Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von u. a. Arcade Fire, Mark Pritchard & Thom Yorke und PinkPantheress
Unser wöchentlicher Neuheiten-Check mit Puma Blue, Mietze Katz, Preoccupations, Kali Uchis, Joe Goddard, Arcade Fire, Umme Block, Thom Yorke & Mark Pritchard, Pinkpantheress und Die Liga der Gewöhnlichen Gentlemen

DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN – Egg Benedict
"Wenn du ein Problem hast" ist der Titel einer der Songs auf ihrem neuen Album und wenn Sie ein Problem haben, sollten Sie deren neues Album hören. Hier scheint die Sonne. Wegen dem beschwingten Sound, aber auch, weil viel von Sonne gesungen wird, wie das Licht uns alles etwas leichter schultern lässt. "Egg Benedict" heißt das Album. Was so geschmackvoll wie unsinnig ist, wie so viele Momente und Zeilen auf diesem Album. Ein Song ist den Comichelden Tim und Struppi gewidmet, ein anderer dem nicht existierenden siebten Mann von Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr und obendrauf gibt es skurrile Beschrieben wie ein "Film Noir in bunt". Was ja sowieso die Kunst der Band ist, die mal aus Superpunk entstand: nichts beschönigen, aber über die Realität und die Alltagsnöte nicht in Trauer verfallen. Die Band um Carsten Friedrichs flaniert betont entspannt und trotzig zwischen Punk, Mod-Sound und Soul. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen kann man nicht nicht mögen. Die Band tourt das ganze Jahr immer wieder mal – am besten prüfen Sie deren Homepage. (8 von 10 Punkten)
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Ein Dienstag in Dur (Es ist Frühling)
PINKPANTHERESS – Fancy That (Mixtape)
Die angesagte britische Musikerin hat letztes Jahr einen Musikpreis als Producer erhalten und hat in ihrer Preis-Dankesrede davon gesprochen, dass es nicht leicht war, als nicht-weiße Frau ernst genommen zu werden, zumal in der elektronischen Musikszene. Ihr neues Mixtape ist eine Ansage an alle Zweifler und so britisch wie die Corgis der verstorbenen Queen. Auf dem Cover posiert PinkPantheress mit Krone auf dem Kopf, um sie herum sind riesige Blüten collagiert und eine rote Telefonzelle taucht auch noch auf - wieso auch nicht, wenn das Mixtape schon "fancy that" heißt. PinkPantheress ist Mitte 20 und reiht sich ganz bewusst ein in die britische Clubhistorie – sie samplet Groove Armada, Basement Jaxx hätten sie beeinflusst, mal klingt ihr Gesang wie von den Sugababes, auch Indiehits der 00er Jahre werden aufgegriffen - alles ohne nostalgisch zu klingen. So adelt PinkPantheress die Form des Mixtapes: Keine halbe Stunde lang, jeder Song ein Treffer – ein hervorragendes Schaufenster für ihre Fähigkeiten. (8 von 10 Punkten)
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Tonight
THOM YORKE & MARK PRITCHARD – Tall Tales
Radiohead Frontman Thom Yorke und Elektro-Pionier Mark Pritchard hatten zuvor schon für Radiohead-Remix collaboriert. Jetzt kommt ihr erstes gemeinsam Album. Angefangen haben die beiden mit der Arbeit daran während der COVID 19 Pandemie – erst via Mail, dann in Videocalls. Und mit dieser Zeit hat auch der Song- und Albumtitel "Tall Tales" zu tun, erklärt Mark Pritchard in einem Track by Track Interview. Da würdeviel mitschwingen – bezogen auf die Pandemie und die Verschwörungserzählungen würde er aber schlicht bedeuten: Lügen. Auf dem Album wird geflüstert zwischen Synthesizern, als wären mehrere Charaktere am Werk, es hat manchmal etwas unheimliches, mit seinen sphärischen Flächen, die sich da im Hall ausbreiten, es gibt aber auch verspieltere Songs, mit klassischeren Strukturen.
