben. Mit dabei u.a. sind Döris Dörrie, Lutz Seiler und Nora Bossong.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 11.08.2020 | Archiv

Frau liest ein Buch in einer Hängematte - Gegenlichtbild bei Sonnenuntergang | Bild: picture-alliance/dpa

Als Solidaritätsaktion der ARD für Gegenwartsautor*innen startet nun ein Lesesommer voller Entdeckungen rund ums Wegfahren, Wegträumen und Dableiben. 40 der wichtigsten deutschsprachigen GegenwartsautorenInnen gehen für die ARD exklusiv auf Reisen. Mit dabei: Bestseller-Autoren wie Lutz Seiler, Büchner-PreisträgerInnen wie Terézia Mora, Marcel Beyer und Martin Mosebach, Joseph-Breitbach-Preisträgerin Nora Bossong und viele andere SchriftstellerInnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz. Für den Bayerischen Rundfunk (Kultur Aktuell/radioTexte) schrieben Filmemacherin Doris Dörrie, Dichterin Ulrike Draesner, Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe, Dramatikerin Kerstin Specht, Erzählerin Christine Wunnicke.

Mit diesem Who is Who der zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturszene bietet die ARD Reisen im Kopf und unterstützt zugleich AutorInnen, die besonders betroffen sind von Corona und den Folgen, nachdem Lesungen, Festivals, Messen abgesagt wurden und werden. Ein ambitioniertes Gemeinschaftsprojekt des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, hier in den radioTexten am Dienstag in den kommenden Augustwochen zu hören.

Kerstin Specht und Lutz Seiler am 4. August

Die im oberfränkischen Kronach geborene Bühnenautorin Kerstin Specht lebt in München.

In ihrer Erzählung "Pipo tanzt!" schildert die 1956 im oberfränkischen Kronach geborene Theaterautorin Kerstin Specht das Schicksal einer Frau, die in das Haus ihrer Kindheit zurückkehrt, um Ruhe zu finden. Da meldet sich eine alte Liebe wieder: Pipo aus Venezuela. Die karibischen Erinnerungen kommen zurück. Ist ein Neuanfang denkbar? Würde sie noch einmal mit ihm aufbrechen? Aber wohin? Und wozu? 

"Hier ist Pipo.
An ihn hatte sie Jahre nicht mehr gedacht. Vor einigen Wochen kam dieser Anruf.
'Wo bist du?
Ich bin nicht mehr in Caracas, Caracas geht unter.
Sie hörte, dass er einen Schluck nahm, einen großen Schluck.
Ich wohne jetzt in Madrid. Bin dir schon wieder näher."

(Kerstin Specht, Pipo tanzt)

"Exit" von Lutz Seiler

Ein "Ausbruch" nach Schweden Ende April, in der Hoch-Corona-Zeit, steht im Mittelpunkt von "Exit", der Erzählung Lutz Seilers. Kann das klappen? Oder endet die Familienzusammenführung womöglich schon an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern? Nachrichten über Checkpoints und von vereitelten "Grenzdurchbrüchen" wecken in Lutz Seiler, der für seinen Debütroman "Kruso" 2014 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde und in diesem Jahr den Preis der Leipziger Buchmesse für "Stern 111" erhielt, unweigerlich Erinnerungen. Die Pandemie stellt alle halbwegs vertrauten Erfahrungen und Denkgewohnheiten in Frage, aber das wiederum ist für den 1963 in Gera geborenen Autor kein unbekanntes Gefühl.

Nele Pollatschek und Yannik Han Biao Federer am 11. August

"Man atmet aus, man hat sich schon fast unter Kontrolle, man findet sich damit ab, dass der Moment, nach dem man sich so gesehnt hat, vorbei ist, obwohl er nie wirklich begann. Man sieht sich im Altersheim, in einem stöhnenden Meer aus Bedauern, man bedauert, ihn nicht geküsst zu haben, man bedauert, dass man sich nicht mal vorstellte, ihn zu küssen. Man will sich gerade umdrehen, da streckt er doch wieder seine Hand aus."

(Nele Pollatschek)

Nele Pollatschek mit England-Tasse. Ihr zuletzt bei Kiepenheuer & Witsch erschienenes Buch "Dear Oxbridge" ist ein Liebesbrief an England.

Nele Pollatschek studierte Englische Literatur und Philosophie in Heidelberg, Cambridge und Oxford. Dort wurde sie im Jahr 2018 zur Theodizeefrage im viktorianischen Roman promoviert. Ihr Debütroman "Das Unglück anderer Leute" (2016) wurde mit dem Friedrich-Hölderlin-Förderpreis und dem Grimmelshausen-Förderpreis ausgezeichnet. Seit Sommer 2019 präsentiert sie auf hr2 kultur "Pollatscheks Kanon: Weltliteratur zum Mitreden". Für die ARD erzählt die 32-jährige Berlinerin eine Reisegeschichte voller Fantasie — wild, romantisch und urkomisch: „Griechenland 2006 – Die Geschichte einer verpassten Reise".

Ja, wenn die Erzählerin als 17-Jährige mit dem Rucksack nach Griechenland gereist wäre, dann hätte sie eine Muschel vom Strand von Patras mitgebracht, eine Mix-CD, einen unerklärlichen Ekel vor Perserteppichen und Retsina und Geschichten, bei denen auch die schlüpfrige Heidemarie noch rot werden würde.
Sie aber blieb zu Hause — und lernte im Fernsehen, was sie verpasste. Wie ihr "Griechenland 2006" hätte werden können, das wird sie sich erst im Altersheim ausmalen. 

