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Yoko Ono Between my head and the sky

Sie ist nicht wegzudenken, ein fester Bestandteil der Popgeschichte - aber auch der Popkultur. Zum 80. Geburtstag von Yoko Ono ein Blick auf ihr Leben als Kulturschaffende, abseits von John Lennon und den Beatles.

Von: Judith Schnaubelt

Stand: 27.02.2013 | Archiv

Yoko Ono | Bild: picture-alliance/dpa

Yoko Ono feierte ihren 80. Geburtstag in Berlin. Mit ihrem Sohn Sean Ono Lennon und der Plastic Ono Band gab sie zuerst ein rockend-psychedelisches Konzert in der Volksbühne. Um Mitternacht sangen Publikum und Gäste aus der Popszene wie Peaches, Klaus Voormann, Michael Stipe, Robyn Hitchcock, Rufus und Martha Wainwright ein Ständchen für Yoko: „Zum Geburtstag viel Glück.“

Warum feierte Yoko Ono ihren runden Geburtstag in Deutschland? Zum einen liebt sie die Stadt Berlin, zum anderen wurde schon am 14. Februar 2013 in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle die große Ausstellung „Yoko Ono. Half-a-wind show. Eine Retrospektive“ eröffnet. Yoko kam von New York persönlich nach Frankfurt zur Eröffnung. Gekleidet im obligatorischen schwarzen Hosenanzug. Der schwarze Hut und die schicke Sonnebrille fehlten auch nicht. Und: Yoko hat sogar für die Fotografen lächelnd getanzt, inmitten einer ihrer Installationen. Kann sich kaum einer vorstellen, dass diese Frau tatsächlich schon 80 Jahre alt ist.

"Pur und so einzigartig"

Tokio, Japan, 18. Februar 1933. Isoko Yoko, die Mutter von Yoko Ono, hat sich später einmal an diesen Tag so erinnert.

"Als Yoko in der Teikyo-Universitätsklinik zur Welt kam, schneite es heftig. Ins Leben zu starten, wenn die Welt silbern glitzert, ist, im Nachhinein betrachtet, nur angemessen für einen Menschen, der so pur und so einzigartig ist wie Yoko."

Isoko Yoko

Yoko Onos Mutter erwähnte nicht, wie der erste Schrei der neugeborenen Yoko klang. Aber immer, wenn Yoko Ono, die Sängerin und Musikerin, geschult von der musikalischen Avantgarde der 1960er Jahre, auf ihren Konzerten oder Schallplatten schrie, bekamen es manche Leute mit der Angst zu tun. Andere fanden Yokos inszenierte Schreie einfach nur furchtbar. Wer dagegen ihren milden Sprechgesang auf dem letzten aktuellen Yoko Ono/Plastic Ono Band-Album „Between my head and the sky“ aus dem Jahr 2009 hört, wird ihn sicher beruhigend empfinden. 

Muss man sich vor Yoko fürchten?

Vor dieser Frau braucht keiner mehr Angst haben, außer möglicherweise Yokos Businesspartner, denn sie ist als harte Geschäftsfrau bekannt. Musste sich überhaupt je einer vor Yoko fürchten? Jene vielleicht, die starke Frauen, noch dazu Feministinnen, nicht aushalten; und jene, die Angst haben vor der Kraft und Subversivität in Yokos Kunst. Vor dem, was diese Kunst bei ihnen selbst im Inneren berühren, bewirken und auslösen könnte: Verunsicherung, Aggression oder auch ganz zarte Gefühle? Die Frage ist hier: Why not? Gute Kunst löst eben alle Arten von Emotionen aus und konfrontiert uns mit uns selbst.

Zum Bespiel Yoko Onos Track „Why not?“, 1970  auf ihrem Solo-Debutalbum „Yoko Ono/ Plastic Ono Band“ veröffentlicht. Die Band- Besetzung: Gesang, Gitarre, Klavier: John Lennon. Bass: Klaus Voorman. Keyboard: Billy Preston, Schlagzeug: Ringo Starr. Auf einem Track spielt auch Freejazz-Pionier Ornette Colemann Saxophon.

Schon in den frühen 60er-Jahren war die Japanerin Yoko Ono, die damals in New York lebte, hoch respektiertes Mitglied der New Yorker Avantgarde-Szene um John Cage, La Monte Young oder eben Ornette Colemann.

