Digitales Erbe Was passiert mit Cloud-Daten oder Mail-Konten?
Auch im Internet gibt es ein Leben nach dem Tod: Verstorbene hinterlassen ihren Erben Musiksammlungen, eBook-Bibliotheken, Profile in sozialen Netzwerken, E-Mail-Konten und Verträge mit Telekommunikationsdienstleistern und Internetanbietern. Anbietern wie Google wird langsam klar, dass hier ein Erbe zu regeln ist. Die Nutzer selbst können es ihren Erben erleichtern, wenn sie für ihre Online-Aktivitäten Vorkehrungen treffen.

Für das deutsche Erbrecht ist die Sache eigentlich ganz einfach: Der Erbe wird Gesamtrechtsnachfolger, das heißt, er wird Eigentümer nicht nur von Sachwerten, ob Haus, Konto oder Bücherschrank, sondern auch vom digitalen Vermögen, ob Musikdateien, digitalen Fotos oder E-Books. Doch machen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Anbieter häufig einen Strich durch die Rechnung.
AGB contra Erbrecht
Die deutschen AGB bei Apples iTunes räumen den Kunden beispielsweise nur eine Nutzungslizenz ("zur Nutzung als Endnutzer") ein. Diese erlischt mit dem Tod. Bei Apples iCloud heißt es ausdrücklich: "Sie stimmen zu, dass Ihr Konto nicht übertragbar ist und dass alle Rechte an Ihrer Apple ID oder Ihren Inhalten innerhalb Ihres Kontos mit Ihrem Tod enden." Auch in den AGB des Anbieters Amazon heißt es, der Kunde erwerbe lediglich eine Nutzungslizenz.
Viele Fragen sind hier noch ungeklärt, sagt Rechtsanwalt Dr. Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht: "Ob dies bedeutet, dass die Lizenz im Todesfall einfach wegfällt, hängt davon ab, ob diese Bedingungen der Firmen überhaupt mit dem deutschen Recht vereinbar sind. Leider gibt es hierzu im Moment noch kaum Urteile von Gerichten."
Neue Aufgaben für Bestatter
Auch immer mehr Bestatter haben erkannt, dass Hinterbliebene sich um das digitale Erbe kümmern müssen und arbeiten deshalb mit Firmen zusammen, die den digitalen Nachlass von Verstorbenen ordnen. Dieser Dienst wird in Deutschland bisher nur von der Firma Columba angeboten.
Die Bestatter leiten auf Wunsch der Hinterbliebenen die Sterbeurkunde an Columba weiter. Deren Software scannt danach die Datenbanken von Internetunternehmen. Findet sie Treffer, kann der Angehörige entscheiden, ob er die Verträge auflösen oder weiterführen will. Zwischen 50 und 250 Euro kostet der Service. Je nachdem, wie lange Columba nach Spuren des Verstorbenen forschen soll.
Erbe ist Rechtsnachfolger bei Online-Geschäften
Klare Sache: Bei Online-Geschäften muss der Erbe anstelle des Verstorbenen Waren annehmen oder verschicken.
Einfacher ist es, wenn der Verstorbene bei einer Online-Aktion mitgemacht hat, online eine Reise gebucht hat oder Waren bestellt hat. Der Erbe ist Gesamtrechtsnachfolger. Er muss die Ware, die bei einer Online-Auktion verlauft wurden, an den Käufer schicken und Waren annehmen, die der Verstorbene bestellt hat. Eine Reise kann er ohne Schwierigkeiten aus wichtigem Grund stornieren. Bei Bankgeschäften wird in der Regel ein Zugang zum Online-Banking nicht mehr möglich sein. Allerdings wird das Kreditinstitut gegen Vorlage der Sterbeurkunde einen Zugang gewähren.
Digitaler Nachlass bei Kommunikationstools
Digitales Testament bei Google
Beim Internet-Konzern Google können Nutzer seit einiger Zeit einen sogenannten "Kontoinaktivität-Manager" verwenden. Dieser wurde bei Google in München für den weltweiten Einsatz entwickelt und gibt den Nutzern die Möglichkeit, ihren digitalen Nachlass bei dem Internet-Konzern zu regeln. "Ich kann beispielsweise auswählen, dass meine Mutter meine E-Mails bekommen soll, mein Partner meine Dokumente in Google Drive und eine Freundin Zugriff auf meinen Youtube-Account", sagt Lena Wagner, Google-Pressesprecherin, zur Funktion des Kontoinaktivität-Managers.
Das bietet der "Kontoinaktivität-Manager"
Hinter dem "Kontoinaktivität-Manager" steckt eine Art virtueller Nachlassverwalter für die Daten von bei Google registrierten Usern.
Der Dienst bietet zum Beispiel die Möglichkeit, die Daten nach einem festgelegten Zeitraum von drei, sechs, neun oder zwölf Monaten automatisch löschen zu lassen. Stattdessen kann der "Kontoinaktivität-Manager" auch die Einwahldaten für Google-Dienste an bestimmte vorher benannte Personen übermitteln. All diese testamentarischen Funktionen können Nutzer in den Kontoeinstellungen des Google-Dienstes festlegen. Ist ein Konto längere Zeit inaktiv, will Google dem Kontoinhaber eine SMS schicken, bevor die Firma etwas unternimmt. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass Google die Daten nicht an die Erben herausgibt, wenn nichts geregelt wurde. "Da ist uns die Privatsphäre wichtig, auch über den Tod hinaus", so Google-Sprecherin Wagner.
Nicht vergessen: Passwörter hinterlassen!
Das eigentliche Problem aber ist, an die Zugangsdaten für das virtuelle Vermächtnis zu kommen, wenn sie nicht vorausschauend hinterlegt wurden. Dabei müssen aber Passwörter nicht im Testament aufgenommen werden. Anton Steiner vom Deutschen Forum für Erbrecht rät zu einem pragmatischen Vorgehen: "Besser ist es, für E-Mails, soziale Netzwerke und sonstige Internetanwendungen eine Liste mit den wichtigsten Passwörtern zu erstellen und diese gemeinsam mit dem Testament und etwaigen sonstigen wichtigen Dokumenten in einer Mappe oder einem Ordner an einem möglichst sicheren Ort aufzubewahren. Einige wenige Vertrauenspersonen sollten für den Notfall darüber informiert sein, wo sich die Unterlagen befinden, zum Beispiel der Ehepartner, erwachsene Kinder oder ein langjähriger Freund."
Allerdings müssen Passwörter natürlich regelmäßig geändert werden. Wer seinen Erben dennoch aktuelle Informationen hinterlassen will, muss in den sauren Apfel beißen und die Änderungen jeweils schriftlich vermerken.