„Bayreuth/Jakarta“ – Ein Opernbesuch als Zeit-Raum-Reise

Yannic Han Biao Federer arbeitete zuerst im Literaturhaus Köln. Jetzt konzentriert er sich ganz aufs Schreiben.

Eindrucksvoll versteht es Yannic Han Biao Federer in seinen Texten, Stimmungen zu erzeugen und gleichzeitig das Erzählte von Festlegungen frei zu halten. Mit einer Trennungsgeschichte gewann er bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt im letzten Jahr den 3sat-Preis - präzise erzählt, irritierend mehrdeutig zugleich. In seinem Debütroman "Und alles wie aus Pappmaché" (Suhrkamp) folgt er vier jungen Menschen auf der Suche nach einer gemeinsamen Geschichte. In seiner Erzählung fürs ARD Radiofestival begibt sich der 34 Jahre junge Autor aus Breisach am Rhein nun nach Bayreuth. Ein Opernbesuch führt in zurückliegende Zeiten, an weit entfernte Orte.

Doris Dörrie und Leif Randt am 18. August

Doris Dörrie liest für die ARD ihre Erzählung "Die Heldin reist".

Kann sie besser schreiben oder Filme drehen? Döris Dörrie kann beides. Die 65-jährige Autorin, Drehbuchschreiberin und Regisseurin fragt nach der Dramaturgie der Heldinnenreise, exklusiv für das ARD Radiofestival. Der Mythos der klassischen Heldenreise, Grundlage für unzählige Geschichten, geht so: Ein Mann bricht auf zu einer Abenteuerreise, riskiert den eigenen Tod, überwindet Hindernisse und kehrt als Held zurück. Aber was geschieht, wenn eine Frau reist? Doris Dörries Protagonistin fährt zu einem Filmfestival in die USA. Als vernünftige Frau versucht sie, unkalkulierbare Risiken zu vermeiden. Dennoch kann sie dem Abenteuer nicht ausweichen. Sie überlebt ein Unglück, die archetypische Figur der Mentorin gesellt sich zu ihr, sie wird mit einem ganz anderen Kampf konfrontiert. Wird sie als Heldin zurückkehren? Doris Dörrie liest "Die Heldin reist".

"MAPS ME - Jahre im Disneyland"

Modern, cool, zeitgemäß - so feierte das Feuilleton in diesem Frühjahr Leif Randts Roman "Allegro Pastell". Für das ARD Radiofestival erzählt der 37-jährige Autor nun von den wichtigsten Urlauben seines Lebens. In einer Collage aus "Real-Life-Reiseminiaturen" blickt er auf verschiedenartige Disneyland-Erfahrungen zwischen 1992 und 2020 zurück, auf Asien und Amerika, auf Johannesburg und Lindau. Der Schriftsteller Leif Randt wurde in Frankfurt geboren und lebt heute in Maintal-Ost und Berlin. Bei seiner ersten Reise ins Disneyland war er keine 10 Jahre alt.

Nora Bossong und Clemens Meyer am 25. August

Sie macht gerade alles richtig: Nora Bossong, 38 Jahre jung, geboren in Bremen, hat sich in diesem Jahr schon über mehrere Auszeichnungen freuen dürfen. Im vergangenen Jahr war Ihr Roman "Schutzzone" für den Deutschen Buchpreis nominiert. Für das ARD Radiofestival hat die in Berlin lebende Autorin die Geschichte "Fallen" geschrieben: eine surreale Reise durch die Stadt!

Sie kann sich zwischen Lyrik, Prosa und Essayistik bewegen: die vielfach preisgekrönte Autorin Nora Bossong.

In einem Wohnhaus wird das Dach ausgebaut. Das setzt eine seltsame Mäusewanderung in Gang, die Tiere breiten sich in den angrenzenden Wohnungen aus. Eine Lebendfalle soll das Problem lösen. Dumm nur, dass die gefangene Maus die Falle nicht verlassen will! Stattdessen lockt sie ihre neue, menschliche Bekanntschaft auf eine surreale Reise durch die Stadt, aber auch durch einige Schattenbilder der Vergangenheit. Lässig-souverän fügt Nora Bossong in ihren Romanen, Gedichten und Erzählungen zusammen, was scheinbar nicht zusammenpassen will: Philosophie und Alltag, Politik und menschliche Schwächen.

Clemens Meyer liest "Stäube"

Das Kind muss weichen. Der Braunkohle, dem Tagebau. Der Ort wird abgekauft und weggebaggert. Und das Kind muss mit den Eltern in die Stadt ziehen. Vom Grün ins Grau, von der hellen weiten Landschaft in enge Straßen zwischen Häuserzeilen. Dort trifft es auf seltsame Menschen, gerät an eine Gruppe Jugendlicher und Kinder mit befremdlichen Ritualen. Der 43-jährige Leipziger Autor und Pferdenarr Clemens Meyer, dessen Debütroman "Als wir träumten" gleich auch erfolgreich verfilmt wurde, zieht uns immer tiefer hinein in ein dunkles Märchen, das doch erschreckend real ist.

Die Lesungen laufen immer dienstags in den radioTexten, kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2

Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino

Highlights und Programm des Festivals finden Sie auch hier: ardradiofestival.de. Und zu allen Lesungen als Podcast geht's hier lang.

Unsere Lesungen können Sie immer und überall nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.


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