"In Yokos Musik finden sich die Sounds aller Volkskulturen der Gegenwart. Sie ist echte Weltmusikerin."

Ornette Colemann

Vor allem meinte Colemann natürlich Yoko Onos Stimme. Yoko trifft nicht immer - im klassisch-musikalischen Sinne - den richtigen Ton. Nein, sie benützt ihre Stimme als hochexpressives Instrument für alle Emotionen, die in ihr sind und die sicher bis zurück in die Steinzeit in allen Menschen immer vorhanden waren. Manchmal sind diese Töne nicht unbedingt jugendfrei, wie man auf dem „Orange Factory Club Mix“ von Yokos Song „Open Your Box“ nachhören kann.

"Yoko Ono tritt aus dem Schatten ihres Mannes"

Mich jedenfalls macht Yoko Onos experimenteller Gesang nicht aggressiv. Was mich aber tatsächlich ärgert, ist, wenn die hiesige Presse titelt: „Yoko Ono tritt aus dem Schatten ihres Mannes.“ So geschehen nach der Ausstellungseröffnung in der Frankfurter Schirn. Erstens ist John Lennon seit 33 Jahren tot. Zweitens war Yoko Ono auch nach Lennons Ermordung eine überaus aktive Musikerin, Künstlerin und Friedensaktivistin. Und sie ist es heute noch.

Vielleicht gibt es sogar eine jüngere Generation, der Yoko Onos Name weit mehr sagt, als der von John Lennon? Möglicherweise jenen Popbands und Solokünstlern, die seit den Nullerjahren wieder verstärkt Yoko-Songs covern? Oder der jungen Generation von Friedensbewegten weltweit? Oder jenen, die in den Clubs zu Yokos Dancehits tanzen?

Den „Orange Factory Club Mix“ von „Open your Box“ haben übrigens die bulgarischen Elektronik-Forscher aus der „Orange Factory“ produziert und er war einer von Yokos Number One Club Hits. Auch andere Produzenten haben Yoko-Songs für die Dancefloors rundum erneuert, zum Beispiel die Pet Shop Boys, Basement Jaxx oder Felix Da Housecat. Ihre Remixe sind auch auf der Compilation „Open your Box“, veröffentlicht im Jahr 2007, zu hören. 

Wir können annehmen, dass John zu diesen Hits auch getanzt hätte, wenn er’s noch leben würde. Ursprünglich erschien Yokos „Open your Box“- Song 1971 als B-Seite der John Lennon/Plastic Ono Band-Single „Power to the People“. Letzteres eine Lennonsche Hymne, mein Favorit aber aus den frühen 1970er Jahren ist Lennons „Instant Karma“. Der berühmte Phil Spector hat es in den Abbey Road Studios produziert, denn 1970 lebten Yoko und John noch in London. Yoko inspirierte John zum Song „Instant Karma“. Sie hatte John von dem kleinen inoffiziellen Schallplattenlabel namens „Instant Records“ erzählt, das sie mal in Japan gegründet hatte.

"Und kurz darauf war der Song praktisch fertig, Instant Karma war sozusagen ein Instant-Song."

Yoko Ono

Johns Lennons Song „Imagine“ dagegen, geht auf Yoko Onos künstlerisches Credo zurück, das da lautet: „Imagine.“ Eine Onosche Anleitung zum Fantasieren. Mitmachkunst. „Stell’ Dir vor...“ Viele solcher poetischen „Imagine“-Stücke finden sich in Yokos erstem Konzept-Kunstbuch „Grapefruit“, das 1964 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Zum Beispiel das „Thunfischsandwich-Stück“:

„Stell’ Dir einen Himmel mit tausend Sonnen vor. Lass’ sie für eine Stunde scheinen. Dann lass’ sie langsam mit dem Himmel verschmelzen. Mach dir ein Thunfisch Sandwich und iss’ es."

Mit großen Augen, still, schüchtern

Yoko Ono kann zart, poetisch und zurückgenommen sein. Im Prinzip sei sie ein schüchterner Mensch, hat Yoko einmal gesagt. Und so klingt sie manchmal auch, beispielsweise im Song „Who has seen the Wind“, auf John und Yokos „Wedding Album“ von 1970. „Who has seen the Wind“ scheint altes, trauriges Kinderlied zu sein. 

