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Fleetwood Mac Go Your Own Way

Es gibt nicht wahnsinnig viele Bands, die so bewundert und gleichzeitig so gehasst wurden in der Popgeschichte wie Fleetwood Mac. Michael Bartle erzählt die wechselhafte Geschichte Fleetwood Macs.

Von: Michael Bartle

Stand: 20.07.2013 | Archiv

Fleetwood Mac | Bild: picture-alliance/dpa

Fleetwwod Mac sind aus Johny Mayall‘s Bluesbreakers hervorgegangen und viele Fans haben der 1967 in London gegründeten Band nie die 360 Grad Kehrtwendung verziehen - vom britischen Bluesrock zur glatt polierten L.A-Oberfläche der 70er und 80er Jahre. Für die Blues-Fans der ersten Stunde war das der verhasste Sound Hollywoods, der Formatradios und der Dudelfunker.

Blues oder Dudel?

In letzter Zeit setzt sich aber immer mehr eine andere Interpretation durch. In ihren Anfängen seien Fleetwood Mac nur eine von vielen britischen Bluesrockcombos gewesen, aber erst der schlaue und strategische Move, wie Elton John oder Rod Stewart das „Atlantic Crossing“ zu wagen und in die USA zu ziehen, habe zu Fleetwood Macs Monster-Erfolg beigetragen. Und es stimmt: wenige Bands haben einen so makellosen, kommerziell so erfolgreichen Sound hinbekommen, der gleichzeitig auch noch sophisticated ist. Ohne zuviel vorwegzunehmen: Ich tendiere zur letzteren Sichtweise von Fleetwood Mac.

Peter Green heute

(Mick) Fleetwood (John McVie) Mac hatten zusammen mit Peter Green 1967 John Mayall‘s Bluesbreakers im Stich gelassen – der Erfolg von anderen Bluesrocktrios wie Cream hatte sie inspiriert, es auf eigenen Beinen zu versuchen. Das Debütalbum von 1968 heißt schlicht und einfach "Fleetwood Mac", und wenn man es heute wieder hört, unterscheidet es sich nicht allzu sehr von all den anderen Bluescombos dieser Zeit. Aber auf dem ein oder anderen von Peter Green geschriebenen und gesungenen Song zeigt sich dann aber doch das leicht spezielle Songwriting von Peter Green: insbesondere auf dem schön Kettenkarussell fahrenden „Long Grey Mare“. 1970 schrieb der erste Fleetwood-Gitarrist Peter Green auch das tolle „The Green Manalishi“, in der Folge von so unterschiedlichen Bands gecovert wie Judas Priest oder den Melvins. Aber keine Band kam ganz ans Original. Und natürlich ist auch „Oh Well“ immer noch ein unsterblicher Song aus der Frühphase von Fleetwood Mac. Das von Peter Green geschriebene Stück ging 1969 auf Platz zwei der britischen Album Charts – aber der immer leicht kauzige und introvertierte Typ war keiner fürs große Showgeschäft. Stattdessen trippte er auf allen möglichen Halluzinogenen, verlor sich dabei und verließ 1970 die Band – versehen mit der spektakulären Ankündigung, sein ganzes Vermögen her zu schenken. Fleetwood Mac ersetzten ihn mit Christine Perfect, einer Sängerin, die zuvor bei Chicken Shack und Spence Davis mitgesungen hatte. Aus Christine Perfect wurde 1971 Christine Mc Vie und damit die Ehefrau des Fleetwood Bassisten John McVie - und sie wurde sofort eine wichtige Songwriterin der Band. Nach mehreren Umbesetzungen stießen in der Silvesternacht 1974 auch das hochtalentierte Pärchen Lindsay Buckingham und Stevie Nicks zur Band. Das war auch eine strategische Entscheidung. Fleetwood Mac wollten den amerikanischen Markt angreifen, britischer Bluesrock war da nicht sonderlich angesagt, ein neuer Sound, eine neue Ausrichtung mussten her. Stevie wuchs relativ schnell in ihre Rolle hinein, irgendwo, so sagt sie im ARD-Interview, zwischen sexy-naiv-hippiesker Frontfrau, großer, fast schon devoter Zurückhaltung und Mutter der Kompanie.

Atlantic Crossing

Lindsay Buckingham und Stevie Nicks

Mit dem Songwriter-Duo Buckingham/Nicks und dem Umzug in die USA begann die kommerziell erfolgreichste Zeit der Band. Schon das erste Album in dieser Besetzung, schlicht „Fleetwood Mac“, betitelt, verkaufte sich 5 Millionen Mal. Die drei Neuen übernahmen nahezu komplett das Songwriting – und aus der Bluesrock-Band wurde eine der feinsten und ausbalanciertesten Mainstream-Bands der 70er Jahre – am besten auf dem ersten Album in neuer Besetzung zu hören in Christine McVies „Over My Head“, auch wenn „Rihannon“ der größere Hit der Platte wurde.

Here Comes Success

Das 75er Album von Fleetwood Mac bedeutete den endgültigen Durchbruch für die Band. Aber auch einen Haufen Trouble. Fleetwood Mac kamen zu einem Berg an Kohle, aber fast alle Beziehungen lösten sich auf – ein regelrechtes Liebeskarussell entstand, befeuert durch Koks und Alkohol. Nicht nur John und Christine Mc Vie trennten sich, auch Lindsay Buckingham und Stevie Nicks, die direkt in die Arme von Mac Oldie Mick Fleetwood rannte, ohne dass der Rest der Band davon wusste. Doch vor allem Lindsay Buckingham behielt zumindest musikalisch einen klaren Kopf.

