Bayern 2 - Nachtmix


3

Searching for the young soul rebels Dexys Midnight Runners

Neben den Talking Heads und den B-52s zählen Devo zu den wichtigsten New Wave-Bands der USA. Zwischen 1976 und 1981 schrieben sie mit Hits wie "Mongoloid", "Whip It" und "Freedom Of Choice" Musikgeschichte des Alternative Pops. Kopf der Band aus Akron, Ohio, ist Mark Mothersbaugh, der am Dienstag 60 wurde.

Von: Michael Bartle

Stand: 10.12.2010 | Archiv

Dexys Midnight Runners | Bild: Dexys/dexys.info

Eine der besten Platten der 80er beginnt mit einem Ritt durch die Radiolandschaft, Mittelwelle, fremde Stimmen, Deep Purples Smoke On The Water scheint sich durchzusetzen, wird wieder verwischt, von irgendwo her, über irgendeine Welle reiten die Pistols daher, etwas später macht eine Stimme reinen Tisch, macht klar: "For God’s sake, burn it down!" Jetzt beginnt etwas neues: Searching For The Young Soul Rebels - die Dexys Midnight Runners sind da!

Als ich als kleiner Hosenscheißer von meinem Taschengeld diese Platte gekauft habe, hatte ich keinen Schimmer, auf welche Reise sie mich nehmen würde. 1980 war der Irokese nur noch ein Postkartenmotiv, Punk also ziemlich durch, Genesis, Toto und die anderen keine Option - was sollte bitteschön als nächstes kommen. Es war der Titel des Albums "Searching for the young soul rebels", und das Cover, das mich angefixt hatten: eine in grün-schwarz getauchte Aufnahme eines jungen, vielleicht 15 jährigen Typen im viel zu erwachsenen schwarzen Mantel mit auseinanderklaffenden Koffer und schweinslederner Tasche, der ernsten Blicks sich zu einer Reise aufmacht, während um ihn herum Welt und Menschen verstört in Deckung gehen. Ein neues Jahrzehnt bricht an: "Tell me when my light turns green" sangen die Deyxs im Jahr 1980.

30 Jahre ist das nun her und vor kurzem ist dieses kleine Meisterwerk wieder veröffentlicht worden. Als Kevin Rowland und Al Archer 1978 von Birmingham Richtung London aufbrechen, lassen sie die eher unbedeutende Punk Band Killjoys und viele tolle Northern Soul Partys hinter sich, nichts als einen Stapel Platten von Sam and Dave, James Brown, und Aretha Franklin im Köfferchen. In London treffen sie auf den Bassisten Pete Williams, der mit dem kompletten Stax-Records Katalog wedelt und schreit: Ich will so gut sein wie diese alten Soul Rebels! Für ihre erste Platte haben sich die Dexys tief hineinversenkt in die afroamerikanische Musikgeschichte, sind einmal zu den Wurzeln gereist, zum Blues und zum Soul und sind zurückgekommen mit einer tiefen Liebe zur Musik. Und sind aber nicht wie viele Bands heute stehengeblieben im Retro-Mief, nein die Dexys haben diese Soul-Energie gekreuzt mit der Aufbruchstimmung und dem Rabaukentum des Punk.

Der Name der Band leitet sich ab von Dexedrin, einem unter den Northern Soul Fans sehr beliebten Amphetamin, das die Party-Gänger die ganze Nacht lang tanzen ließ - Midnight Runners eben. Von Anfang an war Bandleader Kevin Rowland um das Image der Band mindestens so besorgt wie um die musikalische Klasse. Wie so oft auf der Insel wurde die Herkunft aus der Arbeiterklasse überstilisiert - Rowland ließ die Band zunächst in den Klamotten amerikanischer Dockarbeiter auftreten - so als wären sie soeben aus dem Scorsese/De Niro Film "Mean Streets" desertiert. Weil nicht genug Geld für die ausgefallene Garderobe der manchmal 8-köpfigen Band vorhanden war, soll sich Kevin Rowland hin und wieder recht freizügig in Klamottenläden bedient haben.