Yoko Onos radikale Performances der frühen 60er Jahre sprechen dagegen eine andere Sprache. Für ihr „Cut Piece“ sitzt sie im schwarzen Kleid auf einer Bühne; Leute aus dem Publikum sollen Yoko Ono mit einer Schere das Kleid vom Leib schneiden, Stück für Stück. Aus dem „Imagine“ im Yokos Buch „Grapefruit“ wird hier, in der Performance, eine provokative Option zum Handeln. Jeder im Publikum kann selbst prüfen, wie weit er gehen würde, wenn er sich zum Schneiden entschließt. 

Vielleicht überwindet Yoko ja Schüchternheit mit künstlerischer Radikalität. Es war allerdings Beatle John Lennon, der im November des Jahres 1966 frech in jenen grünen Apfel biss, den Yoko in der Londoner „Indica Galerie“ ausgestellt hatte. Der Apfel war zwar ein echter, aber in ihn hinein beißen sollte eigentlich niemand. Durch Johns Aktion lernten sich die beiden kennen. Und bald auch verliebten sie sich ineinander.

Es gibt Fotos, die zeigen, wie Yoko anno 1967 unmittelbar neben John im Studio sitzt. Mit großen Augen, still, schüchtern. Es ist aber auch bekannt, dass sie den Beatles Vorschläge zur Musik unterbreitet hat. Klar, dass Paul, Ringo und George weder diese Vorschläge, noch Yokos Präsenz im Studio mochten. Das aber sei allein Johns Fehler gewesen, sagte mal ein guter Freud von ihm, weil John darauf bestanden hätte, dass Yoko im Studio neben ihm sitze. Ja, sie hätte ihn sogar auf die Toilette begleiten müssen. Noch Genaueres hat dieser Freund nicht überliefert. Aber die aktuellen Biographen sind sich in einem Punkt einig: Es war nicht Yoko, die an der Trennung der Beatles 1970 schuld war. Paul McCartney hat das 2012 in einer Fernesehshow ebenfalls bestätigt. Für diese Entschuldung Yokos hat Sir Paul also 42 Jahre gebraucht!

"Hi Folks, Peace, Peace!"

1969 feierten John und Yoko Hochzeit. Heimlich. Statt in die Flitterwochen zu verreisen, starten sie anschließend eine Kampagne gegen den eskalierenden Krieg in Vietnam. „This is John and Yoko, Yoko and John, from the Peace-Station Montreal. Hi Folks, Peace, Peace!“ sprechen sie zum Beispiel einem Radio-Reporter ins Mikrophon, während einer ihrer berühmten „Bed In“-Happenings. Im Pyjama sitzen sie im Bett und empfangen von früh bis spät Journalisten in einem Hotelzimmer, die Yokos und Johns Friedensbotschaft in alle Welt beamen sollen. Die amüsante, aber natürlich ernst gemeinte „Give peace a chance“-Kakophonie entstand auch in Montreal beim „Bed In“, als zwischen Blumenbouquets, Friedensplakaten und Tonbandgeräten die Beatniks Allen Ginsberg, Timothy Leary, einige Hare Krishna-Jünger und andere Zeitgenossen mit dem Ehepaar tanzten und sangen. Aber es ging, klar, noch wilder. Zum Beispiel live in concert mit Frank Zappas Mothers of Invention im Fillmore East, 1971. Und es ging auch wesentlich ruhiger und inniger, wenn John Lennon beispielsweise das mit Yoko gemeinsam komponierte „Woman Is The Nigger Of The World“ sang, sich dazu auf seiner akustischen Gitarre begleitetend.

Die Feminismus-Hymne der beiden erschien im Original 1972 auf „Some Time In New York City“, dem sehr politischen Album der Plastic Ono Band. Zu der Zeit lebten John und Yoko schon im New Yorker „Dakota Bulding“. Ein Jahr später riefen sie ihren utopischen Modelstaat „NUTOPIA“ aus.