Love Hurts, Pain Sells

Inmitten des totalen Chaos, der Koksparanoia und im bandinternen Beziehungsstress entstand jenes Album, mit dem die Band für immer verbunden werden wird. „Rumours“ erschien 1977, verkaufte sich bis heute 50 Millionen Mal und ist damit unter den Top Scorern aller Zeiten.

Obwohl es drunter und drüber ging: Mit „Rumours“ ist der Band vielleicht von Sound und Songwriting das makellose Album des Mainstreams gelungen, auch wenn nahezu alle Songs unterhalb der glatten Oberfläche unfassbar offen all die seelischen Schrammen verhandeln, die sich die Band in ihrem internem Rosenkrieg zugefügt hat und den Hollywood nicht besser verfilmen könnte. In nahezu jedem Song bekommt der jeweilige Ex-Partner auf die Mütze.

Man muss sich das nur mal vorstellen. Christine McVie, die mit dem Lichttechniker der Band angebandelt hat, singt „You Make Loving Fun“ und der gehörnte Ex-Mann John McVie spielt dazu den Bass. Lindsay Buckingham, von Stevie Nicks verlassen, schreibt „Never Going Back Again“, allerdings erst nachdem er eine neue junge Madam kennen gelernt hatte. Und er gibt Stevie Nicks in „Go Your Own Way“ noch eine zusätzlich mit, das mit der Erkenntnis anfängt: „Loving You isn’t the right thing to do!“

Elegant und attraktiv: Stevie Nicks

Rumours hat es tatsächlich geschafft, Beziehungstumulte in unkaputtbare, zeitlose Songs zu übersetzen und hat der Band einen Multimillionen-Dollar-Erfolg beschert. „Es war die schlimmste Zeit“ wird Stevie Nicks später sagen, „aber wir schrieben die besten Songs unsere Lebens“. Auf Rumours folgte 1979 das letzte Album von Fleetwood Mac, das mir noch gefällt: Tusk – ein für Mac Verhältnisse leicht sperriges Konzeptalbum, ein Doppelalbum noch dazu, das fast ohne Single auskommt: für die erwartungshungrige Plattenfirma fast eine Katastrophe, aber das einzig richtige, was die Band nach dem Mega-Erfolg von Rumours tun konnte. Es sei das ultimative Kokain-Album schreibt die US-amerikanische Webseite allmusic.com. In weiten Passagen unglaublich mellow, um dann in kurzen heftig manischen Explosionen auszubrechen. Mainstream Madness, verrückter als Lindsay Buckinghams Vorbild Brian Wilson.

Hope I Die Before I Get Old

Die 80er kamen, eine Zeit, als meine Generation von Bands wie Fleetwood Mac eher angewidert war. Hip Hop, New Wave und Postpunk waren die Sounds der frühen 80er und Fleetwood Mac klangen nach unserer Lesart dick und selbst gefällig, der vertonte Bausparvertrag. Eigentlich war die Band fast die gesamten 80er hindurch am Auseinanderdriften, die Spannungen innerhalb der Band waren nicht mehr auszuhalten, Solokarrieren wurden gestartet.

1987, zehn Jahre waren seit „Rumours“ verstrichen,  unternahm Lindsay Buckingham noch seinen auf lange Zeit letzten Versuch, Fleetwood Mac etwas abzuringen. Das Album „Tango In The Night“ hatte mit „Big Love“ und „Little Lies“ noch einmal Riesenhits für den Massengeschmack, aber es hatte nicht mehr die paranoide, fiese Unterströmung von „Rumours“ , klang alles in allem viel zu clean und hatte all die 80er Jahre No-Go-Sounds in sich wie einen besonders gemeinen Tumor. Aber es ist ziemlich interessant, dass sich eine ganze Menge junger Remixer und Edit-Künstler aus genau dieser cleanen Phase bedienen, um für das Netz ganz neue Versionen anzufertigen. Ein Remix-Kollektiv nennt sich Fleetmac Wood, legt sogar bei Glastonbury Festival auf und sie haben aus Fleetwood Macs Big Love kleine Disco-House oder Balearic Nummer gebastelt, die sie auf Soundcloud veröffentlichen.

Never Going Back Again

Fleetwood Mac auf Reunion-Tour

Das Nummer Eins Album „Tango In The Night“ ist aus heutiger Sicht ziemlich verunglückt und weichgespült. Die Band war zu dem Zeitpunkt mehr oder weniger am Ende. Mit Lindsay Buckingham, Stevie Nicks und Christine Mc Vie verließen nacheinander die Hauptsongwriter die Band, einzig Fleetwood und Mac, die beiden Ur-Buddies an Bass und am Schlagzeug waren übrig geblieben. Zwar gab es immer wieder Re-Unions, aber kein neues Fleetwood Mac Outfit der 90er und frühen Nuller Jahre brachte annähernd etwas Vernünftiges zustande. Kein Wunder, dass in den letzten Jahren immer wieder eine Sehnsucht spürbar war nach den Fleetwood Macs, die „Rumours“ zuwege gebracht haben – nun gehen Fleetwood Mac fast in dieser Besetzung wieder auf Tour – im New Yorker Madison Square Garden etwa haben sie an einem Abend im April 23 Songs aus allen Phasen performt.

Im Oktober kommt die Band zu drei Deutschlandterminen nach Köln, Stuttgart und Berlin. Nur Christine Mc Vie fehlt, sie hat sich ganz aus dem Musikbusiness verabschiedet.


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