"Wunsiedel" Oberfranken neu entdeckt von einem Fremden
Ein Heimatroman auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2011: In seinem autobiografisch gefärbten Buch "Wunsiedel" besucht der Autor Michael Buselmeier die oberfränkische Kleinstadt im Fichtelgebirge.
Denkt man an Wunsiedel, dann fallen einem sofort mehrere Schlagwörter ein: Geburtsstadt von Jean Paul, der bis zu seinem Studium in dem oberfränkischen Städtchen herum“flegelte“, die Nazi-Aufmärsche an der Grabstätte von Rudolf Heß, die fast 25 Jahre immer wieder Thema waren, bis letztes Jahr das Grab aufgelöst wurde, die guten „Sechsämtertropfen“, die angeblich den verdorbenen Magen wieder einrenken, entzündete Stimmbänder ölen und in altem Fett gebackene Karpfen zersetzen, die Luisenburg-Festspiele, Deutschlands erfolgreichste Freilichtbühne, die vielen Brunnen, die am 24. Juni mit einem eigenen Fest geehrt werden, Natur, Felsenlabyrinth, Wanderwege, intakte Natur und nochmals Natur. Und seit 2008 darf sich Wunsiedel auch noch „Ort der Vielfalt“ nennen, vielfältiger kann sich ein Ort nicht präsentieren.
„Die kleine, aber gute, lichte Stadt“
Doch Wunsiedel kann das. Wunsiedel hat jetzt nämlich auch noch einen eigenen Roman, der in Wunsiedel spielt und auf dem auch noch „Wunsiedel“ draufsteht. Ein sommerlicher Heimatroman, ein Theaterroman, ein versponnener, grüblerischer Künstlerroman, geschrieben von Michael Buselmeier. Auf der Buchpreis-Shortlist 2011, hochgelobt von der Kritik. Nur 160 Seiten, der Quickie für Zwischendurch.
Wunsiedel im Roman
Moritz Schoppe heißt der Held in „Wunsiedel“, ein junger Mann aus Heidelberg, ein Muttersohn mit der Erfahrung als uneheliches Kind und Heimkind; ein Außenseiter, der die Mutter und die Freundin in Heidelberg zurückgelassen hat, nun in Wunsiedel ein erstes Engagement im "Götz von Berlichingen" antritt und damit zehn deprimierende Monate an der Freilichtbühne. Große Erwartungen hegt dieser junge Idealist, bevor er an der Resignation des Direktors, der Eitelkeit anderer Schauspieler scheitert. Michael Buselmeier beschreibt diese Erfahrungen als Spurensuche eines älteren, reifen Mannes, der 2008 an den Ort des Geschehens zurückkehrt und sich an jene quälende Zeit 1964 erinnert. Er sucht seine ehemaligen Wirtsleute, er registriert die Veränderungen des Ortes, schaut hinter die Theater-Kulissen und erkundet die Natur, wie damals.
"Ich bin ein autobiographischer Autor", sagt Michael Buselmeier von sich; ein Achtundsechziger, ein Spätromantiker, der in Jean Paul und Adalbert Stifter Vorbilder findet; ein Altlinker, der sich dem Heimatroman der anderen Art verschrieben hat.
Cornelia Zetzsche im Gespräch mit Michael Buselmeier über seine Verwurzelung in der Provinz und Ausschnitte aus seinem Roman, gelesen von Fred Maire, der Synchronstimme von Groucho Marx, Gene Kelly oder Peter Sellers, der den selbstironischen Ton von "Wunsiedel" meisterhaft interpretiert.
radioTexte – Das offene Buch am 11. Dezember um 11 Uhr auf Bayern 2
Michael Buselmeier, geboren 1938 in Berlin, aufgewachsen in Heidelberg. Schauspielausbildung und Studium der Kunstgeschichte und Germanistik. Im September 2010 erhielt Michael Buselmeier den mit 15.000 Euro dotierten Ben-Witter-Preis. Sein Roman "Wunsiedel" wurde in diesem Jahr für den Deutschen Buchpreis (Shortlist) nominiert. Der Schriftsteller und Lyriker lebt und arbeitet in Heidelberg
Der Roman "Wunsiedel" ist 2011 im Wunderhorn Verlag, der mit dem Kurt-Wolff-Preis 2012 ausgezeichnet wurde.
"Der Kurt-Wolff-Preis 2012 geht an den Verlag Das Wunderhorn in Heidelberg, der seit seiner Gründung im Jahre 1978 die internationale Orientierung und die lokale Verwurzelung seines Programms erfolgreich ausbalanciert, aus dem Brückenschlag zwischen deutscher Romantik und französischem Surrealismus immer neue Parallelaktionen von Lyrik und Prosa, Literatur und bildender Kunst hervorgehen läßt und dem deutschen Publikum die außereuropäischen Kulturen der Karibik, Südamerikas und Afrikas näherbringt."
(Begründung der Jury)