"Es war der Versuch, ein kleines utopisches Land zu erschaffen. Diese Idee ist aber aus konkreter Notwendigkeit entstanden. Yoko und John wollten in New York bleiben, hatten aber weder eine Greencard, noch eine Aufenthaltsgenehmigung für länger"

, Nicola Bardola, Autorin der aktuellen Yoko Ono-Biographie

"Es gibt keine Gesetze in NUTOPIA außer den kosmischen. Alle Bürger NUTOPIAs sind Botschafter des Staates. Wir, zwei Botschafter NUTOPIAS, bitten um diplomatische Immunität und um die Anerkennung unseres Landes und seines Volkes durch die Vereinten Nationen."

Auszug aus Yoko und Johns Declaration of NUTOPIA

Yoko und John konnten schließlich in den USA bleiben, allerdings wurden sie, wie heute bekannt ist, von CIA und FBI überwacht.

Nach John Lennons Tod

Ende der 1970er Jahre entdecken Yoko Ono und John Lennon New Wave als pop-musikalisches Genre für sich. Sie begeben sich ins Studio und nehmen unter anderem u.a. den Song „Walking On Thin Ice“ auf. Am 8. Dezember 1980 wird die Produktion des Songs abgeschlossen. Das Ehepaar verlässt das Studio und fährt nachhause.

Vor dem „Dakota Building“ wartet Mark David Chapman. Fünf Schüsse feuert er auf John Lennon ab. Nur ein paar Stunden vorher hatte John seinem Mörder, der zusammen mit etlichen Lennon-Fans vor dem Gebäude stand, noch ein „Double Fantasy“-Album signiert. Lennon und Ono hatten es im November veröffentlicht.

1982 nimmt Yoko Ono, mit den Tränen kämpfend, an ihrer Seite der 6-jährige Sohn Sean, einen Grammy für „Double Fantasy“ entgegen. Standing Ovations vom Publikum, eine Minute lang, dann sagt Yoko:

"John und ich waren immer stolz darauf, zu den Menschen zu zählen, die gute Musik für die Erde und das Universum produziert haben. Danke."

Yoko Ono

Bald nach John Lennons Tod, schreibt Yoko wieder Songs und nimmt Alben auf. Nebenbei verwaltet sie das Erbe und hält die Erinnerung an John Lennon mit immer neuen Projekten und Aktionen wach.

Das erste Yoko-Album der 1990er Jahre ist „Rising“. Sie veröffentlicht es 1995 mit IMA, der Band ihres Sohnes Sean Ono Lennon. Die Themen von Yokos Songs auf „Rising“: Gewalt, Unterdrückung, Verlust und die weibliche Selbstbestimmung.

"Das Album zu machen, hat mich von Ärger, Schmerz und Angst gereinigt. Ich hoffe, bei Euch wird die Musik das auch bewirken."

Yoko Ono im Booklet von Rising

Die Kraft des Lachens

Sie hat sich also, über 60 Jahre alt, von vielem Negativen befreit, mit nachhaltiger Wirkung. Wahrzunehmen in ihren späteren Kunstwerken und Projekten, sei es der „Wishtree“, der „Peacetower“ in Island oder ihr „Smile-Project“ im Internet.

Für Yokos „Smile-Project“ sollen möglichst viele Menschen ein Foto an Yoko mailen, auf dem sie lächeln oder lachen. Wer so ein Projekt für naiv hält, hat wenig verstanden. Schlag’ nach bei Umberto Ecos Roman „Im Namen der Rose“. Da kann man nachlesen, wie subversiv, ja, radikal die Kraft des Lachens sein muss, wenn die Herren der Macht so viel Angst davor haben. Yoko kennt sich übrigens auch mit Philosophie aus, sie war die erste Frau in der Geschichte Japans, die Philosophie studierte.

Freunden von Yoko Onos Stimmmeditationen sei hiermit noch das neue Album „Yokokimthurston“ empfohlen, dass sie gemeinsam mit Kim Gordon und Thurston Moore von Sonic Youth aufgenommen hat. Und die allerneueste Coverversion des Yoko-Songs „We are all Water“ kommt von den jungen Tune-Yards aus Kalifornien. Und auf der B-Seite der Single interpretiert Yoko Ono höchstpersönlich mit Merrill Garbus, der Tune-Yards Gründerin und Frontfrau, ihren alten Song „Warrior Woman“ neu. Alles Gute weiterhin, Yoko!         


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