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Labelporträt Celluloid auf Vinyl

Es kommt einem immer so vor, als sei Celluloid ein Insiderlabel, obwohl es in den 80ern den Sound von New York wie kaum ein anderes dokumentiert und damit womöglich auch gefördert hat. Sabine Gietzelt über die Geschichte des Labels.

Von: Sabine Gietzelt

Stand: 24.07.2013 | Archiv

Celluloid Kassetten Cover | Bild: Celluloid Records

Das Celluloid Label kann sich nicht nur mit Fantum und wahrem Musikinteresse schmücken, sondern auch mit ein paar amtlichen Vorzeige-Hits. Die offenbar passierten, weil hier privates und öffentliches Interesse an einer bestimmten Musik, also ein noch im Untergrund vor sich hin schwelender Zeitgeist, genialerweise zusammentrafen.

Afro und Funk, beides in einem, kulturübergreifende Musik zu veröffentlichen und außerdem moderne improvisierte  Musik, das war es, was den Labelchef eigentlich interessierte. Auch diesen damals recht neuen amerikanischen Straßensound, den es plötzlich überall zu hören gab, fand er sehr spannend. Man nannte den Gesang Rap und die Musiker DJs und sie kratzen wie wild auf Platten rum. Man hatte schon davon gehört  - "Rappers Delight" war schließlich schon 1979 rausgekommen, aber "Rap-Music" war trotzdem noch neu. Die Halbwertzeit von Musik war damals noch etwas länger.

Ein später unglaublich oft gesampeltes Stück, ein Prototyp für die Hip Hop Welt, wurde das 1982 erscheinende "Change The Beat" von Fab Five Freddy, obwohl man Fab Five Freddy bis dahin eher vom Sehen als vom Hören kannte: Auf den New Yorker U-Bahnen konnte man Fab Five Freddys Graffitis damals bewundern. Heute ist er eine Legende.

Ein eklektisches Label

Auf dem Celluloid-Label: Fela Kuti.

Die weniger amerikanisierte Seite der Musik dokumentierte Celluloid mit Fela Kuti Platten, beispielsweise mit Toure Kunda und mit Re-Issues von den nicht weniger legendären Last Poets, den musikalischen Vorfahren von Rap. Celluloid war also - man kann es durchaus sagen - ein eklektisches Label.

Hinter diesem scheinbar so amerikanischen Label steckte eigentlich ein Franzose, der anfangs auch in Paris lebte. Deswegen gibt es auch ein paar sehr französische Nummern auf Celluloid. Wie etwa das charmante "Suis-Je Normal" von der Dame mit dem hinreißenden Namen Nini Raviolette, die 1980 als französisches New Wave Wunder dieses Stück in Frankreich veröffentlichte, wo Celluloid damals noch ansässig war.

Jean Georgekarakos bzw. in der Kurzform Jean Karakos, der Initiator und Betreiber von Celluloid, ging erst Ende 1980 nach New York, in den Schmelztiegel, in den Hotspot aktueller Musik, wo Experimente ebenso brodelten wie die vielen kulturellen Musikeinflüsse. Früher hatte Karakos in Plattenläden gearbeitet, Musik importiert, ein Jazzlabel gehabt, afrikanische Musik und Free Jazz gehört und geliebt. Jetzt arbeitete er eng mit dem Gleichgesinnten, wenn auch deutlich jüngeren Bill Laswell zusammen, der unter anderem die lokale Spürnase für Karakos Label war.

Karakos entdeckte dieses neue Ding namens Rap für sich

Aber im Gegensatz zu Laswell, der trotz seines jungen Alters eher fürs virtuose und ernsthafte Musikmachen war, entflammte Karakos für dieses neue Ding namens Rap, das damals noch unschuldig, naiv und voller Spaß war. Und außerdem ganz andere Leute ansprach. 