Das geht für Fans von Pritchard und York auf, die sich in einer Fabelwelt wiederfinden. Das Visuelle war ihnen, heißt es, genauso wichtig wie die Musik. Videos und sogar ein Film wurden kreiert von Jonathan Zawada. Der so etwas wie ein drittes Bandmitglied ist. Wie ernst sie es meinen, mit dem World Building, merkt man auch am Merch: Auf Bandcamp kann man ein Kartenspiel erstehen, mit Charakteren aus dieser Welt. So viele von denen gibt es. Und sie haben etwas Unheimliches an sich. Es ist nicht ganz falsch, an die Bilder von Hieronymus Bosch zu denken. Das Album erscheint übrigens auf Mark Pritchards renommiertem Label WARP Records. (9 von 10 Punkten)
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Mark Pritchard & Thom Yorke - Tall Tales (Visual Experience) [Official Trailer]
UMME BLOCK – Nächte
Wir gehen Richtung Dancefloor, da stehen die beiden Münchnerinnen von Umme Block bereit. Die beiden weiten ihren Synthiepop aus und machen dem Technoiden Avancen. Das Melancholische trifft in ihrer Musik schon lang auf das Euphorische – passt perfekt in die Szenerie von Nächten und vor allem verheißungsvollen Partynächten: Zu Hedonismus und Ekstase, auf die ja unweigerlich die Dämmerung und der Kater folgen – wenn schon nicht am nächsten Morgen, dann zumindest irgendwann. Und so wie man die Ernüchterung am Horizont lauern sieht, warten die Fragen auf einen, ob man eigentlich schon bereit ist, nicht nur für das Ende der Party, sondern auch für Veränderungen? Für das Erwachsenwerden? Auch Wachstumsschmerzen kennen die Zwei von Umme Block und kitzeln die Katharsis aus den Nächten heraus. Umme Block spielen im Mai in Bayern und im Oktober in Berlin, Hamburg und Leipzig. (6 von 10 Punkten)
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UMME BLOCK | DU SAGST (Official Video)
ARCADE FIRE – Pink Elephant
Was macht man mit seinen Helden, wenn sie gefallen sind? Die Frage dürften sich viele Arcade Fire Fans stellen. Jetzt, wo die Kanadier zurück sind, mit ihrem neuen Album "Pink Elephant". Sie waren die Posterboys und Postergirls der "guten Seite". Eine künstlerisch super Band, die sich für soziale Zwecke eingesetzt hat und ein nahbares Image hatte. Bis vor drei Jahren bekannt wurde, dass mehrere Personen Frontmann Win Butler Übergriffe vorwerfen. Ganz stark gerafft. Das ging gegen alles, wofür Arcade Fire standen. Win Butler hat sich so mehr oder weniger entschuldigt, alles wäre einvernehmlich gewesen. Die Musikerin Feist sagt eine gemeinsame Tour ab, Arcade Fire selbst tourten mit ihrem damaligen Album munter weiter.
Nun sind sie mit Songs wie "Year of the Snake" zurück. In dem es solche Zeilen gibt: "Es ist das Jahr der Schlange, ich habe einen Schlussstrich gezogen und etwas neues ausprobiert". Wir sollen an Häutung denken, an Änderung und Wachsen. Der Sound ist shoegazig und indierockig und das ist ja durchaus ein Feld, auf dem Arcade Fire sich noch austoben können. Aber so viele Metaphern, die dann doch auch etwas selbstgerecht und nach Verteidigungshaltung klingen – da hoffe ich, dass das Album noch mehr zu bieten hat. Vorab hören konnte ich es nicht. (Keine Bewertung)
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Arcade Fire - Pink Elephant (Official Visualiser)
JOE GODDARD – Kinetic (EP)
Dieser Mann hat mit so vielen wichtigen britischen Acts gearbeitet: Sleaford Mods, Franz Ferdinand, Disclosure, Jungle – und er arbeitet viel. Letztes Jahr hat er erst ein Album und eine EP rausgebracht. Joe Goddard ist Mitbegründer von Hot Chip, Labelbetreiber und ein großartiger Produzent. Nachdem das Genre UK Garage wieder beliebter ist, wollte er sich dem auch widmen, sagt er. Er wäre immer Fan des Genres gewesen. Das hört man sofort. (8 von 10 Punkten)
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Joe Goddard - Image and Style featuring SUKU of Ward 21 and Dynamite MC (Official Audio)
KALI UCHIS – Sincerley,