Das Debütalbum der Dexys Midnight Runners rotiert bis heute auf meinem Plattenteller. Und nicht nur auf meinen - Jan Delay hat sich mit diesem Blue Eyed Soul satt gesogen, Paul Weller und viele andere haben versucht, diesen Sound zu kopieren. Damals konnte allerdings wirklich keiner damit rechnen, dass "Geno", ein Tribute Song für den Soulsanger Geno Washington, 1980 auf Platz 1 der britischen Charts gehen würde. Weil die Plattenfirma aber nicht genügend Gewinn an die Band ausschüttet, lässt Ober-Dexy Kevin Rowland kurzerhand die Masterbänder klauen, kein Thema für ihn, er hat ja schon zuvor die Band mit generalstabsmäßig geplanten Ladendiebstählen über Wasser gehalten. Die EMI lenkt ein.

Trotzdem: Die Dexys rennen zu Mercury und landen nach ein paar Umwegen und Umbesetzungen schon mit einer Single aus dem nächsten Album einen weltweiten Nummer-Eins-Hit. "Come On Eilleen" toppt sogar die US Charts. Und es ist ganz schön aufschlussreich, sich heute wieder das Video anzusehen, in dem die Band in blauen Latzhosen über nackten Oberkörper wie eine Handvoll Global Pop-Zigeuner durch die Stadt streunt - mit Banjo, Quetsche und Geigen, also fast den Instrumenten, die heute in der neuen Volksmusik wieder ausgepackt werden. Aber trotzdem geht die Geschichte von Dexys Midnight Runners nicht wirklich gut aus. Nicht alle waren einverstanden mit diesem Nummer Eins Hit und dem neuen Sound der Dexys. Denn "Come On Eilleen" war möglicherweise geklaut - und zwar vom eigenen Spezl. Urmitglied Al Archer war, wie fast alle anderen Bandmitglieder, aus der Band ausgestiegen, Rowland schien ein echter Control-Freak und kleiner Diktator geworden zu sein.

Archer gründete die vom Irish Folk geprägte Band Blue "Ox Babes". Und lieh seinem ehemaligen Chef ein Tape mit der Musik seiner neuen Band. Der war begeistert von dem Gefiedel, ließ sich nicht nur davon inspirieren, sondern warb auch noch Helen O Hara ab, die erste Geigerin. Aber Rowland hat nicht nur seinen alten Bandkumpel beklaut – die zweite Dexys Platte hat auch viel von den Irish Folk und Soul Momenten von Van Morrison - und das nicht mal besonders heimlich. Die Dexys covern zum Beispiel Van The Mans euphorisiertes "Jackie Wilson said".

Nach mehreren Umbesetzungen und einen Umzug nach New York lässt der Erfolg nach. Schon beim dritten Album will Rowland keine Single mehr zulassen. Er sieht das Album als Gesamtkunstwerk. Die Plattenfirma ist sauer, die Band löst sich auf, und trotzdem ist auch das dritte Dexys Album kein Reinfall. Die Band hat wieder ihren gewechselt - auf dem Cover posieren sie in Jungunternehmeranzügen - wie junge Wall Street Sharks auf der Suche nach dem reifen Song.

Karl Bruckmaier hat diesen Versuch einer seriösen Platte sogar in seine 101 besten Alben aller Zeiten gewählt. 1988 startet Rowland erfolglos eine Solokarriere. Kokain und ein Bankrott ziehen in die ganzen 90er in den Keller. Mittlerweile ist Kevin wieder wohl auf. 2003 gab es eine Comeback-Tournee, einige Festival Gigs hat er gespielt - sein neues Songmaterial ist allerdings nicht wirklich der Burner - aber mit "Searching For The Young Soul Rebels" und selbst mit dem zweiten Dexys Album "Too Rye Aye" sind im Klassiker der Euphorie gelungen, das macht ihm so schnell keiner nach!


3