Laswell wiederum hatte das Talent, die verschiedensten Leute und Musiker zusammen zu bringen und so kam es zu dem Projekt Timezone, bei dem Afrika Bambaataa immer wieder mit anderen Musikern arbeitete. Für "World Destruction" war es John Lydon, also Sex Pistols' Johnny Rotten, der seine Quäk-Vocals beisteuerte. Afrikaa Bambaataa mit John Lydon, ein wundersames Team und Crossculture at its best. Die Nummer lief in den Diskotheken rauf und runter. Die Engländer hatten ja bereits ein Gespür dafür bewiesen, dass Punk und Reggae prima zusammengingen und später sollten auch The Clash einen Auftritt mit einem Graffiti Künstler auf Celluloid haben.

Es floss also  Geld in die Celluloid- Kasse mit "World Destruction". Und an der wurde auf dem dem kleinen Celluloid OAO Seitenlabel ebenfalls hart und subversiv gearbeitet. 

Die musikalische Entsprechung New Yorks um 1980

Drei Avantgarde Meister Fred Frith, Bill Laswell und Fred Maher trafen in jener Band zusammen, die sich Massacre nannte. Der Name war Programm.

Fred Firth

Allerdings hat diese experimentellen Improvisiermasse nur ein Jahr zusammengespielt. Dann gab es für die drei Musiker von Massacre anderes zu tun. 1998 haben sie sich aber noch einmal zusammengetan und weiter gelärmt. Den Namen Massacre hat allerdings auch eine Metalband problemlos im Lärmkosmos weitergeführt. Die Celluloid Massacre aber haben für sich beansprucht, dem New York der Zeit -  also um 1980 herum - die musikalische Entsprechung zu sein. Interessant, wo Fred Frith, als gebürtiger Engländer, gerade mal  ein Jahr in New York war. Aber so war das intensive New York damals... Und das ist ja auch heute noch zu spüren. Magie und Energie pur.

Daniel Ponce war von Kuba nach New York gekommen und Percussionist Ponce hatte bei und mit Dizzy Gillespie, Tito Puente und Eddie Palmieri gearbeitet, der auch auf der Solo-Platte von Daniel Ponce am Saxophon zu hören ist. Natürlich auch dabei: Bill Laswell, der Hausbassist, Produzent von Celluloid, außerdem Arrangeur und Komponist. Allen voran wurde es natürlich trotzdem die Platte eines Trommlers, eines Percussionisten und Congamannes, die in der Latin Community natürlich sehr geschätzt wurde. Auch Afrikaa Bambaata und Herbie Hancock haben Daniel Ponce für seine Platten gern gebucht.

1988 folgte der Verkauf von Celluloid Records

Überhaupt waren auf den Celluloid Platten des Sublabels OAO gern versierte Musiker zu hören. Derek Bailey, ein aus den Sechziger Jahren bekannter Gitarrist, schwer verehrt von Jimmy Page und Eric Clapton beispielsweise, hatte beschlossen, sich vom Kommerz abzuwenden und fortan zu improvisieren. Seine Celluloid Platte war "fully improvised" und auch hier war Prominenz mit im Haus: John Zorn.

Flyer für das Celluloid Label.

Außerdem der Trompeter George Lewis, nebenbei Komponist für Experimentelles. Yankees nannten die drei ihr Projekt damals. Es glänzte mit einem feinen Cover, vor allem aber mit wilder, unerhörter Musik und Geräuschen, mit der man sich nicht nur Freunde machte.  Gitarre, Trompete, Saxophon, Klarinette außer Rand und Band.

Nach 1987 war Bill Laswell wegen vielerlei anderer, durchaus auch kommerzieller Aktivitäten nicht mehr der wichtige Impulsgeber für das Label und 1988 verkaufte Karakos Celluloid. Er verließ New York, ging zurück nach Paris, das Label lief allerdings weiter und veröffentlichte beispielsweise die Golden Palominos, eine Band, die bereits seit 1983 auf Celluloid war. Mit Bill Laswell am Bass und jeder Menge andere NY Hipsters und Vorzeigemusiker.


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