Eins meiner liebsten Alben der Woche kommt von Kali Uchis. Die zuletzt vor allem mit spanischsprachigen Alben erfolgreich war – im Aufwind des hispanischen Pops. Das Album "Sincereley," ist seit einiger Zeit wieder eins, das komplett auf englisch ist. Das Album ist ihrer verstorbenen Mutter gewidmet, die auch am Beginn der Vorab-Single "Sunshine & Rain" zu hören ist, aus einer Sprachnachricht an Kali Uchis. "Sincerley," heißt übersetzt "aufrichtig", wird im Albumtitel aber mit Komma geschrieben, wie am Ende eines Briefs. Auch das ist eine Referenz an ihre Mutter. Kali Uchis plädiert auf diesem Album nahezu durchgehend für die Liebe. Alles ist wie von rosa Rauch vernebelt. Das hat eventuell auch etwas damit zu tun, dass sie Mutter geworden ist. Klingt nach furchtbar klischeehafter Deutung, aber der letzte Song auf dem Album heißt "ILYSMIH" ("I Love You So Much It Hurts") - "Ich liebe dich so sehr, dass es weh tut". Und am Ende dieses Songs, da hören wir ein Babylachen – es war also ein Song an ihren Sohn, nicht unbedingt stereotyp von einer Frau an ihren männlichen Partner. In den letzten Sekunden dieses Albums mit Liebesschwüren ohne Ende müssen wir uns fragen, ob manche der scheinbaren Klischee-Love Songs vielleicht nicht doch noch eine andere Ebene haben. Der Sound und Style von Kali Uchis ist schon länger luxuriös, üppig – auch dieses Album klingt nach Anschmiegen, nach Seide. Es ist aber auch smart. Kali Uchis bedient sich zwischen modernem Soul und R’n’B auch an den 60ern und 70ern, baut ein Elvis Zitat ein und ich glaube ja auch eine Anleihe "After Laughter" rauszuhören, ein Klassiker von Wendy Rene. Dieses Album vereint subtil die Einflüsse ihrer Vorbilder, die, wie sie einmal gesagt hat, sowohl Curtis Mayfield wären als auch Mariah Carey. Kali Uchis hat sich mit ihrem fünften Studioalbum selbst gekrönt. (9 von 10 Punkten)
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Kali Uchis - ILYSMIH (Visualizer)
PREOCCUPATIONS – Ill At Ease
Die kanadischen Post-Punker Preoccupations liefern so etwas wie das perfekte Einstiegsalbum für Neulinge – die Songs auf "Ill At Ease" sind poppiger, gemäß ihrer bekannten Liebe zum New Wave kommt 80s Touch dazu und auch ein bisschen Lust auf Hymnen. Ich bin mir nicht sicher, wie gut ältere Fans von den Preoccupations mit diesem Album zurechtkommen: Frontmann Matt Flegel blickt zwar nach wie vor mit lakonischen Witzen auf die Welt oder depressiv – gerne geht beides Hand in Hand. Aber so zugänglich waren sie bisher nicht. Ich finde ja: poppiges Gewand und Tiefe widersprechen sich nicht. Man kann auch gut melodiös mit der Welt hadern. (7 von 10 Punkten)
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Preoccupations - Ill At Ease (Official Video)
MIEZE KATZ – Dafür oder dagegen
Ich finde Mieze Katz eine irre spannende Person im Deutschpop-Zirkus. Kennengelernt habe ich sie wie viele als Frontfrau von der Band MIA, mit der sie damals zwischen Punk und Neue Deutsche Welle durch das erste Album gewetzt ist. Dann kamen Hits wie "Tanz der Moleküle" und mittlerweile sitzt Mieze Katz im Vox Enterinament-TV-Musik-Format "Song meinen Song". Auf ihrem Solo-Album lässt sie die Muskeln den guten Netzwerkens spielen. Aus den verschiedensten Genres kommen alle zusammen. Die Stimme von Hildegard Knef, Namika, Eva Briegel von Juli, Ami Warning, Newcomerin Gwen Dolyn, Antje Schomaker – das Zusammenbringen ist die Stärke des Albums. Aber viele Texte machen Komplexes zu simpel. Kratzen an gesellschaftspolitischen Themen und wenden sich dann ab. Auch wenn sie immer auf genau das Richtige abzielen: Liebe – für sich und andere, Zusammenhalt, Ehrlichkeit. Für meinen Geschmack fehlen die Kanten zwischen den soundtechnisch ziemlich seicht gestalteten Popsongs – die Kantigkeit, für die ich Mieze Katz sonst so schätze. (6 von 10 Punkten)
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Mieze Katz, MiA – TROY (Sing Meinen Song Vol. 12)
PUMA BLUE – antichamber
Digital wurde Puma Blues Album "antichamber" schon veröffentlicht, jetzt kommt es physisch raus. Im Gegensatz zu den vorherigen Alben ist fast alle Elektronika abgezogen worden. Was bleibt, ist puristischer Indiefolk von Jacob Allen, der auf dem Album begleitet wird von field recordings, von Aufnahmen der Umgebung. Entstanden ist das Album wohl in einer schweren Zeit, mit einigen Schafproblemen. Die Lyrics sind introspektiv, Jacob Allen kreist um sich selbst, aber nimmt uns dabei mit. (7 von 10 Punkten)
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debris